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286
Sanktionen gegen grob gewalttätige Asylwerber; Bekräftigung des "Haqbin-Urteils"
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Der zweite Tatbestand des Art 20 Abs 4 RL 2013/33/EU ("grob gewalttätiges Verhalten") ist dahin auszulegen, dass er auch tatbildliche Handlungen von Asylwerbern außerhalb von Unterbringungszentren erfasst. II. Wie bereits im Urteil EuGH 12.11.2019, Rs C-233/18 (Haqbin), ECLI:EU:C:2019:956, judiziert, ist ein Totalentzug von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) iSd Art 2 lit f und g RL 2013/33/EU niemals zulässig (wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Bereitstellung eines würdigen Lebensstandards iSd Art 20 Abs 5 Satz 3 leg cit sowie dem in Satz 2 leg cit statuierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz). III. Art 20 Abs 4 und 5 RL 2013/33/EU hindern nicht an der Inhaftnahme von Asylwerbern gemäß Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU, sofern die Voraussetzungen der Art 8–11 leg cit erfüllt sind. IV. Die absolute Unzulässigkeit eines Totalentzugs von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) vermag auch nicht durch Verfahrensgarantien im Recht der Mitgliedstaaten relativiert zu werden.
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287
Rechtsschutzdefizite in der Dublin III-VO?
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Art 27 Abs 1 Dublin III-VO ist nicht dahingehend auszulegen, dass er nur gegen Überstellungsentscheidungen einen Rechtsbehelf garantiere. Vielmehr steht gegen jede Entscheidung im Rahmen des Dublinsystems, mit der in subjektive Rechte eingegriffen wird, gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung. II. Wird ein Aufnahmegesuch gemäß Art 21 Dublin III-VO, in dem das Zuständigkeitskriterium des Art 8 Abs 2 leg cit in Rede steht, vom ersuchten Mitgliedstaat abgewiesen, so muss dieser dem unbegleiteten minderjährigen Asylwerber einen gerichtsförmlichen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung zur Verfügung stellen. III. Kein wie auch immer geartetes subjektives Recht erfließt im Rahmen von Entscheidungen iSd Art 8 Abs 2 Dublin III-VO dem Verwandten, dessentwegen dieser gerichtlichen Rechtsschutz iSd "unionsrechtsakzessorischen" Art 47 GRC in Anspruch nehmen könnte.
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288
"Minderjährigkeit" und "tatsächliche familiäre Bindungen" iSd RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL)
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Art 16 Abs 1 lit a iVm Art 2 lit f RL 2003/86/EG ist dahin auszulegen, dass ein "unbegleiteter Minderjähriger" zum Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Einreisetitel zum Behufe der Familienzusammenführung mit ihm gestellt wird, unter 18 Jahre alt sein muss. Es ist jedoch unions(grund)rechtlich unzulässig, zu verlangen, dass die Minderjährigkeit auch im Entscheidungszeitpunkt der/des mitgliedstaatlichen Behörde/Gerichts noch fortbestehen müsse. II. Es steht mit der RL 2003/86/EG, insb mit deren Art 13 Abs 2 iVm Abs 1 nicht im Einklang, das Ende der Minderjährigkeit im nationalen Recht zur auflösenden Bedingung zu erheben, mit deren Eintritt ein aus der Familienzusammenführung erfließender Aufenthaltstitel Angehöriger wegfiele. III. Für die Gewährung/das Fortbestehen von Einreise- und Aufenthaltstiteln aus dem Titel der Familienzusammenführung muss ein tatsächliches Familienleben bestehen, die bloße Verwandtschaft reicht nicht aus (Art 16 Abs 1 lit b RL 2003/86/EG): Tatbildliche "tatsächliche familiäre Bindungen" äußern sich insb in einem regelmäßigen Kontakt. Wechselseitige finanzielle Unterstützungen zwischen dem Zusammenführenden und dessen Angehörigen dürfen aber nicht verlangt werden.
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Erhöhtes privates Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet wegen eines minderjährigen Kindes und der Hilfsbedürftigkeit eines kranken Elternteils
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Eine "gravierende Straffälligkeit" iSd nicht mehr in Geltung stehenden, aber immer noch zu berücksichtigenden § 9 Abs 4 BFA-VG ergibt sich nicht nur aus der Begehung von qualitativ "schweren" Straftaten. Vielmehr kann dieses Erfordernis auch durch eine hohe Quantität an Verurteilungen – insb wegen Delikten gegen dasselbe Rechtsgut – erfüllt sein. II. Bei einer Interessenabwägung betreffend den Verbleib im Bundesgebiet hat etwa Beachtung zu finden, dass die fremde Person für ein minderjähriges Kind unterhaltspflichtig ist oder diese bspw für die Unterstützung eines kranken Elternteils sorgt.
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Zum Heimreisezertifikat-Verfahren und diesbezüglichen Mitwirkungspflichten der fremden Person
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Für die zur Ausreise verpflichtete Person bestehen keine parallelen Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs 2 FPG und nach § 46 Abs 2a FPG. Wurde bereits ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs 2a FPG geführt, so hat das BFA daher bereits von seiner Ermächtigung Gebrauch gemacht und darf der fremden Person während dieses Verfahrens keinen Auftrag zur Beschaffung eines Reisedokuments aus Eigenem erteilen. II. Werden vom BFA völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt und darüber hinaus entscheidungswesentliche Umstände gar nicht bzw nur rudimentär ermittelt, so erweist sich das Verfahren als grob mangelhaft. Sind aus dem vorgelegten Akt aufgrund der ungeeigneten Ermittlungsschritte etwa weder der Stand des Heimreisezertifikat-Verfahrens zu entnehmen noch an die fremde Person gerichtete Aufforderungen betreffend eine Mitwirkung oder die Beschaffung eines Reisedokuments aus Eigenem, so hat eine Zurückverweisung und folglich eine neuerliche Entscheidung durch das BFA zu erfolgen.
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