Leitsätze
2726
Beharren auf zivilrechtlichen Ansprüchen als asylrelevante "politische Überzeugung"?
Leitsätze
I. Der Begriff der "politischen Überzeugung" (im Alternativtatbestand des Art 10 Abs 1 lit e RL 2011/95/EU anerkannter Verfolgungsgrund) ist im Lichte der Meinungsfreiheit (Art 11 GRC) weit auszulegen. II. Erfasst sind iSd Rechtsanschauung des UNHCR alle Meinungen zu jeder Angelegenheit, auf die der Staatsapparat, die Regierung, die Gesellschaft oder die Politik Einfluss nehmen können. III. Auch bei befürchteten Repressalien infolge des Versuchs der Durchsetzung zivilrechtlicher Ansprüche (wie jeder Rechtsdurchsetzung) gegen wen auch immer, die von den verfolgenden Akteuren als Widerstand aufgefasst wird, liegt eine Verfolgung wegen einer "politischen Überzeugung" vor. IV. Bei der Frage, ob eine politische Überzeugung vorliegt, die die Akteure, von denen die Verfolgung ausgehen kann, dem Antragsteller zuschreiben können, ist auch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat zu berücksichtigen und oft nur eine Plausibilitätsprüfung durchführbar.
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Entscheidungsdatum: 12.01.2023
Aufbereitet am: 28.04.2023
2725
"Zu frühe" Ausreise aus der Ukraine?
Leitsätze
I. Nach dem Wortlaut des § 1 Z 1 Vertriebenen-VO haben nur diejenigen Staatsangehörigen der Ukraine ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet, die das Land am 24.2.2022 oder danach verlassen haben und die nicht schon zuvor einen Aufenthaltstitel nach österreichischem Recht hatten (§ 3 der VO). Dies schließt jene ukrainischen Staatsangehörigen aus, die ihr Herkunftsland auch nur einen Tag vor dem russischen Überfall verließen, wenn auch aufgrund des bevorstehenden bewaffneten Konflikts. II. Zur genannten, über den Einzelfall hinaus bedeutsamen, Rechtsfrage fehlt höchstgerichtliche Rechtsprechung, daher ist sie revisibel (Art 133 Abs 4 B-VG).
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Entscheidungsdatum: 02.12.2022
Aufbereitet am: 27.04.2023
2724
Ist unmündigen Minderjährigen mit einem überwiegend schützenswerten Privat- oder Familienleben stets eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen?
Leitsätze
I. Die Verweisung auf § 9 IntG in § 55 Abs 1 Z 2 AsylG ist umfassend zu verstehen und inkludiert auch § 9 Abs 5 Z 1 IntG, wonach unmündige Minderjährige von der Verpflichtung zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung ausgenommen sind. Ein solch weites Verständnis hat zur Folge, dass unmündigen Minderjährigen, die die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG beantragen und ein gegenüber dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens überwiegendes Privat- oder Familienleben haben, stets eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen ist (wegen Erfüllung auch des § 55 Abs 1 Z 2 AsylG trotz Nichterfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung). II. Die Entscheidungspraxis des BVwG hinsichtlich der Reichweite der Verweisung auf § 9 IntG in § 55 Abs 1 Z 2 AsylG (I.) ist heterogen, zudem fehlt es an höchstgerichtlicher Judikatur. Daher liegt eine iSd Art 133 Abs 4 B-VG revisible Rechtsfrage vor.
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Entscheidungsdatum: 01.09.2022
Aufbereitet am: 26.04.2023
2723
Rechtfertigung eines mehrjährigen Einreiseverbotes anhand des bisherigen Fehlverhaltens und Persönlichkeitsbildes des Beschwerdeführers
Leitsätze
Soweit die Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes nach § 53 Abs 3 Z 1 FPG eindeutig gegeben sind, würde eine auf Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung eines Einreiseverbots offensichtlich nicht iSd Gesetzes liegen.
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Entscheidungsdatum: 24.10.2022
Aufbereitet am: 25.04.2023
2722
Erforderliche Prüfung ergänzender Elemente im Folgeantragsverfahren bei potenziellen Auswirkungen auf den entscheidungsrelevanten Sachverhalt
Leitsätze
I. Bei wiederholten Anträgen auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhalts die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen bzw verpflichten, der rechtlich Relevanz zukäme. Eine andere rechtliche Beurteilung darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. II. Eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache ist nur dann statthaft, wenn bei der Prüfung hervorkommt, dass entgegen den Behauptungen des Antragstellers solche neuen Erkenntnisse bzw Elemente nicht vorliegen oder erst gar nicht vorgebracht wurden. Die gilt auch dann, wenn zwar neue Erkenntnisse bzw Elemente vorliegen, diese aber lediglich Umstände betreffen, die von vornherein zu keiner anderen Entscheidung in Bezug auf die Zuerkennung eines Schutzstatus führen können.
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Entscheidungsdatum: 22.12.2022
Aufbereitet am: 24.04.2023
2721
Aufenthaltsehe: Keine "Titelerschleichung" bei altbekannten Umständen
Leitsätze
Wenn die Umstände, auf die sich die Behörde bei der Wiederaufnahme gestützt hat, dieser bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Titelerteilung des wiederaufgenommenen Verfahrens bekannt waren, kann nicht davon gesprochen werden, dass ein Fremder die positive Erledigung eines Verlängerungsantrags erschlichen hat. Daran ändert auch nichts, dass nach der Rückmeldung des BFA, wonach eine Aufenthaltsehe nicht nachweisbar gewesen ist und keine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen wird, dem Fremden in Entsprechung der Vorgabe des § 25 Abs 2 letzter Satz NAG ein Aufenthaltstitel erteilt wurde.
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Entscheidungsdatum: 10.11.2022
Aufbereitet am: 21.04.2023
2720
§ 120 Abs 1b FPG - Fehlen von Reisedokumenten als Grund für die Unterlassung der Ausreise
Leitsätze
Nach § 46a Abs 1 Z 3 FPG 2005 ist der Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet zu dulden, solange deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenden Gründen unmöglich erscheint. Die Strafbarkeit nach der genannten Bestimmung setzt somit voraus, dass der Ausreisepflicht aus vom Fremden zu vertretenden Gründen nicht nachgekommen wurde.
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Entscheidungsdatum: 20.10.2022
Aufbereitet am: 20.04.2023
2719
Besondere Vulnerabilität unmündiger Minderjähriger bei der Prüfung einer möglichen Verletzung der Rechte des Art 3 EMRK
Leitsätze
I. Bei der Beurteilung, ob der betroffenen Person bei einer Rückkehr in ihren Heimatstaat eine Verletzung der durch Art 2 und 3 EMRK geschützten Rechte droht, ist im Speziellen das etwaige Vorliegen einer besonderen Vulnerabilität, wie dies bspw bei Minderjährigen der Fall ist, zu berücksichtigen. II. Spielt in einem Verwaltungsverfahren auch das Kindeswohl eine Rolle, so sind die Maßstäbe des § 138 ABGB als Orientierung heranzuziehen. III. Müsste ein minderjähriger Fremder aufgrund unterschiedlicher Staatsbürgerschaften ohne seine Mutter in jenes Land, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt, zurückkehren und muss er dort mit unzureichender Nahrung und Unterkunft sowie fehlender Unterstützung durch den Familienverband rechnen, so stellt dies eine Form unmenschlicher Behandlung iSd Art 3 EMRK dar, die sich aus den exzeptionellen Umständen eines minderjährigen Kindes ohne ausreichenden familiären Rückhalt ergibt. IV. Die Beurteilung eines drohenden Verstoßes gegen Art 2 oder 3 EMRK bedarf einer Einzelfallprüfung in Bezug auf die in concreto betroffene Person sowie einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemein vorliegenden Menschenrechtslage zu beziehen hat. So hat bei mehreren, demselben Familienverband angehörigen Asylwerbern, eine gesonderte Prüfung jedes einzelnen Antrags (auf internationalen Schutz) unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Verhältnisse der fremden Person zu erfolgen.
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Entscheidungsdatum: 29.11.2022
Aufbereitet am: 19.04.2023
2718
Grobe Ermittlungsmängel bei Feststellungen zur Familienangehörigeneigenschaft bzw zum Familienleben nach Art 8 EMRK
Leitsätze
I. Gerade, wenn eine behauptete Familienangehörigenschaft bzw das Bestehen eines aufrechten Familienlebens (Art 8 EMRK) durch eine Behörde bestritten wird, muss die zugrunde liegende Feststellung auf hinreichenden Ermittlungen beruhen. II. An solcherart hinreichenden Ermittlungen mangelt es, wenn eine Urkunde, auf der die Feststellung gründet, als verfälscht qualifiziert wird, diese Urkunde aber weder näher untersucht wird noch aus dem Akt die Umstände ihres Hervorkommens im Verfahren hervorgehen. Anderenfalls sollte den betroffenen Parteien wenigstens Parteiengehör gewährt werden (persönliche Anhörung, Aufforderung zur Vorlage weiterer Urkunden). III. Ermittlungsmängel wie die geschilderten (II.) sind als derart krass einzustufen, dass damit behaftete Bescheide auf der Grundlage von § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG aufgehoben und die Rechtssachen an die Behörden zurückverwiesen werden können.
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Entscheidungsdatum: 02.05.2022
Aufbereitet am: 18.04.2023
2717
Änderung der maßgeblichen Sachlage aufgrund der Eheschließung mit einem Österreicher
Leitsätze
I. Ist die fremde Person mit einem österreichischen Staatsbürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in einem Staat, der Vertragspartei des EWR-Abkommens ist, ausübt, verheiratet und zieht sie ihm dorthin nach, so ist sie als begünstigte Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG zu qualifizieren. II. Hat ein österreichischer Staatsangehöriger von seinem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch gemacht, so genießen dessen Angehörige gemäß § 54 und § 57 NAG ein Aufenthaltsrecht in Österreich. Hat der Österreicher hingegen keinen Freizügigkeitssachverhalt verwirklicht, erhält sein drittstaatszugehöriger Familienangehöriger folglich einen Aufenthaltstitel unter den (allgemeinen) Voraussetzungen des § 47 Abs 2 NAG. III. Bei einem begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG kommt weder die amtswegige Prüfung der Erteilung von Aufenthaltstiteln nach § 55 und § 57 AsylG noch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 03.08.2022
Aufbereitet am: 17.04.2023
2716
Gefahr der Verfolgung eines in der Schweiz zum Christentum konvertierten Muslims im Fall seiner Abschiebung nach Pakistan
Leitsätze
I. Angesichts des absoluten Charakters des von Art 3 EMRK garantierten Rechts und mit Blick auf die Situation der Verwundbarkeit, in der sich Asylwerber oftmals befinden, sind die Behörden verpflichtet, das mit einer Abschiebung einhergehende Risiko einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung von Amts wegen zu beurteilen. II. Ein im Asylverfahren vorgebrachter Glaubenswechsel muss von den Behörden berücksichtigt werden. Wenn sie ihn als ausreichend aufrichtig, schlüssig und ernsthaft ansehen, müssen sie beurteilen, welches Risiko im Fall einer Abschiebung aufgrund der Konvertierung besteht. III. In Pakistan besteht für Personen, die vom Islam zu einer anderen Religion konvertiert sind, ein "doppeltes" Risiko insofern, als sie nun einerseits einer religiösen Minderheit angehören und man ihnen andererseits vorwerfen kann, der islamischen Religion abgeschworen zu haben. Aufgrund der internationalen Berichte über schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen an konvertierten Rückkehrern müssen die Behörden vor dem Hintergrund dieser allgemeinen Situation genau beurteilen, ob aufgrund der konkreten Umstände im Einzelfall die Gefahr einer gegen Art 2 oder Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung besteht.
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Entscheidungsdatum: 26.04.2022
Aufbereitet am: 14.04.2023
2715
Kein Familienleben iSd Art 8 EMRK trotz aufrechter Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen
Leitsätze
I. Bei der Prüfung des Schutzguts "Familienleben" gemäß Art 8 EMRK ist nicht auf rechtliche Formalitäten, wie etwa das rechtliche Bestehen einer Ehe, abzustellen, sondern vielmehr auf das faktische Vorhandensein von familiären Bindungen. So ist bspw der Schutzbereich des Art 8 EMRK nicht eröffnet, wenn zwar eine rechtlich gültige Ehe, jedoch faktisch kein Familienleben vorliegt. II. Verfügt eine fremde Person über keine polizeiliche Meldung, taucht sie unter und bricht trotz eines anhängigen Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG den Kontakt zu ihrem rechtlichen Vertreter ab, so deutet dies stark auf mangelnde Integrationsbemühungen der fremden Person hin. III. Im Hinblick auf das Privatleben iSd Art 8 EMRK kommt dem Grad der Integration im Aufenthaltsstaat eine wichtige Bedeutung zu. Für eine nachhaltige Integration ist eine polizeiliche Meldung nicht nur zu erwarten, sondern verdeutlicht ein Erfüllen dieser Pflicht geradezu den Willen, sich nachhaltig im Bundegebiet zu integrieren.
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Entscheidungsdatum: 31.10.2022
Aufbereitet am: 13.04.2023
2714
Unabdingliche Mitwirkung bei der Psychotherapie eines Familienmitglieds begründet die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" und damit die Duldung im Bundesgebiet
Leitsätze
I. Der Begriff des Familienlebens nach Art 8 EMRK umfasst neben der Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern auch Beziehungen zwischen Geschwistern sowie zwischen Eltern und erwachsenen Kindern, vorausgesetzt es besteht eine gewisse Beziehungsintensität (zB durch das Bestehen eines gemeinsamen Haushalts). II. Die Unabdinglichkeit einer Person für die therapeutische Behandlung und Begleitung eines Familienmitglieds erfüllt die Abhängigkeitsvoraussetzung für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz". III. Die Erklärung der vorübergehenden Unzulässigkeit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und damit die Duldung einer Person im Bundesgebiet kann mit dem Abschluss der Psychotherapie des Familienmitglieds bedungen werden.
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Entscheidungsdatum: 16.11.2022
Aufbereitet am: 12.04.2023
2713
Integrationsvereinbarung: Nachweispflicht gilt auch bei bestelltem Erwachsenenvertreter
Leitsätze
I. Eine Partei kann sich zwar auf ein in einem anderen Verfahren erstattetes Sachverständigengutachten berufen. Sie wird dabei jedoch im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht - sofern dem nicht unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen - das Gutachten in Abschrift, Kopie etc vorzulegen haben. II. Nach der ausdrücklichen Anordnung in § 10 Abs 3 Z 2 IntG, wonach der Drittstaatsangehörige die Unzumutbarkeit der Erfüllung des Moduls 2 durch ein amtsärztliches Gutachten "nachzuweisen" hat, und den diesbezüglichen Gesetzesmaterialien (vgl EBRV 1586 BlgNR 25. GP 7), wonach das Gutachten (durch den Drittstaatsangehörigen) "der Behörde vorzulegen" ist, ist davon auszugehen, dass das amtsärztliche Gutachten vom Fremden selbst einzuholen und vorzulegen ist. III. Auch wenn den Fremden betreffende amtsärztliche Gutachten in anderen Verfahren (hier: bezüglich Mindestsicherung) vorliegen, legt dies nicht nahe, dass damit auch ein dem § 10 Abs 3 Z 2 IntG entsprechendes amtsärztliches Gutachten, wonach dem Fremden aufgrund seines schlechten Gesundheitszustands die Erfüllung des Moduls 2 nicht zugemutet werden könne, vorhanden wäre.
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Entscheidungsdatum: 09.11.2022
Aufbereitet am: 11.04.2023
2712
Auslösung der Rechtsmittelfrist bei zulässiger Zustellung durch Hinterlegung nach § 8 Abs 2 ZustellG
Leitsätze
Im Falle einer zulässigen Zustellung durch Hinterlegung eines Bescheides nach § 8 Abs 2 ZustellG ohne vorausgehenden Zustellversuch beginnt der Lauf der Beschwerdefrist mit ebendieser. Eine nachträgliche Übermittlung desselben Bescheides dient lediglich der Kenntnisnahme und begründet keinen neuen Fristenlauf.
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Entscheidungsdatum: 23.11.2022
Aufbereitet am: 07.04.2023
2711
Rechtswidrigkeit der Hinterlegung einer Entscheidung ohne Zustellversuch bei grundsätzlicher Möglichkeit zur Feststellung des Aufenthaltsortes
Leitsätze
Der Hinterlegung einer Entscheidung kommt die Wirkung einer rechtmäßigen Zustellung nur dann zu, wenn der Behörde keine andere Abgabestelle bekannt ist und sie vor Anordnung dieser besonderen Zustellung eine geänderte oder andere Abgabestelle der Partei nicht ohne Schwierigkeiten feststellen kann.
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Entscheidungsdatum: 23.11.2022
Aufbereitet am: 06.04.2023
2710
Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw Verwaltungsgerichte für Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft maßgeblich
Leitsätze
Gemäß ständiger Rsp kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Daher ist es für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Fremde bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde bzw ist zum anderen auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde bzw der Verwaltungsgerichte weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste.
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Entscheidungsdatum: 21.07.2022
Aufbereitet am: 05.04.2023
2709
Annahme asylrelevanter Verfolgung bei erhöhtem Rekrutierungsdruck und maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Einziehung zum Militärdienst im Herkunftsstaat
Leitsätze
I. Die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung kann asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den daraufhin verhängten Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. II. Auch eine "bloße" Gefängnisstrafe kann unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen eine asylrelevante Verfolgung sein.
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Entscheidungsdatum: 22.07.2022
Aufbereitet am: 04.04.2023
2708
Behauptete Konversion zum Christentum aus asyltaktischen Gründen?
Leitsätze
I. Wird von einer erwachsenen Person die Religion gewechselt, so kann davon ausgegangen werden, dass sich diese mit der bisherigen und der neuen Glaubensrichtung eingehend auseinandersetzt. Beschränkt sich etwa eine Aufzählung von Unterschieden zwischen dem Islam und dem Christentum bloß auf Stereotype, so wird damit eine Auseinandersetzung mit Glaubensinhalten und eine ernsthafte und innere Glaubensüberzeugung nicht dargelegt. II. Ist in Bezug auf einen behaupteten Glaubenswechsel die Erzählweise hierzu knapp, wenig lebendig in der Ausdrucksweise und erschöpft sich diese in Stehsätzen, so erscheint ein emotionaler Bezug jedenfalls fragwürdig. Damit kann eine bewusste Hinwendung zu einer neuen Religion nicht schlüssig belegt werden. III. Erfolgt die Kontaktaufnahme mit der Pfarre erst nach einer negativen Asylentscheidung durch das BFA, so kann daraus uU abgeleitet werden, dass eine behauptete Konversion zum Christentum nur aus asyltaktischen Gründen vorgebracht wird.
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Entscheidungsdatum: 28.11.2022
Aufbereitet am: 03.04.2023
2707
Überschießende Spracherfordernisse für "Assoziationstürken" im Kontext der Familienzusammenführung als unionsrechtswidrige neue Beschränkung
Leitsätze
I. Grundsätzlich sind neue Beschränkungen für türkische Arbeitnehmer im nationalen Recht der EU-Mitgliedstaaten im Vergleich zur Rechtslage zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des ARB (Beschluss 1/80 Assoziationsrat EWG - Türkei) nach dessen Art 13 verboten. Sie können aber nach Maßgabe des Art 14 ARB aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sein. Darüber hinaus sind (ungeschriebene) zwingende Gründe des Allgemeininteresses anerkannt. Neue Beschränkungen müssen darüber hinaus mit Blick auf das verfolgte Ziel geeignet und erforderlich sein (Verhältnismäßigkeit). II. Eine Regelung im Recht eines EU-Mitgliedstaats, die für türkische Staatsangehörige bei Inanspruchnahme der Familienzusammenführung eine neue Hürde aufstellt, ist als neue Beschränkung iSd Art 13 ARB zu qualifizieren. III. Die erfolgreiche Integration der zuzugswilligen Familienangehörigen türkischer Arbeitnehmer ist ein anerkannter zwingender Grund des Allgemeininteresses. IV. Eine nationale Regelung, die für die Familienzusammenführung als neue Beschränkung fordert, dass der Zusammenführende eine Sprachprüfung eines bestimmten Niveaus vorlegt, dessen sonstige Integrationsfortschritte aber nicht berücksichtigt und auch die Integrationsfähigkeitsmerkmale der zuzugswilligen Familienangehörigen außer Acht lässt, wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gerecht, weil sie über das für die Sicherstellung der Integration Erforderliche hinausgeht.
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Entscheidungsdatum: 22.12.2022
Aufbereitet am: 31.03.2023