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Zur innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Der Beschwerdeführer wäre im Fall einer Niederlassung in Kabul Bedingungen ausgesetzt, die nach § 8 Abs 1 AsylG die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, weil die Stadt vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat relativ stark betroffen ist. Kabul kommt daher nicht als innerstaatliche Fluchtalternative für den Beschwerdeführer in Betracht. II. Die Städte Mazar-e Sharif und Herat sind gegenwärtig vom Konflikt relativ wenig betroffen, sodass für den Fall einer dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers eine iSd § 8 Abs 1 AsylG relevante Gefahr, dass dieser im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode kommt oder misshandelt oder verletzt wird, nicht droht. III. Bei der Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative stellt gemäß der VwGH-Rsp das Kriterium der Zumutbarkeit iSd § 11 AsylG und Art 8 Status-RL eine zweite, jeweils im Einzelfall zu prüfende Voraussetzung für deren Bejahung dar. IV. In einer Zusammenschau der aus den spezifischen individuellen Merkmalen des Beschwerdeführers (Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, sofortige Erkennbarkeit als Rückkehrer, fehlendes soziales Netzwerk) resultierenden Erschwernisse unter Berücksichtigung auch der allgemeinen Situation im Herkunftsstaat ist im Fall des Beschwerdeführers, - anders als bei jenen afghanischen Staatsangehörigen, die ihr ganzes Leben in Afghanistan verbracht haben und dort zur Gänze sozialisiert wurden bzw Rückkehrer, die über ein tragfähiges soziales Netzwerk verfügen - nicht davon auszugehen, dass er in Mazar-e Sharif oder Herat Fuß fassen und ein Leben ohne unbillige Härte wird führen können und es ist im Fall einer dortigen Ansiedelung sehr wahrscheinlich, dass der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung und Kleidung nicht befriedigen wird können und in eine ausweglose Situation gerät. Eine innerstaatliche Fluchtalternative steht dem Beschwerdeführer mangels Zumutbarkeit daher nicht zur Verfügung.
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1097
Haft nach dem VStG und nach dem FPG zielen auf unterschiedliche Zwecke ab
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Anhaltung in Schubhaft und die Anhaltung nach dem VStG verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen, beziehen sich auf unterschiedliche Sachverhalte und betreffen unterschiedliche Personengruppen. Während die Haft nach dem VStG Strafcharakter hat, hat die Schubhaft einen solchen gerade nicht, sondern dient dazu, eine fremdenrechtliche Sicherungsmaßnahme durchsetzen zu können (vgl VwGH, 22.3.2002, 2001/02/0129). II. § 113 Abs 1 FPG dient nicht als "Schadenersatzanspruch", sondern wurde als Kostenersatzpflicht des Fremden für vom Staat hoheitlich wahrgenommene Aufgaben geschaffen. Bei der Vorschreibung von Kostenersatz gemäß § 113 Abs 1 FPG kommt es auf ein allfälliges Verschulden des Fremden an der Kostenverursachung nicht an (vgl VwGH 15.12.2011, 2011/18/0264). III. Die Bestimmung des § 113 FPG und damit zusammenhängend auch die des § 19 Abs 2 FPG-DV regeln die Kostenersatzpflicht eines Fremden für öffentlich-rechtliche, vom Staat hoheitlich wahrgenommene, fremdenrechtliche Aufgaben. Diese Rechtsgrundlagen unterscheiden sich somit aufgrund des unterschiedlichen Regelungscharakters und der Zielsetzung grundsätzlich von jenen des § 54d Abs 2 VStG und des § 32 Abs 2 StVG, die die Kosten des Vollzuges von Freiheitsstrafen im Verwaltungsstrafverfahren normieren.
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1098
Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schließt für türkische Staatsbürger Aufenthaltsrecht der Kinder ein
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers können gemäß Art 7 Abs 1 ARB 1/80 zunächst die Genehmigung erhalten, zum Zweck der Familienzusammenführung zu dem Arbeitnehmer zu ziehen; Kinder, die bereits im Aufnahmemitgliedstaat geboren wurden und stets dort lebten, sind ebenfalls vom Anwendungsbereich des Art 7 ARB 1/80 erfasst, ohne dass sie eine Erlaubnis benötigen, um zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen (vgl EuGH 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). II. Das System des schrittweisen Erwerbs von Rechten nach Art 7 Abs 1 ARB 1/80 dient einem doppelten Zweck. Erstens sollen nach der genannten Vorschrift bis Ablauf des ersten Zeitraums von drei Jahren Familienangehörige des Wanderarbeitnehmers die Möglichkeit erhalten, bei diesem zu leben, um so durch Familienzusammenführung die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der sich bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integrierte, zu begünstigen. Zweitens soll diese Vorschrift eine dauerhafte Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat fördern, indem dem betroffenen Familienangehörigen nach drei Jahren ordnungsgemäßen Wohnsitzes selbst der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird (vgl EuGH 22.12.2010, C-303/08, Bozkurt). III. Die ordnungsgemäßen Wohnsitzzeiten von bestimmter Dauer iSd Art 7 ARB 1/80 setzen zwangsläufig voraus, dass die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, im Aufnahmemitgliedstaat zu ihm ziehen, während dieser Zeiten ein Aufenthaltsrecht haben; denn mit der Verweigerung eines solchen Rechts würde die den Betroffenen eröffnete Möglichkeit, im Gebiet des Mitgliedstaats ihren Wohnsitz zu haben, gerade verneint. Außerdem wäre die den betroffenen Familienangehörigen gewährte Genehmigung, im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne Aufenthaltsrecht völlig wirkungslos (vgl EuGH 17.4.1997, C-351/95, Kadiman). IV. Eine Familienzusammenführung ist ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesserung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zu ihrer Integration in diesen Staaten beiträgt. Auf die Entscheidung eines türkischen Staatsangehörigen, sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen, um dort dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann es sich nämlich negativ auswirken, wenn die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats die Familienzusammenführung erschweren oder unmöglich machen und sich der türkische Staatsangehörige deshalb unter Umständen zu einer Entscheidung zwischen seiner Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat und seinem Familienleben in der Türkei gezwungen sehen kann (vgl EuGH 10.7.2014, C-138/13, Dogan). V. Die sozialen Bestimmungen des ARB 1/80, zu denen Art 7 Abs 1 gehört, bilden einen weiteren durch die Art 45 AEUV, 46 AEUV und 47 AEUV geleiteten Schritt zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Es müssen daher die im Rahmen dieser Artikel geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die in diesem Beschluss eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden (vgl EuGH 19.7.2012, C-451/11, Dülger; EuGH 23.1.1997, C-171/95, Tetik; EuGH 17.4.1997, C-351/95, Kadiman).
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1099
Erschleichung von Aufenthaltstitel: Wiederaufnahme trotz Verdacht im Ausgangsverfahren
LEITSATZ DES GERICHTS: Dass die Behörde vor Erteilung der "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" Verdachtsmomente hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe hatte, hinderte sie nicht an einer Wiederaufnahme auch dieses Verfahrens, gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen. In der Erteilung eines Aufenthaltstitels liegt keine "inzidente Entscheidung, keine Wiederaufnahme zu verfügen".
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1100
Dringend gebotene Verfügung der Rückkehrentscheidung bei unzureichender Integration
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Das öffentliche Interesse jedes Staates an einer effektiven Einwanderungskontrolle wiegt jedenfalls mehr als das Privatleben eines Asylwerbers, und zwar auch dann, wenn der Asylwerber im Aufnahmestaat ein Studium betreibt, sozial integriert ist und schon seit 10 Jahren im Aufnahmestaat lebt. II. Die lange Aufenthaltsdauer wird jedoch vor allem dadurch relativiert, dass der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber rechtmäßig war und sich der Beschwerdeführer seines unsicheren Aufenthaltes bewusst sein musste. III. Das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich ist in seinem Gewicht gemindert, wenn der Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen. IV. Unter Berücksichtigung der überwiegenden Sozialisation im Herkunftssaat, des Beherrschens zweier Landessprachen, des regelmäßigen Kontakts zu seiner Familie und das Vorliegen sozialer Anknüpfungspunkte in Indien ist davon auszugehen, dass sich der gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr trotz des langjährigen Aufenthalts in Österreich wieder in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates eingliedern kann. V. Insgesamt betrachtet ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet mangels einer verfestigten beruflichen und sozialen Integration trotz seines langjährigen Aufenthalts nur geringes Gewicht haben. Die Verfügung der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG war daher im vorliegenden Fall dringend geboten und auch nicht unverhältnismäßig. VI. Da weder eine maßgebliche Verschlechterung der allgemeinen Lage in Indien erkennbar ist noch die persönlichen Umstände des Beschwerdeführers sich verändert haben, ist weiterhin davon auszugehen, dass er im Falle einer Rückkehr nicht in seinen nach Art 3 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt werden würde.
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