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3553

Judikatursammlung

Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes bei rechtsmissbräuchlicher Folgeantragstellung

Leitsatz des Gerichts:
I. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhalts kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen.

II. Bei der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes hat eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages zu erfolgen. Ziel ist, den faktischen Abschiebeschutz nur für klar missbräuchliche Anträge zu beseitigen. Davon ist auszugehen, wenn schon bei der Grobprüfung die spätere Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht wesentlich geändert hat und keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen.
- | Online seit - 08.01.2025
3552

Judikatursammlung

Zurückweisung eines abermaligen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und mangelnder Sachverhaltsänderung

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Zeitablauf zwischen einer Rückkehrentscheidung und einer Zurückweisung von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln von mehreren Jahren bzw Monaten bewirkt noch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung.

II. Durch eine bereits vor Erledigung eines offenen Antrages erfolgte Abschiebung wird das schützenswerte Privat- und Familienleben im Bundesgebiet in seiner Intensität sogar gemindert.
- | Online seit - 07.01.2025
3551

Judikatursammlung

Zurückweisung eines Feststellungsbegehrens zur Unwirksamkeit einer Rückkehrentscheidung aufgrund zwischenzeitig erfolgter Eheschließung und abgeleitetem unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht

Leitsatz des Gerichts:
I. Soweit ein Drittstaatsangehöriger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwirbt, so steht dies der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen.

II. Festzuhalten ist jedoch, dass ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht bedingungslos zusteht und nicht ohne Weiteres erlangt wird; dies insb dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt.
- | Online seit - 06.01.2025
3548

Judikatursammlung

Lebensbedingungen und fehlende medizinische Versorgung in griechischen Aufnahmezentren verletzten Art 3 EMRK

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Lebensbedingungen und die mangelnde medizinische Versorgung in den Aufnahme- und Identifizierungszentren in Griechenland im Jahr 2019 sind mit Art 3 EMRK unvereinbar.

II. Hierfür sind insb fehlende Unterbringungsmöglichkeiten, die extreme Überbelegung, der Mangel an medizinischen, sanitären und sicherheitsrelevanten Einrichtungen, sowie die unzureichende Lebensmittelversorgung von Relevanz für die Beurteilung.

III. Die Unterlassung einer rechtzeitigen und angemessenen medizinischen Behandlung verletzt ebenfalls die Garantien des Art 3 EMRK.

IV. Bei älteren und gesundheitlich beeinträchtigten Personen ist eine erhöhte Schutzbedürftigkeit gegeben. Eine Unterkunft muss diesen erhöhten Anforderungen gerecht werden, um Art 3 EMRK nicht zu verletzen.

V. Eine Person muss über die Gründe für ihre Haft in einer für sie verständlichen Sprache informiert werden. Eine Unterlassung dieser Aufklärung verletzt Art 5 Abs 2 EMRK.
- | Online seit - 03.01.2025
3547

Judikatursammlung

Notwendige Interessenabwägung bei Daueraufenthalt begehrender subsidiär Schutzberechtigter

Leitsatz des Gerichts:
Der Umstand, dass die einen "Daueraufenthalt - EU" begehrende, aber die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Z 4 NAG nicht erfüllende Beschwerdeführerin (bisher) über eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs 4 AsylG verfügt(e), entbindet das VwG nicht von der Vornahme einer Prüfung gemäß § 11 Abs 3 NAG iVm Art 8 EMRK.
- | Online seit - 02.01.2025
3546

Judikatursammlung

Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips und der Asylverfahrensrechte durch Polen

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Staat darf die Einreise eines Asylwerbers nicht verweigern, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene im Falle einer Ausweisung in den Herkunftsstaat oder in einen Drittstaat eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung erfährt.

II. Der ausweisende Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass dem Antragsteller in einem Drittstaat die Möglichkeit der Stellung eines Asylantrags zur Verfügung steht, andernfalls verletzt dies den verfahrensrechtlichen Teil des Art 3 EMRK.

III. Art 13 EMRK iVm Art 3 und Art 4 4. ZPEMRK ist verletzt, wenn kein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Sehen Rechtsbehelfe gegen die Einreiseverweigerung keine aufschiebende Wirkung vor, so sind diese als nicht effektiv zu bewerten.

IV. Wird bei der Einreiseentscheidung nicht die individuelle Situation jedes einzelnen Antragstellers berücksichtigt, so ist das Vorgehen als kollektive Ausweisung iSd Art 4 4. ZPEMRK zu bewerten.
- | Online seit - 31.12.2024
3545

Judikatursammlung

Einverständnis der Eltern mit Verhandlungsführung durch männlichen Richter unerheblich

Leitsatz des Gerichts:
Indem das BVwG über die Beschwerde der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten durch einen Richter männlichen Geschlechts entschieden hat, obgleich § 20 Abs 2 AsylG 2005 (sexuelle Selbstbestimmung) im vorliegenden Fall anzuwenden war und die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin ein Abgehen von der sich daraus ergebenden Zuständigkeit einer Richterin nicht verlangt haben, hat es die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
- | Online seit - 30.12.2024
3543

Judikatursammlung

Schutzpflichten und Grenzen der Inhaftierung minderjähriger Asylsuchender

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Freiheitsentzug ist nur dann grundrechtskonform, wenn dieser aus einem der aufgelisteten Gründe des Art 5 Abs 1 erfolgt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren eingehalten wird und dem Schutz des Einzelnen vor Willkür dient.

II. Ein Freiheitsentzug von Minderjährigen ist nur unter strengen Bedingungen zulässig, bei denen zudem immer das Kindeswohl vorrangig beachtet werden muss.

III. Jegliche Inhaftierung muss im Einklang mit dem nationalen Recht stehen. Sieht dieses vor, dass Minderjährige unter keinen Umständen in Gewahrsam genommen werden dürfen, so liegt unabhängig einer Beurteilung der Festnahmegründe eine Verletzung des Art 5 EMRK vor.

IV. Liegen widersprüchliche Angaben zum Alter von Asylsuchenden vor, so sind die Behörden verpflichtet, eine Altersfeststellung durchzuführen. Ist diese wie in vorliegendem Urteil nicht erfolgt, so stellt das staatliche Vorgehen eine grundrechtswidrige Verhaftung dar, die das Grundrecht gemäß Art 5 EMRK verletzt.
- | Online seit - 27.12.2024
3544

Judikatursammlung

Rechtswidrigkeit der Schubhaft durch fehlende Anwendbarkeit der Dublin III-VO

Leitsatz des Gerichts:
I. Keine Anwendbarkeit der Dublin III-VO nach Zurückweisung eines Asylantrags gemäß § 4a AsylG 2005.

II. Eine Überstellung iSd Dublin III-VO liegt bei einer negativen Asylentscheidung gemäß § 4a AsylG 2005 nicht vor. Stützt sich der Schubhaftbescheid zur Sicherung der Überstellung dennoch auf die Dublin III-VO, ist dieser rechtswidrig.
- | Online seit - 24.12.2024
3542

Judikatursammlung

Verletzung im Recht auf gesetzlichen Richter

Leitsatz des Gerichts:
Durch die Entscheidung eines (männlichen) Richters des BVwG betreffend die Abweisung des Status einer Asylberechtigten bei vorgebrachtem (drohendem) Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung einer weiblichen Staatsangehörigen Syriens wird dieser der gesetzliche Richter entzogen.
- | Online seit - 23.12.2024
3541

Judikatursammlung

Asylaberkennung nach Ausstellung eines NAG-Titels

Leitsatz des Gerichts:
Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw das VwG von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten.
- | Online seit - 20.12.2024
3540

Judikatursammlung

Schützenswertes Familienleben einer schwangeren Frau

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Ausweisung einer schwangeren Frau und die daraus resultierende Trennung von ihrem Partner bzw vom Vater des Kindes stellt einen massiven Eingriff in die privaten Interessen (Art 8 EMRK) der (künftigen) Familie dar. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist zu eruieren, ob eine Trennung vom Kindesvater und diesen damit auf bloße Besuchskontakte zu seinem (künftigen) Kind zu verweisen, der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Grds wird davon auszugehen sein, dass eine Trennung der schwangeren Frau von ihrem Partner und damit dem Vater des Kindes schwerer wiegen wird als etwa die Abstandnahme von einer Ausweisung der schwangeren Frau.

II. Auch ein Säugling hat Anspruch auf ein Familienleben iSd Art 8 EMRK mit seinem Vater. Insb bei einem Säugling bzw bei Kleinkindern kann in diesem Zusammenhang nicht auf die Möglichkeit des Kontakts durch Telekommunikationsmittel verwiesen werden.
- | Online seit - 19.12.2024
3538

Judikatursammlung

Vorliegen einer Fluchtgefahr

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine bestimmte Tatsache, welche die Annahme rechtfertigen kann, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen könnte, stellt gemäß der ersten Alternative des § 76 Abs 3 Z 3 FPG der Umstand dar, dass eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht.

II. Das bringt zwar per se noch nicht in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck. Der Existenz einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu.
- | Online seit - 18.12.2024
3537

Judikatursammlung

Ausschlussgründe bei der Gewährung vorübergehenden Schutzes

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Ausschlussgründe von der Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 1 VertriebenenVO unter Verweis auf Art 28 Abs 1 RL 2001/55/EG) stellen auf das persönliche Verhalten der fremden Person ab und sind sehr eng gefasst. Ein Ausschluss vom vorübergehenden Schutz ist nur dann als rechtmäßig zu qualifizieren, wenn die fremde Person eine Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats darstellt oder wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde und deshalb von ihr eine Gefahr für die Allgemeinheit im Aufnahmemitgliedstaat ausgeht. Beim Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei und jenem der kriminellen Organisation handelt sich nicht per se um ein „besonders schweres Verbrechen“ – für eine derartige Qualifikation müssten besondere Umstände hinzutreten.

II. Eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich liegt etwa bei Handlungen vor, die sich gegen die Existenz des Aufnahmestaats (Österreich) bzw seiner territorialen Integrität oder gegen seine wesentlichen Staatsorgane richten. Eine derartige Gefahr kann bspw vorliegen bei geheimdienstlichen Tätigkeiten, Sabotage oder systematisch begangenen terroristischen Akten mit dem Ziel, die Regierung des Aufenthaltsstaats zu stürzen oder die Eroberung des Aufnahmestaats durch einen Drittstaat zu ermöglichen.
- | Online seit - 17.12.2024
3534

Judikatursammlung

Kein Verstoß gegen Art 8 EMRK bei schwedischem Unterhaltserfordernis für Flüchtlinge

Leitsatz des Gerichts:
I. Das Recht auf Familienleben gem Art 8 EMRK umfasst auch das Recht auf Familienzusammenführung.

II. Hierbei muss allerdings das Interesse der Familienangehörigen gegen das staatliche Interesse der Einwanderungssteuerung abgewogen werden, wobei verschiedene Kriterien in die Abwägung miteinbezogen werden müssen.

III. Die von Schweden eingeführten Bestimmungen des Gesetzes über befristete Beschränkungen für die Erteilung von Daueraufenthaltsgenehmigungen für Asylbewerber, die einer Familienzusammenführung entgegensteht, wenn der Asylwerber nicht die entsprechenden finanziellen Mittel und Wohnmöglichkeiten vorweisen kann, stellt keinen Verstoß gegen Art 8 EMRK dar.

IV. Den Mitgliedstaaten kommt ein Ermessensspielraum im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Einwanderungspolitik zu.
- | Online seit - 16.12.2024
3532

Judikatursammlung

Wirkung der Entscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Rahmen des Auslieferungsverfahrens

Leitsatz des Gerichts:
Art 21 Abs 1 RL 2011/95/EU iVm Art 18 und Art 19 Abs 2 GRC ist dahin auszulegen, dass in dem Fall, dass ein von einem Mitgliedstaat als Flüchtling anerkannter Drittstaatsangehöriger in einem anderen Mitgliedstaat, in dem er sich aufhält, Gegenstand eines Auslieferungsersuchens seines Herkunftslands ist, der ersuchte Mitgliedstaat die Auslieferung nicht zulassen darf, wenn er nicht einen Informationsaustausch mit der Behörde, die der gesuchten Person die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt hat, eingeleitet und diese Behörde die Flüchtlingseigenschaft nicht aberkannt hat.
- | Online seit - 13.12.2024
3528

Judikatursammlung

Flüchtlingsstatus für staatenlose Palästinenser bei fehlendem UNRWA-Schutz

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 40 RL 2013/32/EU ist dahin auszulegen, dass die Behörde, die über die Begründetheit eines Folgeantrags auf internationalen Schutz entscheidet, verpflichtet ist, die zur Stützung dieses Antrags vorgebrachten tatsächlichen Elemente zu prüfen, und zwar auch dann, wenn diese Tatsachen bereits von der Behörde gewürdigt wurden, die einen ersten Antrag auf internationalen Schutz endgültig abgelehnt hat.

II. Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2011/95 ist dahin auszulegen, dass der Schutz oder Beistand des UNRWA als nicht länger gewährt gilt, wenn diese Organisation aus irgendeinem Grund nicht in der Lage ist, dem Staatenlosen gemäß ihrem Auftrag menschenwürdige Lebensbedingungen zu gewährleisten, ohne dass er nachweisen müsste, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen von dieser allgemeinen Lage spezifisch betroffen ist.

III. Für die Prüfung einer solchen unsicheren persönlichen Situation sind die Verwaltungsbehörden und die Gerichte verpflichtet, eine individuelle Prüfung jedes auf diese Bestimmung gestützten Antrags auf internationalen Schutz vorzunehmen, in deren Rahmen das Alter der betreffenden Person relevant sein kann.

IV. Der Beistand oder Schutz des UNRWA ist insb dann als gegenüber dem Antragsteller nicht länger gewährt anzusehen, wenn diese Organisation aus irgendeinem Grund menschenwürdige Lebensverhältnisse und ein Mindestmaß an Sicherheit nicht mehr gewährleisten kann.

V. Die Frage, ob der Beistand oder Schutz des UNRWA als nicht länger gewährt gilt, ist im Hinblick auf den Zeitpunkt zu beurteilen, zu dem der Staatenlose das Operationsgebiet des Einsatzgebiets des UNRWA, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, verlassen hat, auf den Zeitpunkt, zu dem die zuständigen Verwaltungsbehörden über seinen Antrag auf internationalen Schutz entscheiden, oder auf den Zeitpunkt, zu dem das zuständige Gericht über einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung, mit der dieser Antrag abgelehnt wird, entscheidet.
- | Online seit - 12.12.2024
3526

Judikatursammlung

Asylausschlussgrund nach§ 6 Abs 1 Z 2 AsylG iVm Art 1 Abschnitt F lit b GFK

Leitsatz des Gerichts:
I. § 6 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, der nach seinem Wortlaut auf das Vorliegen eines in Art 1 Abschnitt F GFK genannten Ausschlussgrundes abstellt, ist vor dem Hintergrund des Art 12 Abs 2 StatusRL (die Bestimmungen dieser Richtlinie sind wiederum im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der GFK und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art 78 Abs 1 AEUV Bezug nimmt, auszulegen) zu interpretieren.

II. Was den in Art 1 Abschnitt F lit b GFK enthaltenen Begriff des "schweren nichtpolitischen Verbrechens" und den in Art 12 Abs 2 lit b StatusRL verwendeten Begriff der "schweren nichtpolitischen Straftat" anlangt, ist festzuhalten, dass diese Begriffe weder im AsylG 2005 noch in der GFK noch in der StatusRL näher definiert sind.
- | Online seit - 11.12.2024
3525

Judikatursammlung

Enger Maßstab bei der Einschränkung der Freizügigkeit aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 27 Abs 1 und 2 RL 2004/38/EG ist dahin auszulegen, dass er es der zuständigen nationalen Behörde nicht verwehrt, eine frühere Festnahme des Betroffenen zu berücksichtigen, um zu beurteilen, ob dessen Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

II. Es müssen aber zudem die der Festnahme zugrunde liegenden Tatsachen sowie deren etwaige gerichtliche Folgen im Rahmen der umfassenden Prüfung dieses Verhaltens ausdrücklich und eingehend berücksichtigt werden.
- | Online seit - 10.12.2024
3524

Judikatursammlung

Kein Aufenthaltsverbot für kleine Kinder mangels von ihnen ausgehenden Gefahrenpotenzials für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Erfüllung der Tatbestände des § 53 Abs 2 Z 1, 2 oder 3 FPG sind rechtskräftige Bestrafungen wegen bestimmter Übertretungen bzw zu bestimmten Strafen ausschlaggebend – ein bloßer Verstoß gegen ein Gesetz ist nicht ausreichend. Hierbei ist nicht auf die bloße Tatsache der Bestrafung der fremden Person abzustellen, vielmehr muss die Art und Schwere der zugrundeliegenden Taten und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild berücksichtigt werden. Für die Frage, ob gegen die fremde Person eine Rückkehrentscheidung und allenfalls auch ein Einreiseverbot zu erlassen ist, hat eine eingehende Auseinandersetzung mit allen relevanten Umständen zu erfolgen.

II. Werden von der zuständigen Behörde keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts gesetzt und ist dieser in zentralen Teilen ergänzungsbedürftig, so ist eine Zurückverweisung der Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids nach Verfahrensergänzung vorzunehmen. Derartige Mängel lassen eine Feststellung des Sachverhalts durch das BVwG aufgrund dessen, dass die Mängelbehebung weder rasch erfolgt noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist, nicht sinnvoll erscheinen (vgl § 28 Abs 2 und 3 VwGVG).

III. Ist ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht wegen der Nichterfüllung der Voraussetzungen zu verneinen, so ist gegen die fremde Person keine Rückkehrentscheidung, sondern – bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 9 BFA-VG iVm § 66 FPG – eine Ausweisung zu erlassen. Bei Kindern, insb im Kindergartenalter, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots kaum denkbar, denn von ihnen geht grds keine maßgebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aus.
- | Online seit - 09.12.2024