Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Zeige 901 bis 920 von 3624

2776

Judikatursammlung

Vom Erteilungshindernis durchsetzbare Rückkehrentscheidung und den Anforderungen an ein ordentliches Ermittlungsverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Die ersatzlose Behebung des - eine frühere (sonst grundsätzlich erst mit der Rechtskraft eintretende [vgl § 52 Abs 8 FPG]) Durchsetzbarkeit begründenden - Ausspruchs wirkt ex tunc, was bedeutet, dass der Rechtszustand zwischen dem Ausspruch über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und seiner Aufhebung im Nachhinein so zu betrachten ist, als ob er von Anfang an nicht erfolgt wäre.
II. In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gelten die Grundsätze der Amtswegigkeit und der Erforschung der materiellen Wahrheit. Das LVwG hat daher von Amts wegen vorzugehen und unabhängig vom Vorbringen und von den Anträgen der Parteien den wahren Sachverhalt durch Aufnahme der nötigen Beweise zu ermitteln. Das LVwG hat dabei vorerst eine Partei, wenn diese nicht nur ganz allgemein gehaltene, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen aufgestellt hat, zur Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens sowie zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern, die dem LVwG nach allfälligen weiteren Ermittlungen die Beurteilung des Vorbringens ermöglichen.
III. Beweisanträge bzw eine Beweisaufnahme von Amts wegen dürfen prinzipiell nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder ein Beweismittel untauglich bzw an sich nicht geeignet ist, über den erheblichen Gegenstand einen Beweis zu liefern. Solange einem Beweis die grundsätzliche Eignung, zur Feststellung des maßgebenden Sachverhalts beizutragen, nicht abgesprochen werden kann, darf von seiner Aufnahme nicht ohne Weiteres abgesehen werden.
IV. Nach § 24 VwGVG hat das LVwG auch ohne Antrag einer Verfahrenspartei eine mündliche Verhandlung von Amts wegen durchzuführen, wenn es dies für erforderlich hält. Die Abhaltung der Verhandlung steht dabei nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des LVwG.
- | Online seit - 03.05.2022
2774

Judikatursammlung

Studentenverfahren: Privatuniversität muss nach österreichischem Recht akkreditiert sein

Leitsatz des Gerichts:
Die Absolvierung eines Studiums an einer ausländischen Privatuniversität, die nicht nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften akkreditiert ist, erfüllt nicht die Voraussetzung des § 64 Abs 1 Z 2 NAG.
- | Online seit - 02.05.2022
2769

Judikatursammlung

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter

Leitsatz des Gerichts:
Die Beschwerdeführer werden durch die Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
- | Online seit - 29.04.2022
2771

Judikatursammlung

Verweigerung einer Geburtsurkunde für einen Unionsbürger mit gleichgeschlechtlichen Eltern

Leitsatz des Gerichts:
I. Das Staatsbürgerschaftsrecht ist gemäß Völkerrecht zwar Sache der Nationalstaaten, die Mitgliedstaaten der EU haben aber in Situationen, die unter das Unionsrecht fallen, in ihren diesbezüglichen Vorschriften auch dieses zu beachten.
II. Ein Unionsbürger kann sich auf das der Unionsbürgerschaft entspringende Recht auf Freizügigkeit (Art 21 Abs 1 AEUV) auch dann berufen, wenn er im Aufnahmemitgliedstaat seines unionsbürgerlichen Elternteils geboren wurde.
III. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, ihren Bürgern einen Personalausweis oder Reisepass auszustellen (Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG), dient der Erleichterung der Inanspruchnahme von deren Freizügigkeitsrecht. Diese mitgliedstaatliche Verpflichtung greift unabhängig davon, ob für den betreffenden Unionsbürger eine Geburtsurkunde ausgestellt wird oder nicht.
IV. Es zählt zu den von Art 21 Abs 1 AEUV gewährten Rechten, in den Herkunftsmitgliedstaat zurückzukehren und dort ein Familienleben durch Zusammenleben mit den Familienangehörigen zu führen (ebenso im Aufnahmemitgliedstaat). Auch die Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers sind also mit einem Dokument auszustatten, in dem sie als zur Reise mit dem Unionsbürger angeführt sind.
V. Um den genannten Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsrecht (III. und IV.) gerecht zu werden, müssen die Mitgliedstaaten auch ein Abstammungsverhältnis anerkennen, das von einem anderen Mitgliedstaat rechtmäßig festgestellt wurde, auch wenn sie es in ihrem eigenen Recht nicht vorsehen (etwa die Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares).
VI. Die Verweigerung der unter V. genannten Verpflichtung (die Elternschaft eines gleichgeschlechtlichen Paares anzuerkennen) kann ein Mitgliedstaat nicht auf Art 4 Abs 2 EUV ("nationale Identität", "öffentliche Ordnung" stützen).
VII. Die Rechtfertigung von nationalen Maßnahmen, die das Freizügigkeitsrecht zu beschränken geeignet sind, scheitert immer dann, wenn diese Maßnahmen mit der GRC unvereinbar sind.
VIII. Es ist für die rechtliche Tragweite der genannten Verpflichtungen aus dem Freizügigkeitsrecht (III. und IV.) ohne Bedeutung, wenn ein Elternteil des Unionsbürgers britischer Staatsangehöriger ist und dass Großbritannien der EU nicht mehr angehört.
- | Online seit - 28.04.2022
2770

Judikatursammlung

Neuerlich zur amtswegigen Wiederaufnahme von Aufenthaltstitelverfahren wegen Vorliegen einer Aufenthaltsehe

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Umstand bereits zuvor vorhandener, jedoch trotz durchgeführter Ermittlungen vorläufig nicht bestätigter Verdachtsmomente hinsichtlich des Eingehens einer Aufenthaltsehe steht einer späteren Wiederaufnahme wegen "Erschleichen" gestützt auf neu hervorgekommene Tatsachen nicht entgegen.
II. Die Wiederaufnahme wegen "Erschleichen" ist dann ausgeschlossen, wenn die Behörde die ihr mögliche Sachverhaltsermittlung hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe unterlässt. Die diesbezügliche Beurteilung setzt freilich voraus, dass die Partei konkret aufzeigt, inwiefern dem betreffenden Verfahren ein Ermittlungsmangel hinsichtlich des Verdachtes des Vorliegens einer Aufenthaltsehe anhaftet.
III. Im Hinblick auf § 69 AVG muss die Behörde die Wiederaufnahme nicht binnen zwei Wochen von dem Zeitpunkt an, in dem sie vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, einleiten. § 69 Abs 3 AVG bindet nämlich die Behörde ausdrücklich nur an die Bedingungen des Abs 1, sodass klar ist, dass die im Abs 2 gesetzte Fallfrist nur für die Parteien gilt, welche einen Wiederaufnahmeabspruch geltend machen wollen. Die 14-tägige subjektive Frist des § 69 Abs 2 AVG ist daher für eine von Amts wegen verfügte Wiederaufnahme ohne Bedeutung.
- | Online seit - 27.04.2022
2768

Judikatursammlung

Ausweisung eines an paranoider Schizophrenie leidenden Türken wegen Begehung einer Straftat ohne Berücksichtigung des mittlerweile eingetretenen Behandlungserfolgs

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 3 EMRK steht der Ausweisung einer schwer kranken Person nur entgegen, wenn "sehr außergewöhnliche Umstände" bestehen. Dies ist nur dann der Fall, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme aufgezeigt wurden, dass die betroffene Person, obwohl sie nicht in unmittelbarer Lebensgefahr ist, mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Empfangsstaat oder dem fehlenden Zugang zu solcher Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu werden, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt.
II. Die innerstaatlichen Behörden werden durch Art 3 EMRK dazu verpflichtet, angemessene Verfahren einzurichten, die eine Prüfung der Befürchtungen einer ausgewiesenen Person sowie eine Einschätzung der Risiken, die sie im Fall der Abschiebung in ihrem Empfangsstaat erwarten, erlauben.
III. Diese Standards gelten gleichermaßen im Hinblick auf alle schwer kranken Personen, ungeachtet dessen, ob sie an einer physischen oder einer psychischen Erkrankung leiden.
IV. Die Ausweisung des an paranoider Schizophrenie leidenden Beschwerdeführers verstößt im vorliegenden Fall nicht gegen Art 3 EMRK, weil in der Türkei eine Behandlung verfügbar ist und selbst deren Abbruch nicht zu einer schweren und unwiederbringlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands im oben beschriebenen Sinn (siehe I.) führen würde.
V. Wird die Ausweisung eines psychisch kranken Straftäters beträchtliche Zeit nach der Tatbegehung überprüft, so muss dabei eine neuerliche Interessenabwägung im Hinblick auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens vorgenommen werden. Dabei ist insb zu berücksichtigen, wie sich die mittlerweile erfolgte Behandlung ausgewirkt hat und ob trotz der dadurch erzielten Fortschritte weiterhin von einer Gefahr der Begehung weiterer Straftaten ausgegangen werden muss.
- | Online seit - 26.04.2022
2775

Judikatursammlung

Eine aktuell besonders volatile und unsichere Situation im Herkunftsland kann zur Zuerkennung des Status als subsidiär Schutzberechtigter führen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die allgemein herrschende (schlechte) Sicherheitslage kann iVm Versorgungsengpässen und willkürlichen Gewaltsituationen, unabhängig von der individuellen Lebenssituation, zu einer Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bedeuten.
II. Einer Person ist es im Fall einer derartigen Lage im Herkunftsland nicht möglich dorthin zurückzukehren, da die grundlegenden und lebensnotwendigen Bedürfnisse wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft nicht befriedigt werden können, ohne dadurch eine ausweglose bzw existenzbedrohende Situation herbeizuführen.
- | Online seit - 25.04.2022
2773

Judikatursammlung

Zur innerstaatlichen Fluchtalternative

Leitsatz des Gerichts:
I. Wird das Vorliegen einer Bedrohungssituation behauptet, ist zu prüfen, ob diese im gesamten Staatsgebiet zu befürchten ist oder ob sich eine Verfolgung nur auf einzelne Teile des Landes beschränkt und somit eine innerstaatliche Fluchtalternative vorhanden ist.
II. Im Hinblick auf eine innerstaatliche Fluchtalternative ist festzuhalten, dass es insb einer ledigen, kinderlosen und gesunden Person zumutbar und möglich sein wird, sich in einem anderen Landesteil ihres Herkunftsstaats niederzulassen und sich dort eine Existenzgrundlage zu schaffen.
- | Online seit - 22.04.2022
2772

Judikatursammlung

Suchtgiftdelinquenz und Einreiseverbot

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Verhinderung strafbarer Handlungen, insb von Suchtgiftdelikten, stellt jedenfalls schon vor dem Hintergrund der verheerenden Schäden und Folgen, zu denen der Konsum von Suchtgiften führt, ein Grundinteresse der Gesellschaft dar. Die Suchtgiftdelinquenz stellt ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar, weshalb ein großes öffentliches Interesse besteht, Vergehen und Verbrechen dieser Art hintanzuhalten.

II. Der Verkauf und die Vermittlung von Suchtgiften und damit einhergehend die Inkaufnahme einer Gesundheitsschädigung anderer Personen stellt eine besonders hohe Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
- | Online seit - 21.04.2022
2765

Judikatursammlung

Keine Rechtfertigung des Verbleibes im Bundesgebiet aufgrund medizinischer Behandlungsmöglichkeiten

Leitsatz des Gerichts:
I. Es besteht kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, selbst dann nicht, wenn man an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist.
II. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw Teilen davon gibt.
- | Online seit - 20.04.2022
2766

Judikatursammlung

Berücksichtigung der geänderten Sicherheitslage in Afghanistan im Folgeantragsverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Asylbehörden sind entsprechend der Rsp des VwGH auch dafür zuständig, Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen.
II. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen im Folgeantrag, gemessen am rechtskräftigen Erkenntnis zum erstmaligen Asylantrag, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer konkreten Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit.
- | Online seit - 19.04.2022
2746

Judikatursammlung

Bestätigung des verhängten Einreiseverbotes iZm der Verbreitung dschihadistischen Gedankenguts und Herabsetzung der Dauer

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Besitz und die Verbreitung von dschihadistischem, kriegsverherrlichendem und menschenverachtendem Gedankengut erfüllt den Tatbestand des § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 9 FPG.
II. Die Erfüllung dieses Tatbestandes rechtfertigt die Annahme, dass der Aufenthalt des Betroffenen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.
III. Bei der Bemessung des Einreiseverbotes kann in diesem Fall mit einem Ausmaß von zehn Jahren das Auslangen gefunden werden, womit einerseits Spielraum für schwerwiegendere Gefährdungen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung belassen wird und andererseits das noch junge Alter des Betroffenen berücksichtigt wird.
- | Online seit - 15.04.2022
2763

Judikatursammlung

Ungarns Gesetzgebung gegen Flüchtlingshelfer und zur Drittstaatssicherheit verstößt gegen Unionsrecht

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 33 Abs 2 RL 2013/32/EU zählt jene Konstellationen taxativ auf, in denen die Mitgliedstaaten abgesehen von den Tatbeständen der Dublin III-VO (604/2013) Asylanträge für unzulässig erklären dürfen.

II. Die Unzulässigerklärung von Asylanträgen wegen Drittstaatssicherheit (Art 33 Abs 2 lit c RL 2013/32/EU) erfordert es, dass sämtliche an einen Drittstaat gestellten Kriterien gemäß Art 38 RL 2013/32/EU kumulativ vorliegen. Der dergestalt geforderte enge Zusammenhang des Antragstellers mit dem Drittstaat ist nicht schon deshalb gegeben, weil der Antragsteller aus diesem eingereist ist.

III. Eine Strafnorm des nationalen Rechts, die Organisationstätigkeiten pönalisiert, mit welchen Personen bei der Einleitung eines Asylverfahrens unterstützt werden, die nicht im Herkunftsstaat oder einem Staat, über den sie eingereist sind, eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten haben, stellt sich als Beschränkung der in Art 8 Abs 2, 10 Abs 4, 22 Abs 1 RL 2013/32/EU statuierten Rechte (von Flüchtlingshelfern im weitesten Sinne) dar.

IV. Die genannte Beschränkung durch eine solche Strafnorm (III.) kann wegen ihres überschießend großen Kreises strafbarer Handlungen weder mit dem Regelungsziel der "Bekämpfung der Unterstützung missbräuchlicher Inanspruchnahmen des Asylverfahrens" noch mit jenem der "Bekämpfung der betrügerischen illegalen Einwanderung" gerechtfertigt werden. Sie ist sohin unionsrechtswidrig.

V. Der Vorwurf der Unionsrechtswidrigkeit einer Strafnorm strahlt auch auf eine polizeirechtliche Norm aus, welche Verstöße gegen diese Strafnorm präventiv hintanhält (im Falle der oben bei III. genannten Strafnorm durch Beschränkung der Bewegungsfreiheit von Flüchtlingshelfern im Grenzgebiet).
- | Online seit - 14.04.2022
2745

Judikatursammlung

Die Untätigkeit der Behörde bewirkt die Unverhältnismäßigkeit einer neuerlichen Schubhaft

Leitsatz des Gerichts:
Die neuerliche Verhängung von Schubhaft ist unverhältnismäßig, wenn die Behörde in Hinblick auf die Durchführbarkeit der Abschiebung untätig bleibt, um diese innerhalb der (verbleibenden) Schubhafthöchstdauer auch tatsächlich durchführen zu können.
- | Online seit - 13.04.2022
2764

Judikatursammlung

Unterlassung der Rechtsmittelerhebung als Sorgfaltspflichtverletzung bei aufrechter Bevollmächtigung der Rechtsberatung

Leitsatz des Gerichts:
Die unterlassene Rechtsmittelerhebung trotz aufrechter Bevollmächtigung zur Beschwerdeerhebung lässt eine auffallende Sorglosigkeit des Rechtsberaters erblicken, zumal es schon von Gesetzes wegen eine zentrale Aufgabe eines Rechtsberaters darstellt, seine Klienten hinsichtlich ihrer Erfolgsaussichten im Verfahren vor dem BVwG zu beraten und Rechtsmittel zu erheben.
- | Online seit - 12.04.2022
2762

Judikatursammlung

Anforderungen des Unionsrechts an die Folgeantragsprüfung und die Bestandskraft

Leitsatz des Gerichts:
I. Ergibt die Prüfung des im Folgeantrag erstatteten Vorbringens, dass neue Elemente oder Erkenntnisse zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind, die erheblich zu der Wahrscheinlichkeit beitragen, dass der Antragsteller nach Maßgabe der Richtlinie 2011/95/EU als Person mit Anspruch auf internationalen Schutz anzuerkennen ist, ist die Zurückweisung eines Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache im Hinblick auf die im österreichischen Recht nicht korrekt erfolgte Umsetzung von Unionsrecht nicht statthaft.

II. Dies gilt im Besonderen auch dann, wenn das Vorbringen schon in einem früheren Verfahren hätte erstattet werden können und den Antragsteller ein Verschulden daran trifft, den fraglichen Sachverhalt nicht schon im früheren Verfahren geltend gemacht zu haben.
- | Online seit - 11.04.2022
2760

Judikatursammlung

Unrechtmäßiger (langjähriger) Aufenthalt berechtigt bei Gesamtbetrachtung einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK

Leitsatz des Gerichts:
I. Das persönliche Interesse an einem Verbleib im Bundesgebiet aus Gründen des Art 8 EMRK ist in einer Gesamtbetrachtung zu beurteilen.

II. Ein langjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet kann die Basis für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 AsylG darstellen, auch wenn er unrechtmäßig war.
- | Online seit - 08.04.2022
2759

Judikatursammlung

Analoge Anwendung von § 16 Abs 4 BFA-VG auf alle Beschwerden gegen Rückkehrentscheidungen ohne aufschiebende Wirkung

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Erlassung eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG und eine darauf gestützte Festnahme gemäß § 40 Abs 1 Z 1 BFA-VG muss im Zeitpunkt der Erlassung des Festnahmeauftrags eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung iSd Achten Hauptstücks des FPG vorliegen.

II. § 16 Abs 4 BFA-VG (keine Durchführbarkeit bis Ablauf des siebenten Tages seit Beschwerdevorlage) ist per analogiam auf alle Rückkehrentscheidungen anwendbar, bei denen das BFA gemäß § 18 Abs 1–3 BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt hat. Dies bedeutet, dass mit einer Abschiebung bei Nicht-Erhebung einer Bescheidbeschwerde bis zum Ablauf der Beschwerdefrist zuzuwarten ist. Wird eine Bescheidbeschwerde erhoben, ist eine Abschiebung ab Ablauf des siebenten Tages ab Beschwerdevorlage vor dem BVwG zulässig, wenn das Gericht bis dahin nicht die aufschiebende Wirkung zuerkannt hat.
- | Online seit - 07.04.2022
2761

Judikatursammlung

Fünf-Jahresfrist für Daueraufenthaltskarte setzt unionsrechtliches Aufenthaltsrecht voraus

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach den Erläuterungen (RV 330 BlgNR 24. GP 52) wird mit § 54a Abs 1 NAG Art 16 Abs 2 und 3 der RL 2004/38/EG (Unionsbürger-RL) umgesetzt.

II. Da mit einer Daueraufenthaltskarte kein konstitutiver Aufenthaltstitel erteilt, sondern ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht dokumentiert wird, ist die entsprechende Bestimmung in § 54a NAG jedenfalls in Einklang mit dem zugrundeliegenden Art 16 Abs 2 und 3 der Unionsbürger-RL auszulegen. Daran vermag die Regelung des Art 37 der RL nichts zu ändern, weil mit § 54a NAG eben kein (allenfalls günstigerer) nationaler Aufenthaltstitel geschaffen, sondern für die Dokumentation des kraft Unionsrechtes bestehenden Aufenthaltsrechtes Vorsorge getroffen wird.

III. Hat sich ein Unionsbürger allein auf der Grundlage des nationalen Rechtes mehr als fünf Jahre im Aufnahmemitgliedstaat aufgehalten, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er nach Art 16 Abs 1 der Unionsbürger-RL das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat (vgl EuGH 2.5.2018, C-331/16 und C-366/16, K ua, Rn 74, mwN).

IV. Ein im Einklang mit dem Recht eines Mitgliedstaates stehender Aufenthalt, der jedoch nicht die Voraussetzungen des Art 7 Abs 1 der Unionsbürger-RL erfüllt, kann nicht als "rechtmäßiger" Aufenthalt iSv Art 16 Abs 1 dieser RL angesehen werden (vgl EuGH 21.12.2011, C-424/10 und C-425/10, Ziolkowski ua, Rn 47).

V. Auch iZm dem Erwerb des Rechtes auf Daueraufenthalt durch Familienangehörige eines Unionsbürgers nach Art 16 Abs 2 der Unionsbürger-RL können nur Aufenthaltszeiten, die die in der RL genannten Voraussetzungen erfüllen, berücksichtigt werden (siehe EuGH 10.7.2014, C-244/13, Ogieriakhi, Rn 31, mwN). Ausgehend davon kann aber auch als rechtmäßiger Aufenthalt iSd (den Art 16 Abs 2 der Unionsbürger-RL umsetzenden) § 54a Abs 1 NAG nur ein den Vorgaben dieser RL entsprechender Aufenthalt angesehen werden.

VI. Nach § 52 Abs 1 Z 4 NAG kommt einem (sonstigen, somit nicht eingetragenen) Lebenspartner nur dann ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu, wenn es sich um einen EWR-Bürger handelt (vgl dazu auch RV 952 BlgNR 22. GP 141 f).
- | Online seit - 06.04.2022
2757

Judikatursammlung

Keine Verletzung des Kindeswohls bei Kontaktmöglichkeit aus dem Herkunftsstaat

Leitsatz des Gerichts:
I. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme stellt keine Verletzung des Kindeswohls dar, wenn dem Beschwerdeführer auch aus dem Herkunftsstaat heraus im Wege moderner Kommunikationsmittel der Kontakt zu seinen Kindern möglich ist.

II. Der Beschwerdeführer hat eine Trennung von seinen Kindern durch die wiederholte Begehung von mit nicht unerheblichen Freiheitsstrafen bedrohten Vermögensdelikten bewusst in Kauf genommen.

III. Das Gewicht eines seit einer bereits rechtskräftigen negativen Entscheidung entstandenen Privatlebens wird bei der Interessenabwägung schon dadurch gemindert, dass sich der Beschwerdeführer nicht darauf verlassen konnte, sein Leben auch nach Beendigung des Asylverfahrens in Österreich fortzuführen, sich also zum Zeitpunkt, in dem das Privatleben entstanden ist, des unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein hätte müssen.

IV. Der Umstand, dass die medizinischen Behandlungsmöglichkeiten im Zielland schlechter sind als im Aufenthaltsland und allfälligerweise "erhebliche Kosten" verursachen, ist nicht ausschlaggebend. Dass notwendige Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gegeben sind, ist jedenfalls ausreichend.

V. Dass sich der Gesundheitszustand durch die Abschiebung verschlechtert ("mentaler Stress" ist nicht entscheidend), ist vom Antragsteller konkret nachzuweisen, bloße Spekulationen über die Möglichkeit sind nicht ausreichend.

VI. Auch Selbstmordabsichten hindern eine Abschiebung für sich genommen nicht.
- | Online seit - 05.04.2022