Leitsätze
2273
Aufenthaltsverbot und Kindeswohl (Interessenabwägung)
Leitsätze
I. Wird ein Aufenthaltsverbot wegen mehrfacher strafgerichtlicher Verurteilungen erlassen und setzt die betroffene Person die Delinquenz in einem anderen Staat fort, so kann ein Wegfall der von der betroffenen Person ausgehenden Gefährlichkeit nicht festgestellt werden. Ebenso wenig ist in diesem Zusammenhang ein positiver Gesinnungswandel anzunehmen. II. Um ein Aufenthaltsverbot aufzuheben, müssen sich seit der Erlassung desselben die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten der betroffenen Person geändert haben. Um einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von der Person ausgehenden Gefährlichkeit festzustellen, muss ein Wohlverhalten der Person über einen relevanten Zeitraum in Freiheit andauern. III. Bei Entscheidungen, die auch Kinder betreffen, ist das Kindeswohl ein vorrangig zu beachtender Gesichtspunkt. Zu berücksichtigen ist in diesem Kontext insb, ob eine etwaige Störung des Familienlebens (etwa aufgrund eines Aufenthaltsverbots) seit der Geburt des Kindes an besteht oder zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. IV. Bei der Prüfung, ob die Gründe für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots weggefallen sind, hat eine Gesamtbetrachtung der seit der Verhängung eingetretenen Sachlage zu erfolgen. Gehen von der betroffenen Person nicht mehr die früheren maßgebenden Gefahren aus, so ist das Aufenthaltsverbot aufzuheben. Die Rechtmäßigkeit jenes Bescheids, mit dem diese Maßnahme erlassen wurde, kann jedoch nicht mehr überprüft werden.
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Entscheidungsdatum: 08.09.2020
Aufbereitet am: 29.04.2021
2272
Unzulässigkeit von Ausweisungen langfristig Aufenthaltsberechtigter alleine wegen des Vorliegens bestimmter strafgerichtlicher Verurteilungen
Leitsätze
I. Art 12 RL 2003/109/EG steht einer nationalen Regelung entgegen, die für eine Ausweisung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen alleine das Vorliegen bestimmter strafgerichtlicher Verurteilungen genügen lässt. Stattdessen ist vielmehr eine umfassende Prüfung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls (auch der Aufenthaltsverfestigung des Drittstaatsangehörigen) vorzunehmen. An deren Ende muss eine Gefährdungsprognose hinsichtlich der öffentlichen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung stehen, die die Ausweisung rechtfertigt. II. Ein entgegenstehendes Auslegungsergebnis nationaler Gerichte kann methodisch nicht auf einen systematischen Zusammenhang mit der RL 2001/40/EG (über die gegenseitige Anerkennung von Entscheidungen über die Rückführung von Drittstaatsangehörigen) gestützt werden. Denn dieser Rechtsakt hat Ausweisungen langfristig aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger gar nicht zum Gegenstand.
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Entscheidungsdatum: 11.06.2020
Aufbereitet am: 28.04.2021
2271
Herkunftsstaat Somalia und subsidiärer Schutz
Leitsätze
I. Eine subsidiäre Schutzgewährung gemäß § 8 Abs 1 AsylG muss nicht iZm bewaffneten Konflikten oder Akteuren stehen, sondern kommt auch mit Blick auf die allgemeine Lage im Herkunftsstaat in Betracht. II. Die Situation in Somalia ist nicht dergestalt, dass jeder dorthin Zurückkehrende per se einem "real risk" einer dem Art 3 EMRK widerstreitenden Behandlung ausgesetzt wäre (und damit subsidiär schutzwürdig ist). III. Wohl aber kann bei vulnerablen Gruppen und vor allem fehlender Unterstützung infolge fehlender familiärer Anknüpfungspunkte vor Ort ein solches "real risk" drohen (und damit die Zuerkennung subsidiären Schutzes geboten sein). Eine Clanzugehörigkeit schafft hier keine Abhilfe, eine substanzielle Unterstützung durch den Clan ist nicht zu erwarten, weil diese Strukturen überstrapaziert sind. Folglich kommt auch eine Einstufung des Clangebiets als innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 02.12.2020
Aufbereitet am: 27.04.2021
2270
Zu berücksichtigende Faktoren bei der Versagung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten gemäß Art 6 Abs 1 RL 2003/86/EG
Leitsätze
I. Eine nationale Umsetzungsnorm zu Art 6 Abs 1 RL 2003/86/EG, der die Mitgliedstaaten dazu ermächtigt (nicht aber verpflichtet!), Drittstaatsangehörigen eine beantragte Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten iSv Art 4 Abs 1 RL 2003/86/EG aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung zu versagen, muss den Erfordernissen der Rechtssicherheit genügen: Dafür muss sie unzweifelhaft verbindlich, konkret, bestimmt und klar sein. II. Der bloße Umstand einer Vorstrafe reicht für eine Versagung der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht aus: Vielmehr verlangt Art 6 Abs 1 (Unterabsatz 2) RL 2003/86/EG eine konkrete Prüfung des Einzelfalls insb im Hinblick auf die Art des von diesem Drittstaatsangehörigen begangenen Verstoßes, die Gefahr, die er möglicherweise für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit darstellt, die Dauer seines Aufenthalts im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats und das Bestehen von dortigen Bindungen. III. Die zum Ausweisungstatbestand des Art 12 Abs 3 RL 2003/86/EG ergangene Judikatur des EuGH ist auf Art 6 Abs 1 RL 2003/86/EG übertragbar.
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Entscheidungsdatum: 03.09.2020
Aufbereitet am: 26.04.2021
2269
Zum Zusammenhang des Strafausmaßes mit der Bemessung der Dauer eines Aufenthaltsverbots
Leitsätze
I. Die gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten Interessen der beschwerdeführenden Person hat einzelfallbezogen zu erfolgen, wobei strafrechtliche Verurteilungen allein die Erlassung eines Aufenthaltsverbots von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerinnen und -Bürgern nicht begründen können. Vielmehr ist auf die tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr abzustellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. II. Eine Reduktion der Dauer eines Aufenthaltsverbots von Unionsbürgerinnen und -bürgern kann erfolgen, wenn die strafgerichtliche Verurteilung aufgrund gewichtiger Milderungsgründe im unteren Bereich des Strafrahmens angesiedelt ist. Im Sinne einer Reduktion der Dauer eines Aufenthaltsverbots ist zu berücksichtigen, dass etwa mit einer teilbedingten Strafe das Auslangen gefunden werden kann und es zu keiner Rückfälligkeit der betroffenen Person kommt. III. Eine strafgerichtliche Verurteilung wegen in zahlreichen Angriffen gewerbsmäßig begangener Vermögensdelinquenz als Mitglied einer kriminellen Vereinigung kann in Zusammenschau mit dem Fehlen einer Anmeldebescheinigung, dem Umstand, dass keine Meldung zur Sozialversicherung erfolgte und der Missachtung melderechtlicher Vorschriften einer positiven Zukunftsprognose entgegenstehen.
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Entscheidungsdatum: 07.09.2020
Aufbereitet am: 23.04.2021
2268
Zur Nichterteilung des Durchsetzungsaufschubs
Leitsätze
I. Die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs hat zu erfolgen, wenn die betroffene Person durch ihr persönliches Verhalten massiv die Grundinteressen der Gesellschaft verletzt. Eine derartige Gefährdung der gesellschaftlichen Interessen ist bspw anzunehmen, wenn die betroffene Person neben vorliegendem Substanzmissbrauch auch an einer Alkoholsucht und einer schweren psychiatrischen Erkrankung leidet, was bereits zum Begehen von Straftaten geführt hat. II. Hält sich eine abzuschiebende Person trotz eines bereits bestehenden Aufenthaltsverbots rechtswidrig im Bundesgebiet auf und meldet auch ihren Aufenthalt nicht, so ist in der Folge zu befürchten, dass es (zB nach Entlassung aus der Strafhaft) zu einem Untertauchen kommt und sich die Person neuerlich einer Ausreise bzw Abschiebung entziehen wird, was das Nichtgewähren eines Durchsetzungsaufschubs zu rechtfertigen vermag. III. Leidet eine abzuschiebende Person an einer Erkrankung, so ist hinsichtlich der Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs auch zu beurteilen, ob die Krankheit in dem Staat, in den die betroffene Person abgeschoben werden soll, behandelbar ist.
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Entscheidungsdatum: 10.09.2020
Aufbereitet am: 22.04.2021
2267
Unrechtmäßige Freiheitsentziehung im Transitzentrum Röszke unter erniedrigenden Bedingungen
Leitsätze
I. Die Anhaltung von Kindern in einem Transitzentrum für Asylwerber wirft besondere Fragen hinsichtlich der Lebensbedingungen auf, weil Kinder - egal ob begleitet oder nicht - als besonders vulnerabel anzusehen sind und wegen ihres Alters, ihrer Abhängigkeit, aber auch wegen ihres Status als Asylwerber besondere Bedürfnisse haben. Art 22 KRK fordert die Staaten auf, angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Kindern auf der Flucht Schutz und humanitäre Unterstützung zu gewähren. Die Tatsache, dass Kinder auf der Flucht von ihren Eltern begleitet werden, ändert nichts an der staatlichen Verpflichtung, sie vor einer mit Art 3 EMRK unvereinbaren Situation zu schützen. II. Ein Staat kann für eine Verletzung von Art 3 EMRK verantwortlich sein, wenn ein völlig auf staatliche Unterstützung angewiesener Beschwerdeführer mit Ignoranz oder Gleichgültigkeit seitens der Behörden konfrontiert ist, während er sich in einer Situation ernster Not befindet, die mit der Menschenwürde unvereinbar ist. III. Die Lebensbedingungen in der Transitzone Röszke waren 2017 generell akzeptabel für die kurzfristige Unterbringung erwachsener Asylwerber. Dies schließt jedoch Verletzungen von Art 3 EMRK durch die Anhaltung in dieser Zone im Einzelfall nicht aus. IV. Die viermonatige Anhaltung eines Asylwerbers in der Transitzone Röszke und die Verweigerung des Zugangs zu Nahrung während dieses Zeitraums, in dem er völlig von der Versorgung durch die ungarischen Behörden abhängig war, begründet eine Verletzung von Art 3 EMRK. V. Die viermonatige Anhaltung einer schwangeren Frau und ihrer drei Kinder im Alter von sechs Monaten, sechs Jahren bzw sieben Jahren in der Transitzone Röszke, wo ihnen keine psychologische Betreuung gewährt wurde, es nur sehr eingeschränkten Zugang zu kindgerechten Freizeitaktivitäten gab, sie ständig bewacht wurden und ihr Wohncontainer wiederholt durchsucht wurde, war mit Art 3 EMRK unvereinbar. VI. Zur Unterscheidung zwischen einer bloßen Freiheitsbeschränkung und einer Freiheitsentziehung iSv Art 5 EMRK im Hinblick auf die Anhaltung von Asylwerbern in einem Aufnahmezentrum zur Identifikation und Registrierung von Migranten an der Grenze sind folgende Faktoren heranzuziehen: die individuelle Situation und die Wahlmöglichkeiten der Betroffenen; das anwendbare nationale Recht; die Dauer des Aufenthalts, insb im Lichte seines Zwecks und der geltenden Verfahrensgarantien; und die Art und das Ausmaß der tatsächlich verhängten Einschränkungen. Die Situation eines Asylwerbers, der eine kurze Zeit lang angehalten wird, während der sein Recht auf Einreise geprüft wird, kann nicht als Freiheitsentziehung gewertet werden. Solange die Dauer nicht erheblich über das Maß dessen hinausgeht, was für die Prüfung des Asylantrags erforderlich ist, und keine besonderen Umstände vorliegen, wirkt sich die Dauer der Anhaltung nicht erheblich auf die Beurteilung des Vorliegens einer Freiheitsentziehung aus. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall die viermonatige Dauer der Anhaltung auf erhebliche Verzögerungen im Asylverfahren zurückzuführen ist, das nationale Recht keine Höchstdauer vorsieht und die Betroffenen unter sehr restriktiven Bedingungen angehalten werden, liegt eine Freiheitsentziehung iSv Art 5 EMRK vor. VII. Die Anhaltung der Beschwerdeführer im Transitzentrum war unvereinbar mit Art 5 EMRK, weil sie auf keine konkrete Rechtsgrundlage gestützt wurde und keine formellen Entscheidungen darüber ergangen sind.
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Entscheidungsdatum: 02.03.2021
Aufbereitet am: 21.04.2021
2266
Unionsrechtskonformität der Haft zur Rückführung Drittstaatsangehöriger aus einem Mitgliedstaat in den Mitgliedstaat der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft
Leitsätze
I. Grundsätzlich ist gegenüber Drittstaatsangehörigen, die in einem Mitgliedstaat illegal aufhältig sind, jedoch in Besitz eines Aufenthaltstitels für einen anderen Mitgliedstaat sind und die Rückkehr dorthin verweigern, gemäß Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG zwingend eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. II. Eine Rückkehrentscheidung iSd Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG kommt jedoch dann nicht in Betracht, wenn rechtliche Gründe sie verunmöglichen (insb dann, wenn der Grundsatz der Nichtzurückweisung ihr entgegensteht). III. Fälle, in denen eine Rückkehrentscheidung iSd Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG unzulässig ist (II.), fallen nicht in den Anwendungsbereich dieser RL. Ihre Regelung bleibt folglich – unter Bindung an alle in Betracht kommenden grundrechtlichen Determinanten – den Mitgliedstaaten überlassen. IV. Daher können die Mitgliedstaaten insb eine Haft zum Zwecke der Sicherung der Überstellung derartiger Drittstaatsangehöriger in andere Mitgliedstaaten vorsehen, wo ihnen zuvor die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden war.
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Entscheidungsdatum: 24.02.2021
Aufbereitet am: 20.04.2021
2265
Verhältnismäßigkeit der Sicherstellung des Reisepasses
Leitsätze
I. Ist zum Zeitpunkt der Sicherstellung des Reisepasses der betroffenen Person ein amtswegig eingeleitetes Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme anhängig, so sind gemäß § 39 BFA-VG die Organe des Sicherheitsdienstes zur vorläufigen Sicherstellung des Reisepasses ermächtigt. Eine Sicherstellung wäre nur dann unzulässig, wenn diese im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht standhalten würde. II. Liegen Umstände vor, die eine Unverhältnismäßigkeit der Sicherstellung des Reisepasses begründen können, so sind diese von der betroffenen Person darzulegen. Folglich kann überprüft werden, ob sich die Sicherstellung im Einzelfall als unverhältnismäßig erweist. III. Steht im Hinblick auf ein anhängiges Verfahren noch nicht fest, ob sich Schritte zur Vorbereitung einer Abschiebung (wie etwa die Abnahme des Reisepasses) tatsächlich als zulässig erweisen, so sind sie den betroffenen Behörden nicht generell verwehrt. Eine Unzulässigkeit kann sich im Einzelfall aber im Zuge der Verhältnismäßigkeitsprüfung ergeben.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 19.04.2021
2264
Aufenthaltstitel für im SIS zur Einreisverweigerung ausgeschriebene Drittstaatsangehörige
Leitsätze
I. Es spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit von vorgelegten Fragen im Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 AEUV). Dieses Zulässigkeitskriterium ist nur bei Fragen rein hypothetischer Natur oder bei "offensichtlich" fehlendem Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren als nicht erfüllt zu betrachten. II. "Gewichtige Gründe" (Art 25 Abs 1 SDÜ), die einen Mitgliedstaat zur Erteilung eines Aufenthaltstitels an Drittstaatsangehörige trotz einer vorliegenden Ausschreibung zur Einreiseverweigerung durch einen anderen Staat berechtigen, sind insb in der Grundrechtssphäre des betroffenen Drittstaatsangehörigen oder mitbetroffener Angehöriger zu erblicken (vor allem iSd Art 7 und 24 GRC). III. Art 25 Abs 1 SDÜ ist nicht nur auf Erstanträge auf einen Aufenthaltstitel, sondern auch auf Verlängerungsanträge anwendbar. IV. Will der Mitgliedstaat, bei dem ein Aufenthaltstitel beantragt wird, diesen trotz einer vorliegenden Ausschreibung zur Einreiseverweigerung aus "gewichtigen Gründen" erteilen, so hat er den ausschreibenden Staat zu konsultieren und dessen Interessen zu berücksichtigen. V. Der ausschreibende Staat ist gemäß dem Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit (Art 4 Abs 3 EUV) zu einer Stellungnahme im Rahmen der Konsultation innerhalb einer angemessenen Frist verpflichtet. Deren Länge bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. VI. Die VO (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) ist auf Verlängerungsanträge von sich bereits im Hoheitsgebiet eines Mitgliedsstaat befindlichen Drittstaatsangehörigen nicht anwendbar. VII. Eine mitgliedstaatliche Regelung, nach der Aufenthaltstitel an Drittstaatsangehörige erteilt werden können, die im SIS zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sind und deren Identität nicht festgestellt werden konnte, ist mit Art 25 Abs 1 SDÜ vereinbar, solange sich die Erteilung auf "gewichtige Gründe" (siehe oben II) beschränkt und die gebotene Konsultation mit dem ausschreibenden Staat (siehe oben IV und V) eingehalten wird.
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Entscheidungsdatum: 04.03.2021
Aufbereitet am: 16.04.2021
2263
Vertrauensunwürdigkeit und Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung
Leitsätze
I. Bei der Prüfung, ob eine Fluchtgefahr, welche die Verhängung einer Schubhaft zu rechtfertigen vermag, vorliegt, sind bspw die finanzielle Situation und das Gesamtverhalten der betroffenen Person zu berücksichtigen. Die Anordnung eines gelinderen Mittels ist etwa aufgrund einer Mittellosigkeit sowie eines vertrauensunwürdigen Gesamtverhaltens der betroffenen Person in der Vergangenheit nicht ausreichend, da ein erhöhtes Risiko des Untertauchens sowie ein erhöhter Sicherungsbedarf als gegeben erachtet werden kann. II. Eine Vertrauensunwürdigkeit der betroffenen Person liegt zB vor, wenn die österreichische Rechtsordnung missachtet wird und ein unkooperatives Verhalten den österreichischen Behörden gegenüber besteht. III. Das Kriterium der Verhältnismäßigkeit einer Schubhaft ist erfüllt, wenn sich die betroffene Person während der Schubhaft unmäßig und aggressiv verhält (zB aufgrund massiver Beschädigungen in der Zelle) sowie in der Vergangenheit keine Kooperationsbereitschaft mit den österreichischen Behörden zeigte.
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Entscheidungsdatum: 05.11.2020
Aufbereitet am: 15.04.2021
2262
Wiederaufnahme wegen "Erschleichens" der Asylzuerkennung durch eine Scheinkonversion
Leitsätze
I. Hinsichtlich des Wiederaufnahmetatbestands des § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG (Erschleichen eines verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses) ist die zu § 69 Abs 1 Z 1 AVG ergangene Rsp übertragbar. II. Ein "Erschleichen" nach dieser Bestimmung ist gegeben, wenn eine Partei objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese Angaben dann dem Erkenntnis zugrunde gelegt worden sind. III. Auch im von der Wiederaufnahme betroffenen Verfahren schon bekannte Tatsachen und Beweismittel können zur Erhärtung des Bestehens des Wiederaufnahmegrundes nach § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG dienen (etwa eine damals benutzte, gefälschte Geburtsurkunde). IV. Der Tatbestand des § 32 Abs 1 Z 1 VwGVG hat absoluten Charakter, es kommt sohin nicht auf die Auswirkungen des verpönten Vorgehens auf die von der Wiederaufnahme betroffene Entscheidung an. V. Die Wiederaufnahme bewirkt das Außerkrafttreten der betroffenen Entscheidung ex tunc.
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Entscheidungsdatum: 01.12.2020
Aufbereitet am: 14.04.2021
2261
Wohnsitzauflage und Interessenabwägung
Leitsätze
I. Werden von der betroffenen Person keine Schritte zur Effektuierung der Ausreiseverpflichtung gesetzt, sondern zum Ausdruck gebracht, dass der Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachgekommen werde, so kann iSd § 57 Abs 2 FPG angenommen werden, dass die betroffene Person weiterhin ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht nachkommen wird. II. Liegt eine Ausreiseverpflichtung vor und kommt es zum ungenützten Verstreichenlassen der Frist für die freiwillige Ausreise, so hat sich die betroffene Person bewusst zu sein, dass sie den aktuellen Lebensmittelpunkt im Bundesgebiet nicht aufrechterhalten können wird. III. Bei der Erlassung einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG hat eine ausreichende Interessenabwägung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen, da eine Wohnsitzauflage stets abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen hat. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass ein beharrlicher unrechtmäßiger Verbleib im Bundesgebiet eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zukommt.
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Entscheidungsdatum: 09.09.2020
Aufbereitet am: 13.04.2021
2260
Keine generelle Verfolgungsgefahr für Angehörige nicht arabischer Ethnien im Sudan
Leitsätze
I. Wenn ein Beschwerdeführer noch nicht abgeschoben worden ist, muss das Vorliegen stichhaltiger Gründe für das Bestehen eines realen Risikos einer Misshandlung im Fall seiner Rückkehr im Hinblick auf den Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR geprüft werden. II. Eine allgemeine Situation der Gewalt kann dazu führen, dass jede Abschiebung in ein Land gegen Art 3 EMRK verstößt. Dies ist jedoch nur in Ausnahmefällen anzunehmen. Im Sudan herrscht derzeit kein Zustand allgemeiner Gewalt, der Ausweisungen generell entgegenstehen würde. IV. Angehörige nicht arabischer Ethnien sind im Sudan zwar mit Problemen konfrontiert, werden jedoch nicht systematisch diskriminiert oder verfolgt. Für sie besteht daher keine generelle Verfolgungsgefahr im Fall ihrer Rückkehr in den Sudan. Dies gilt zumindest für die Region um Khartum. V. Wenn die innerstaatlichen Asylbehörden eine gründliche Untersuchung einer behaupteten Verfolgungsgefahr unter mehrfacher Befragung des Antragstellers, Heranziehung eines Sprachgutachters und ausführlicher Länderdokumentation vorgenommen haben, ist es grundsätzlich nicht Sache des EGMR, deren Einschätzung der Glaubwürdigkeit des Antragstellers durch seine eigene zu ersetzen.
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Entscheidungsdatum: 02.06.2020
Aufbereitet am: 12.04.2021
2259
Umfassende Kindeswohlprüfung vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung; Aufnahmemöglichkeit im Rückkehrstaat zu prüfen
Leitsätze
I. Da die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) keine eigene Legaldefintion von Minderjährigkeit enthält, ist aus Kohärenzgründen jene des Art 2 lit d RL 2013/33/EU heranzuziehen. Minderjährige iSd RL 2008/115/EG (RückführungsRL) sind sohin Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. II. Obwohl der Wortlaut des Art 10 Abs 2 RL 2008/115/EG dies nur vor Abschiebemaßnahmen verlangt, gebietet das Postulat der umfassenden Berücksichtigung des Kindeswohls in allen Verfahrensstadien (Art 6 Abs 1 iVm Art 5 lit a RL 2008/115/EG iVm Art 24 Abs 2 GRC), dass die Mitgliedstaaten bereits vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung prüfen, ob dem betroffenen Minderjährigen im Rückkehrstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit zur Verfügung steht. III. Die abstrakte Schranke eines Alters innerhalb der Minderjährigkeit kann nicht das einzige Kriterium sein, das bei der Prüfung zu berücksichtigen ist, ob im Rückführungsstaat eine geeignete Aufnahmemöglichkeit vorhanden ist. Vielmehr ist eine umfassende Prüfung des Einzelfalls vorzunehmen. IV. Ein Mitgliedstaat darf auf der Grundlage der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) gegenüber einem unbegleiteten Minderjährigen keine Rückkehrentscheidung erlassen, ohne ihn, bis er das Alter von 18 Jahren erreicht, anschließend abzuschieben. Selbstverständlich hat er bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung die Punkte II und III zu beachten.
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Entscheidungsdatum: 14.01.2021
Aufbereitet am: 09.04.2021
2258
Keine zweite Interessenabwägung bei Rückstufung nach § 28 Abs 1 NAG geboten
Leitsätze
I. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auch vor, wenn wegen der dem Revisionswerber angelasteten Tathandlung (versuchter Mord gemäß §§ 15 Abs 1, 75 StGB) eine von einem Gericht veranlasste Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ausgesprochen wird, weil die Tat unter Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes begangen wurde, der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht (§ 53 Abs 6 FPG). Ein Verschulden an der von ihm ausgehenden Gefährdung muss ihm - in Einklang mit Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL - nicht angelastet werden. II. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsmerkmale des Art 6 Abs 1 und des Art 9 Abs 3 der DaueraufenthaltsRL ist nicht ersichtlich, dass im Fall des Entzuges der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten in analoger Anwendung des Art 6 Abs 1 der RL neuerlich - nämlich nach einer solchen gemäß Art 12 der RL - eine Interessenabwägung durchzuführen wäre. Auch in den Erwägungsgründen der DaueraufenthaltsRL finden sich diesbezüglich keine Hinweise. III. Art 9 der DaueraufenthaltsRL wurde mit § 28 Abs 1 NAG umgesetzt. Auch aus der nationalen Rechtslage ergeben sich keine Hinweise dafür, dass zusätzlich zur Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG eine Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Umwandlung des unbefristeten in ein befristetes Aufenthaltsrecht mit den privaten Interessen an einer Aufrechterhaltung des unbefristeten Aufenthaltsrechtes zu erfolgen hätte. IV. Soweit in der Revision verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf das in der UN-Behindertenkonvention verankerte Diskriminierungsverbot vorgebracht werden, kann auf den Beschluss des VfGH vom 27.11.2019, E 4015/2019, verwiesen werden, mit welchem die Behandlung der Beschwerde mangels Erforderlichkeit spezifischer verfassungsrechtlicher Überlegungen abgelehnt wurde.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 08.04.2021
2257
Gültigkeitsbeginn von Aufenthaltstiteln und Absehen von Deutschkenntnissen
Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH erfolgt die konstitutive Erteilung eines Aufenthaltstitels durch ein LVwG mit Erlassung des Erkenntnisses. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels beginnt daher ab diesem Datum. II. In Ermangelung eines rechtzeitig gestellten Antrages gemäß § 21a Abs 5 NAG ist keine Interessenabwägung vorzunehmen. III. Eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt worden ist, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs 1 und 3 NAG, allerdings ist, wenn der Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten hat, der Versagungsgrund nach § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklicht.
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Entscheidungsdatum: 14.10.2020
Aufbereitet am: 07.04.2021
2256
Ausweisung aufgrund von geheimen Informationen über angebliche Beteiligung an terroristischen Straftaten
Leitsätze
I. Die Garantien des Art 1 7. ZPEMRK sind nur auf Fremde anwendbar, "die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhalten", der dieses Protokoll ratifiziert hat. Auf Fremde, die sich mit einem Studierendenvisum im Staatsgebiet aufhalten, trifft dies zu. II. Eine Ausweisung darf gemäß Art 1 7. ZPEMRK nur aufgrund einer rechtmäßig ergangenen Entscheidung erfolgen. Die "Rechtmäßigkeit" bezieht sich auch auf die Qualität des Rechts: Dieses muss zugänglich und vorhersehbar sein und Schutz gegen willkürliche Eingriffe durch die Behörden gewähren. III. Nach den verfahrensrechtlichen Anforderungen des Art 1 7.ZPEMRK müssen Fremde in der Lage sein, die gegen ihre Ausweisung sprechenden Gründe vorzubringen, ihren Fall prüfen zu lassen und sich dabei vor der Behörde vertreten zu lassen. IV. Art 1 7.ZPEMRK verlangt grundsätzlich, dass die betroffenen Fremden über die relevanten Sachverhaltselemente unterrichtet werden, auf die sich die Ausweisung stützt. Den Betroffenen muss Zugang zum Inhalt der Dokumente und Informationen im Akt gewährt werden, auf die sich die Behörden bei der Entscheidung über ihre Ausweisung gestützt haben. V. Dies gilt auch dann, wenn die Ausweisung aus Gründen der nationalen Sicherheit erfolgt. Allerdings sind die durch Art 1 7. ZPEMRK gewährten Rechte nicht absolut. Einschränkungen der Akteneinsicht und des Zugangs zu den der Entscheidung zugrunde liegenden Dokumenten können gerechtfertigt sein, wenn sie zur Terrorismusabwehr notwendig sind und nicht den Wesenskern der Verfahrensgarantien des Art 1 7.ZPEMRK beeinträchtigen. Dem Fremden muss jedenfalls eine wirksame Gelegenheit eingeräumt werden, Gründe gegen seine Ausweisung vorzubringen, und er muss vor jeder Willkür geschützt werden. Die sich für den Fremden aus gegebenenfalls notwendigen Einschränkungen der Verfahrensrechte ergebenden Schwierigkeiten sind durch ausgleichende Faktoren ausreichend zu kompensieren.
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Entscheidungsdatum: 15.10.2020
Aufbereitet am: 06.04.2021
2255
Unionsbürgerschaft: Kooperationspflichten der Mitgliedstaaten in Auslieferungssachen
Leitsätze
I. Ein Freizügigkeitssachverhalt, der am Maßstab der Art 18 und 20 ff AEUV zu messen ist, liegt auch dann vor, wenn der Betroffene erst, nachdem er sich bereits im Aufnahmemitgliedstaat rechtmäßig niedergelassen hat, zum Unionsbürger wurde (also zum Zeitpunkt des Zuzuges noch Drittstaatsangehöriger war). Ein solcher Sachverhalt ist in Auslieferungssachen auch dann am einschlägigen Unionsrecht zu messen, wenn der Auszuliefernde neben seiner mitgliedstaatlichen Staatsangehörigkeit auch die Staatsangehörigkeit des ersuchenden Drittstaats besitzt. II. Wird ein Auslieferungsersuchen von einem Drittstaat an einen Mitgliedstaat gerichtet, so muss dieser zuerst die Konsultation mit dem Herkunftsmitgliedstaat des Betroffenen suchen: So ist diesem Mitgliedstaat Mitteilung über das Auslieferungsersuchen zu erstatten, sodass er zuerst eine eigene Strafverfolgung prüfen kann und zu diesem Behufe einen Europäischen Haftbefehl iSd Rahmenbeschlusses 2002/584/JI ausstellen kann. Reagiert der Herkunftsmitgliedstaat nicht auf diese Weise, so kann der ersuchte Mitgliedstaat dem Auslieferungsersuchen – unter Beachtung aller grundrechtlichen Vorgaben (vor allem Art 19 Abs 2 GRC) – entsprechen. III. Im Lichte des Grundsatzes der loyalen Zusammenarbeit (Art 4 Abs 3 EUV) ist der um Auslieferung ersuchte Mitgliedstaat bei der Vorgangsweise iSv Punkt II dazu verpflichtet, dem Herkunftsmitgliedstaat alle dem Auslieferungsersuchen zugrunde liegenden rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte mitzuteilen. Dem Herkunftsmitgliedstaat ist eine angemessene Frist zur Ausstellung eines Europäischen Haftbefehls zu gewähren (Determinanten bei der Bestimmung der Frist: Komplexität der Rechtssache oder erhöhte Dringlichkeit zufolge einer Auslieferungshaft). IV. Weder der ersuchte Mitgliedstaat noch der Herkunftsmitgliedstaat sind dazu verpflichtet, den um Auslieferung ersuchenden Drittstaat um die Übermittlung des Strafakts zu ersuchen. V. Die Art 18 und 21 AEUV sind dahin auszulegen, dass der von einem Drittstaat um die Auslieferung zum Zwecke der Strafverfolgung eines Unionsbürgers, der die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedstaats besitzt, ersuchte Mitgliedstaat nicht verpflichtet ist, die Auslieferung abzulehnen und die Strafverfolgung selbst zu übernehmen, wenn ihm dies nach seinem nationalen Recht möglich wäre.
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Entscheidungsdatum: 17.12.2020
Aufbereitet am: 02.04.2021
2254
Rechtmäßigkeit der Festnahme, Anhaltung und Abschiebung nach Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten
Leitsätze
I. Die Abschiebung liegt im behördlichen Ermessen, wobei es bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung ankommt, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen. Wird einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und zeigt die betroffene Person keine Bereitschaft zur Ausreise, so ist zu befürchten, dass auch künftig einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wird, weswegen die Voraussetzungen für die Abschiebung vorliegen. II. Bei einem entsprechenden Verhalten der betroffenen Person (insb bei Vorliegen von strafgerichtlichen Verurteilungen) kann zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abschiebung die Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft notwendig sein. III. Nach der Judikatur des VwGH ist bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung auf den Zeitpunkt des Vollzugs der Abschiebung abzustellen. IV. Wird das BVwG nach § 22a Abs 1 BFA-VG aufgrund einer behaupteten Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheids, der Festnahme oder der Anhaltung angerufen, so ist in diesem Verfahren die Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung keiner Prüfung zu unterziehen. Beachtlich ist hingegen, ob bei Setzen dieser Maßnahmen realistischerweise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung gerechnet werden konnte.
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Entscheidungsdatum: 06.07.2020
Aufbereitet am: 01.04.2021