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331
Zu den Voraussetzungen der (Nicht-)Aufhebung bzw (Nicht-)Verkürzung eines Einreiseverbots
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Kann die fremde Person ihrer Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig nachkommen, da sie sich etwa in Straf- oder Schubhaft befindet, so hat die Person selbst diesen Umstand verschuldet. Folglich kann die Voraussetzung der "Freiwilligkeit" im Falle einer beantragten Verkürzung eines Einreiseverbots nach § 60 Abs 2 FPG von Vornherein nicht erfüllt werden, weshalb eine allfällige Verkürzung der Dauer des Einreiseverbots nicht möglich ist. II. Ist eine Verkürzung oder Aufhebung eines Einreiseverbots aufgrund des Nichtvorliegens der hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht möglich, so kann bei Vorliegen zwingender Gründe des Art 8 EMRK im Wege der Antragstellung nach § 55 AsylG die Gegenstandslosigkeit des Einreiseverbots für die fremde Person erwirkt werden. III. Für die Verkürzung eines Einreiseverbots ist der Zeitraum, der nach der Ausreise im Ausland verbracht wurde, maßgeblich. Die fremde Person muss nach der fristgerechten Ausreise einen Zeitraum von mehr als der Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbots im Ausland verbringen. Liegt diese Voraussetzung (neben jener der freiwilligen Ausreise) nicht vor, so erübrigt sich eine inhaltliche Prüfung, ob es zu einer Änderung jener Umstände gekommen ist, die für die Erlassung des seinerzeitigen Einreiseverbots maßgeblich waren.
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332
Auflagen nach § 56 FPG dürfen bloß während der Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt werden
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Für die Weitergeltung von Auflagen (§ 56 FPG) nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise wird einerseits vorausgesetzt, dass diese bereits während des Fristenlaufs gesetzt wurden. Andererseits muss zumindest ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem ungenützten Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise und der Festsetzung der Auflagen bestehen. Wird nach dem ungenützten Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise mit der Festsetzung von Auflagen gemäß § 56 FPG mehrere Monate zugewartet, so kommt weder eine Weitergeltung der Auflagen in Betracht noch ist der erforderliche zeitliche Konnex gegeben. II. Die Festsetzung von Auflagen iSd § 56 FPG darf nur erfolgen, wenn ein Interesse betreffend die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit besteht oder Auflagen zur Vermeidung von Fluchtgefahr geboten sind. Entspricht die Auflage keiner der angeführten Voraussetzungen, so ist diese als unverhältnismäßig zu qualifizieren. III. Da sich aus Art 7 Abs 3 RückführungsRL die Festlegung von Verpflichtungen bloß während der Dauer der freiwilligen Ausreisefrist und zur Vermeidung von Fluchtgefahr ergibt, kann aus ihrem Wortlaut nicht abgeleitet werden, dass die Mitgliedstaaten zur Festlegung solcher Verpflichtungen auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ermächtigt werden, zumal der Begriff "Fluchtgefahr" nicht mit jenem der "Gefahr für die öffentliche Ordnung" gleichzusetzen ist. Damit bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des § 56 FPG mit den in der RückführungsRL festgesetzten unionsrechtlichen Vorgaben.
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Unzuständigkeit der LPD für Visaanträge, die nicht eindeutig solchen gemäß § 5 Abs 1 Z 2 FPG entsprechen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die LPD, die für Anträge auf Verlängerung von Visa D idR unzuständig ist (§ 5 FPG), muss derartige Verlängerungsanträge nicht als Anträge auf Visa D aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen (§§ 20 Abs 1 Z 8, 22a FPG) deuten. Dies gilt gerade dann nicht, wenn der oder die Einschreiter*in sich nicht auf § 22a FPG beruft, entgegen dieser Bestimmung zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr im Bundesgebiet aufenthaltsberechtigt ist und obendrein anwaltlich vertreten ist, sodass die Manuduktionspflicht gemäß § 13a AVG nicht greift. Die LPD hat solche Anbringen sohin – nach einem fruchtlosen Vorgehen gemäß § 6 Abs 1 AVG, also wenn der oder die Einschreiter*in auf ihre Zuständigkeit beharrt – wegen Unzuständigkeit zurückzuweisen. II. § 11a Abs 2 FPG (Verbot der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG) gilt auch in Visaangelegenheiten vor der LPD und – entgegen der Normüberschrift – nicht nur jenen vor Vertretungsbehörden.
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334
Refoulementverbotswidrigkeit der Rückführung einer Mehrkindfamilie in den Irak
LEITSATZ DES GERICHTS: Auch wenn ein Familienvater vor der – sieben Jahre zurückliegenden – Ausreise alleine für die Mehrkindfamilie sorgen konnte, darf nicht davon ausgegangen werden, er könne dies auch nach Jahren des Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet. Wenn weitere Rückkehrprobleme für Familienmitglieder im Herkunftsstaat bis zum Grad der existenziellen Bedrohung hinzutreten und auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) vorliegt, ist allen Mitgliedern solcherart betroffener Familien subsidiärer Schutz iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen.
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Anhaltung einer Schwangeren und ihrer Kinder im Transitzentrum Tompa
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Zustände in der Transitzone Tompa an der Grenze zwischen Serbien und Ungarn sind für die längere Anhaltung besonders schutzbedürftiger Personen nicht angemessen. Daher begründet die viermonatige Anhaltung einer Schwangeren und ihrer kleinen Kinder eine Verletzung von Art 3 EMRK. II. Die Anhaltung eines gesunden erwachsenen Mannes in der Transitzone Tompa wirft hingegen keine Probleme im Hinblick auf Art 3 EMRK auf. III. Es ist unvereinbar mit Art 3 EMRK, einem Asylwerber anlässlich der Begleitung seiner schwangeren Ehefrau ins Krankenhaus Handschellen anzulegen. Dies gilt insb wenn ihm formell nicht die Freiheit entzogen wurde und es keinen Grund zur Annahme gibt, es würde irgendeine Gefahr von ihm ausgehen. Die damit verbundene Erniedrigung wird noch verstärkt, wenn diese Behandlung vor den Augen seiner Kinder und unbeteiligter Ärzte und anderer Personen erfolgt.
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