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2653

Judikatursammlung

Zurückweisung syrischer Schutzsuchender an der polnisch-weißrussischen Grenze

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Staat, dessen Grenzbeamte an einem Grenzübergang Schutzsuchenden die Einreise verweigern und sie zurückschicken, übt Hoheitsgewalt iSv Art 1 EMRK über diese Personen aus.
II. Ein Rechtsmittel gegen eine Aus- oder Zurückweisung, die mit der Gefahr einer gegen Art 3 EMRK verstoßenden Behandlung verbunden ist, kann nur dann als wirksam angesehen werden, wenn ihm automatische aufschiebende Wirkung zukommt. Rechtsbehelfe, bei denen dies nicht der Fall ist, müssen vor Erhebung einer Beschwerde an den EGMR nicht ergriffen werden.
III. Wenn ein Mitgliedstaat einen Schutzsuchenden in einen Drittstaat ab- oder zurückschiebt, ohne den Antrag auf internationalen Schutz in der Sache zu prüfen, muss er sich vergewissern, ob die betroffene Person im Drittstaat angemessenen Zugang zu einem Asylverfahren haben wird.
IV. Im Fall der aus Syrien stammenden Beschwerdeführer, die aus Weißrussland kommend bei den polnischen Grenzbeamten auf die Gefahr einer Verfolgung hinwiesen und darlegten, warum sie in Weißrussland keinen Schutz finden könnten, wäre Polen verpflichtet gewesen, die Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und den Beschwerdeführern während des Verfahrens den Aufenthalt in Polen zu erlauben.
V. Das Verbot der Kollektivausweisung nach Art 4 4.ZPEMRK verbietet staatliche Maßnahmen, mit denen ein Fremder zum Verlassen des Landes gezwungen wird, ohne dass seine persönlichen Umstände geprüft wurden. Dies gilt auch für Zurückweisungen an der Grenze.
VI. An der Grenze zwischen Weißrussland und Polen herrschte zumindest 2017 eine verbreitete Praxis der polnischen Grenzbeamten, Anträge auf internationalen Schutz nicht entgegenzunehmen und Schutzsuchende ohne Prüfung ihrer individuellen Situation zurückzuweisen. Diese Praxis verstieß gegen das Verbot der Kollektivausweisung.
VII. Es verstößt gegen das Recht auf Individualbeschwerde (Art 34 EMRK), wenn ein Staat Schutzsuchende an der Grenze zurückweist, obwohl der EGMR die Regierung mittels einstweiliger Maßnahme aufgefordert hat, die Anträge auf internationalen Schutz zu prüfen und den Betroffenen den vorübergehenden Aufenthalt zu gestatten.
- | Online seit - 18.10.2021
2652

Judikatursammlung

Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts infolge der Ehescheidung

Leitsatz des Gerichts:
I. Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen nur dann unter den Schutz des Familienlebens iSd Art 8 Abs 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über gewöhnliche Bindungen hinausgehen. In diesem Zusammenhang ist etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Wohnsitzes zu beachten.
II. Eine Verletzung des Privatlebens iSd Art 8 Abs 1 EMRK liegt nicht vor, wenn etwa die Aufenthaltsdauer der betroffenen Person relativ kurz (hier: drei Jahre) ist und die erlangte Integration in dieser Zeit nicht außergewöhnlich ist. Eine Aufenthaltsbeendigung kann zB auch nach einem Aufenthalt von sechs Jahren im Bundesgebiet trotz vorhandener Integrationsschritte im öffentlichen Interesse (Art 8 Abs 2 EMRK) liegen.
- | Online seit - 14.10.2021
2651

Judikatursammlung

Neuerlich zum maßgeblichen Studienjahr

Leitsatz des Gerichts:
Für den nachzuweisenden Studienerfolg kommt es ausschließlich auf jene Prüfungen an, die im betreffenden, dh im vorangegangenen (vom 1.10. bis zum 30.9. dauernden), Studienjahr absolviert wurden; für eine Ausweitung über diesen Zeitraum hinaus besteht kein Raum.
- | Online seit - 13.10.2021
2650

Judikatursammlung

Prayner Konservatorium keine Bildungseinrichtung iSd § 64 Abs 1 Z 2 NAG

Leitsatz des Gerichts:
Das Prayner Konservatorium in Wien ist keine Bildungseinrichtung iSd § 64 Abs 1 Z 2 NAG, sondern eine Privatschule, welcher zudem per 30.4.2020 das Öffentlichkeitsrecht entzogen wurde.
- | Online seit - 12.10.2021
2649

Judikatursammlung

Unionsrechtswidrigkeit einer möglichen Schubhaftdauer von acht Monaten für ausgewiesene Unionsbürger

Leitsatz des Gerichts:
I. Da die RL 2004/38/EG (UnionsbürgerRL) nicht vorgibt, wie Ausweisungsverfügungen aus den Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit iSd Art 27 leg cit zu vollstrecken sind, ist die Regelung dieser Frage Sache der Mitgliedstaaten. Der Umstand, dass sich deren Regelungen an jenen für Drittstaatsangehörige orientieren, macht diese Regelungen für sich noch nicht unionsrechtswidrig.
II. Der Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten (I.) wird durch das primärrechtlich verbürgte Recht auf Freizügigkeit (Art 20 Abs 2 lit a und Art 21 AEUV) beschränkt, welches durch die RL 2004/38/EG (UnionsbürgerRL) bekräftigt wird. Einschränkungen sind engstens auszulegen und einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung zu unterziehen (vgl auch Art 27 Abs 2 leg cit).
III. Präventivmaßnahmen zur Hintanhaltung von Flucht der aus Gründen des Art 27 Abs 1 RL 2004/38/EG ausgewiesenen Unionsbürger wie etwa Gebietsbeschränkungen dienen einem anerkannten öffentlichen Interesse und sind zu dessen Erreichen geeignet. Im Einzelfall ist stets das gelindestmögliche Mittel anzuwenden.
IV. Die Möglichkeit, ausgewiesene Unionsbürger für maximal acht Monate in Schubhaft nehmen zu können, genügt dem strengen Verhältnismäßigkeitspostulat für Einschränkungen der Freizügigkeit (II. und III.) auf keinen Fall. Ausgewiesene Unionsbürger befinden sich in einer völlig anderen Situation als Drittstaatsangehörige, weil zwischen den Mitgliedstaaten der EU keine vergleichbaren tatsächlichen Schwierigkeiten bestehen. Eine derartige im nationalen Recht verankerte Ermächtigung stellt folglich eine Verletzung des Freizügigkeitsrechts dar.
- | Online seit - 11.10.2021
2648

Judikatursammlung

"Universität 55-PLUS" kein Universitätslehrgang

Leitsatz des Gerichts:
Der von der Paris Lodron Universität Salzburg (PLUS) in ihrem Mitteilungsblatt vom 8.7.2020, 62. Stück, Nr 245, kundgemachten und am selben Tag in Kraft getretenen Verordnung des Rektorats über den Kurs "Universität 55-PLUS" ist ausdrücklich zu entnehmen, dass die "Universität 55-PLUS" kein Studium ist und daher auch nicht mit einem akademischen Grad abschließt. Ein Universitätslehrgang iSd § 56 UniversitätsG wurde damit nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Verordnung nicht eingerichtet.
- | Online seit - 07.10.2021
2647

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Einmal Aufenthaltsehe, immer Aufenthaltsehe?

Leitsatz des Gerichts:
Aufgrund der vom rechtsmissbräuchlichen Eingehen einer Ehe bewirkten Störung der öffentlichen Ordnung kann auf dem Gebiet des Fremdenwesens der Versagungsgrund gemäß § 11 Abs 2 Z 1 NAG erfüllt sein. Angesichts der einzelfallbezogenen Beurteilung des Vorliegens des genannten Versagungsgrundes kann naturgemäß kein objektiver Zeitpunkt angegeben werden, ab dem das Fehlverhalten nicht mehr als den öffentlichen Interessen widerstreitend zu beurteilen ist.
- | Online seit - 06.10.2021
2646

Judikatursammlung

Niederlassungsabsicht durch Einzelfallbeurteilung festzustellen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Frage, ob der Fremde als niedergelassen iSd § 2 Abs 2 NAG anzusehen ist, stellt eine Einzelfallbeurteilung dar. Ein Aufgreifen derartiger von den Verwaltungsgerichten entschiedener Einzelfälle durch den VwGH ist im Revisionsmodell nur dann vorgesehen, wenn die vom VwGH aufgestellten Leitlinien bzw Grundsätze nicht beachtet wurden und somit eine krasse bzw unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen wurde. Der VwGH ist daher nicht dazu berufen, die Einzelfallgerechtigkeit in jedem Fall zu sichern.
II. Der Umstand, dass die Familie des Fremden in seinem Haus in Serbien lebt, steht der Annahme, dass sein Aufenthalt in Österreich dem Zweck der Begründung eines Wohnsitzes iSd § 2 Abs 2 Z 1 NAG oder der Aufnahme einer nicht bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit iSd Z 3 leg cit dient, nicht entgegen.
- | Online seit - 05.10.2021
2645

Judikatursammlung

Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz

Leitsatz des Gerichts:
I. Ist bereits ein Rückkehrentscheidungsverfahren bei der Behörde anhängig, so darf die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Da mit der Rückkehrentscheidung auch die Feststellung nach der Zulässigkeit der Abschiebung der betroffenen Person in einen bestimmten Staat oder mehrere bestimmte Staaten zu treffen ist, würde die Rückkehrentscheidung das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz in unzulässiger Weise vorwegnehmen.
II. Ist ein Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz anhängig, so darf bis zu dessen Abschluss – auch in einem Parallelverfahren – keine Rückkehrentscheidung ergehen, da das Ergebnis des anderen Verfahrens dadurch bereits vorweggenommen werden würde.
- | Online seit - 04.10.2021
2644

Judikatursammlung

Kein einstweiliger Rechtsschutz kraft Unionsrechts im Anwendungsbereich des § 18 Abs 5 BFA-VG geboten

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Erlassung einstweiliger Anordnungen, welche unmittelbar auf Unionsrecht gestützt werden, ist im verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystem gegen Bescheide des BFA das "sachnächste Gericht" zuständig. Dies ist – auch im Stadium eines VwGH-Revisionsverfahrens noch – immer das BVwG.
II. Die Erlassung unionsrechtsunmittelbarer einstweiliger Anordnungen setzt das kumulative Vorliegen folgender Kriterien voraus: Glaubhaftmachung der Notwendigkeit in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, Dringlichkeit iSd Verhinderung eines schweren und nicht wiedergutzumachenden Schadens beim Antragsteller und eine abwägende Berücksichtigung gegenläufiger Interessen.
III. Art 47 GRC im Zusammenhalt mit den einschlägigen Art 18 und 19 Abs 2 leg cit sowie dem Effektivitätsgrundsatz des Unionsrechts verlangt nur, dass der Betroffene einer Rückkehrentscheidung seine Rechte vor einem Gericht wirksam geltend machen kann; dieses Wirksamkeitspostulat wird durch die Möglichkeit des BVwG efüllt, der Beschwerde binnen einer Woche ab Vorlage von Amts wegen aufschiebende Wirkung zuzuerkennen (§ 18 Abs 5 BFA-VG). Im Anwendungsbereich des § 18 Abs 5 BFA-VG ist die Erlassung einstweiliger Anordnungen kraft Unionsrechts generell nicht geboten.
IV. Was die Erlassung einstweiliger Anordnungen kraft Unionsrechts betrifft, besteht – vom Anwendungsbereich des § 18 Abs 5 BFA-VG abgesehen – keine "konkrete" Rsp des VwGH. Folglich liegt hier eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art 133 Abs 4 B-VG) vor und ist die Revision zuzulassen.
- | Online seit - 30.09.2021
2642

Judikatursammlung

Schubhaft bei ausreichenden Anhaltspunkten für eine Fluchtgefahr gerechtfertigt

Leitsatz des Gerichts:
I. Von Fluchtgefahr iSd § 76 Abs 3 FPG ist auszugehen, da der Beschwerdeführer an seiner Meldeadresse für die Behörden nicht greifbar war und der Rückkehrentscheidung nicht nachkam und die bereits geplante Abschiebung storniert werden musste.
II. Es liegen daher in einer Gesamtbetrachtung keine ausreichenden Anhaltspunkte vor, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer familiären, sozialen und beruflichen Verankerung in Österreich einen so verfestigten Aufenthalt gehabt hätte, um sich seiner Abschiebung nicht zu entziehen.
III. Da der Beschwerdeführer durch sein beharrliches unrechtmäßiges Verbleiben im Bundesgebiet die österreichische Rechtsordnung nicht achtet, weder beruflich noch sozial oder familiär verankert ist und nicht über ausreichende eigene Mittel zur Existenzsicherung verfügt, kommt den persönlichen Interessen des Beschwerdeführers daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Die Schubhaft ist daher verhältnismäßig.
IV. Da in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erwarten war, dass der Beschwerdeführer bei Entlassung aus der Schubhaft Handlungen gesetzt hätte, um seinen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen, konnte ein gelinderes Mittel iSd § 77 FPG nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen.
- | Online seit - 29.09.2021
2641

Judikatursammlung

Kurze Aufenthaltsdauer relativiert Eingriff in das Recht auf Privat- und Familienleben

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei Ausweisungen von Asylwerbern nach § 10 AsylG wird ab einer Verfahrensdauer von sechs Monaten jedenfalls ein Eingriff in das Privat- und Familienleben anzunehmen sein, der eine Verhältnismäßigkeitsprüfung nach sich zieht. Jedoch ist mangels weiterer qualifizierter Anhaltspunkte davon auszugehen, dass die Verweildauer im Bundesgebiet im gegenständlichen Fall noch kein relevantes Privatleben begründet.
II. Selbst wenn man davon ausgehen möchte, dass die Rückkehrentscheidung einen Eingriff in das Recht auf das Privat- und Familienleben darstellt, ist dieser Eingriff schon alleine durch den erst kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert.
III. Auch wenn weder das Gesetz noch die Judikatur eine fixe Aufenthaltsdauer nennen, um diese im Lichte des Art 8 EMRK relevant erscheinen zu lassen, ist im gegenständlichen Fall darauf hinzuweisen, dass eine Aufenthaltsdauer von knapp über sechs Monaten viel zu kurz ist, um von einer rechtlich relevanten Integration sprechen zu können.
- | Online seit - 28.09.2021
2640

Judikatursammlung

Kein Visum bei unkonkreten Angaben zu einer Organspende innerhalb des Visumzeitraums

Leitsatz des Gerichts:
I. Von einem bloßen "Generalverdacht", der zur Versagung des Visums geführt hat, kann nicht ausgegangen werden, wenn nachvollziehbare und begründete Anhaltspunkte für die Annahme eines Verbleibens über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus vorliegen.
II. Die Behauptung, zum Zweck der Durchführung einer Nierenspende ins Bundesgebiet zu reisen, ohne konkreten zeitlichen Rahmen der Voruntersuchungen, einer tatsächlichen Transplantation und der erforderlichen Nachsorge ist nicht geeignet darzutun, dass die notwendigen medizinischen Maßnahmen binnen des beantragten Gültigkeitszeitraums von einem Monat abgeschlossen werden könnten.
- | Online seit - 27.09.2021
2639

Judikatursammlung

Kein Eingriff in das Familienleben bei bloß telefonischem Kontakt mit den Töchtern

Leitsatz des Gerichts:
I. Den überwiegend auf Telefonate beschränkten Kontakt zu seinen Töchtern aus erster Ehe kann der Beschwerdeführer durchaus auch von Georgien aus aufrechterhalten, etwa durch Telefonate, via soziale Medien oder Besuche seiner Töchter in den Ferien.
II. Die Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme stellt keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Familienleben dar, wenn die Tochter und deren Mutter sich ebenfalls illegal in Österreich aufhalten und davon auszugehen ist, dass sie entweder demnächst freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden.
III. In Anbetracht zahlreicher Verurteilungen, eines insgesamt niedrigen Integrationsgrades, des über viele Jahre hinweg illegalen Aufenthaltes, der illegalen Beschäftigungen, der hohen Rückfallwahrscheinlichkeit bei Suchtgiftabhängigen und der damit in Zusammenhang stehenden Beschaffungskriminalität ist ein Eingriff in das Familienleben durchaus gerechtfertigt.
- | Online seit - 23.09.2021
2638

Judikatursammlung

Keine aufschiebende Wirkung bei Antrag auf Bleiberecht

Leitsatz des Gerichts:
I. Gemäß dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 58 Abs 13 AsylG ist ausgeschlossen, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 ein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen. Vielmehr stehen solche Anträge der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen und können keine aufschiebende Wirkung entfalten.
II. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme war rechtmäßig, weil eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einer zulässigen Abschiebung nach Afghanistan auf Grund des unbekämpft gebliebenen Erkenntnisses des BVwG vorlag und der Beschwerdeführer die eingeräumte 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ungenützt verstreichen ließ.
III. Es lagen somit die Voraussetzungen für eine Abschiebung gemäß § 46 FPG vor, weil der Beschwerdeführer kein kooperatives Verhalten gezeigt hatte: Er setzte sich über den Umstand, dass sein Aufenthalt in Österreich nicht gesetzlich begründet und daher illegal ist, hinweg, kam seiner Verpflichtung zur Ausreise aus dem Bundegebiet beharrlich nicht nach und gab in den Einvernahmen sogar an, im Land verbleiben zu wollen und eine Abschiebung nicht zu akzeptieren.
- | Online seit - 22.09.2021
2632

Judikatursammlung

Voraussetzung für die Qualifizierung einer verwaltungsbehördlichen Anordnung als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt

Leitsatz des Gerichts:
I. Voraussetzung für die Qualifizierung einer verwaltungsbehördlichen Anordnung als Akt unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ist ein unmittelbarer Befolgungsanspruch. Das bedeutet, dass dem Befehlsadressaten bei Nichtbefolgung des Befehls unverzüglich eine physische Sanktion droht.
II. Liegt ein derartiger Befolgungsanspruch (objektiv) nicht vor, so kommt es darauf an, ob aus der Sicht des Betroffenen der Eindruck entstehen musste, dass bei Nichtbefolgung der behördlichen Anordnung mit ihrer unmittelbaren zwangsweisen Durchsetzung zu rechnen ist.
- | Online seit - 20.09.2021
2633

Judikatursammlung

Unzulässigkeit eines pauschalen "Mindestopferzahlen-Kriteriums" für subsidiären Schutz

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Prüfung der subsidiären Schutzwürdigkeit nach dem Tatbestand des Art 15 lit c RL 2011/95/EU ist es unzulässig, einen Mindestwert im Verhältnis der Opferzahl in der Herkunftsregion des Antragstellers zur dortigen Gesamtbevölkerung als ausschlaggebendes Kriterium festzulegen. Eine derartige Auslegung der Bestimmung ist europarechtswidrig.
II. Stattdessen verlangt Art 15 lit c RL 2011/95/EU eine Einzelfallprüfung. Die zu prüfenden Kriterien ergeben sich insb aus Art 4 Abs 3 lit a leg cit ("alle mit dem Herkunftsland verbundenen Tatsachen, die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag relevant sind"). Denkbare Faktoren sind etwa die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte, die Dauer des Konflikts, das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, der tatsächliche Zielort des Antragstellers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet und die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen, die eventuell mit Absicht erfolgt.
- | Online seit - 16.09.2021
2631

Judikatursammlung

Zur Dauer der Verhängung eines Aufenthaltsverbots gegen einen Unionsbürger

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Anordnung eines mehrjährigen Aufenthaltsverbots erweist sich als angemessen, wenn dies zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit im Hinblick auf die Sozialschädlichkeit des Verhaltens der betroffenen Person notwendig ist. Bei der Dauer eines Aufenthaltsverbots ist zu berücksichtigen, ob der Teil der bedingten Nachsicht einer Freiheitsstrafe den Teil der unbedingten übersteigt. Wird der weitaus überwiegende Teil der Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen und liegen weitere Milderungsgründe (zB Reue und kooperatives Verhalten) vor, so kann die Dauer eines Aufenthaltsverbots gegebenenfalls herabgesetzt werden.
II. Vom Begriff des Familienlebens iSd Art 8 EMRK sind auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese eine gewisse Intensität erreichen, erfasst. Lebt die volljährige Person jedoch nicht mehr im Elternhaus, finden Besuche nur sporadisch statt und liegt auch kein finanzielles oder anderweitig geartetes Abhängigkeitsverhältnis vor, so deutet dies auf das Nichtvorliegen eines schützenswerten Familienlebens hin.
III. Hinsichtlich der von einer strafgerichtlich verurteilten Person ausgehenden Gefährlichkeit ist ein behaupteter positiver Gesinnungswandel daran zu messen, ob und wie lange sich diese Person nach dem Vollzug der Haftstrafe in Freiheit wohlverhalten hat. Befindet sich die betroffene Person noch in Strafhaft, so kann der Wegfall eines für längere Zeit andauernden, gravierend strafrechtswidrigen Fehlverhaltens nicht durch Reue der betroffenen Person oder durch bereits bei der Strafbemessung berücksichtigte Milderungsgründe begründet werden.
- | Online seit - 15.09.2021
2629

Judikatursammlung

Überprüfung der Schubhaftaufrechterhaltung

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Prüfung, ob eine Fluchtgefahr, welche die Verhängung und Aufrechterhaltung einer Schubhaft zu rechtfertigen vermag, vorliegt, ist das Gesamtverhalten der betroffenen Person zu berücksichtigen. Einen Indikator für die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft stellen etwa bereits unternommene Fluchtversuche dar. Auch ein unkooperatives und aggressives Verhalten der betroffenen Person sowie die Absicht, das Bundesgebiet nicht zu verlassen, sind in der Verhältnismäßigkeitsprüfung von Relevanz.
II. Von einer massiven Fluchtgefahr ist auszugehen, wenn die betroffene Person keine Kooperationsbereitschaft mit den Behörden zeigt, sich während der Schubhaft aggressiv verhält und bereits Fluchtversuche aus dem Anhaltezentrum unternommen hat.
III. Ein akuter Sicherungsbedarf ist etwa bei Bestehen einer erheblichen Fluchtgefahr und einer unzureichenden Verankerung im Bundesgebiet als gegeben anzusehen.
- | Online seit - 13.09.2021
2626

Judikatursammlung

Durch Art 7 EUV-Verfahren: Kein primärrechtlicher Asylausschluss mehr für ungarische Staatsangehörige

Leitsatz des Gerichts:
I. Bereits die Annahme der Entschließung durch das Europäische Parlament, den Rat zur Einleitung des Verfahrensschritts gegen einen Mitgliedstaat gemäß Art 7 Abs 1 EUV aufzufordern, greift in die Rechtsstellung dieses Mitgliedstaats ein. Sie ist daher mit Nichtigkeitsklage iSd Art 263 AEUV bekämpfbar. Daran ändert auch Art 269 AEUV nichts, der auf Nichtigkeitsklage gegen Entschließungen des Europäischen Parlaments gar nicht anwendbar ist.
II. Der Eingriff durch die in Punkt I genannte Entschließung in die Rechtsstellung der Mitgliedstaaten besteht darin, dass ihre Annahme das grundsätzlich für die Mitgliedstaaten geltende Verbot unmittelbar beseitigt, einen von einem ungarischen Staatsangehörigen (und damit Unionsbürger) gestellten Asylantrag zu berücksichtigen oder zur Bearbeitung zuzulassen (Einziger Art lit b Protokoll Nr 24).
- | Online seit - 10.09.2021