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2694

Judikatursammlung

Lehrvertrag begründet keinen Anspruch auf Aufenthaltstitel

Leitsatz des Gerichts:
I. Aus dem Vorliegen einer Beschäftigungsbewilligung oder eines aufrechten Lehrvertrages ergibt sich für sich genommen kein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG.

II. Die Gefährdung eines Drittstaatsangehörigen in seinem Herkunftsstaat ist im Rahmen des Asylverfahrens bzw iZm der Zulässigkeit einer Abschiebung zu prüfen. Es ist nicht zu beanstanden, wenn das LVwG einem diesbezüglichen Vorbringen des Fremden im Rahmen der von ihm durchgeführten Interessenabwägung im Verfahren betreffend Aufenthaltsbewilligung kein entscheidendes Gewicht beigemessen hat.

III. Soweit der Fremde auf die fehlende Rechtsgrundlage für eine Antragstellung in einem Drittland verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass § 21 Abs 1 NAG auf die örtlich zuständige Berufsvertretungsbehörde abstellt (siehe dazu § 5 Abs 1 NAG sowie Anlage 1 zur Konsularverordnung).
- | Online seit - 10.01.2022
2693

Judikatursammlung

Sämtliche Erteilungsvoraussetzungen vor Aufenthaltstitelerteilung vom LVwG zu prüfen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die - durch eine schriftliche Aufnahmebestätigung beurkundete - aufrechte Zulassung an einer in Betracht kommenden Schule oder nichtschulischen Bildungseinrichtung ist - ausgenommen im Falle des Pflichtschulbesuches - als eine (besondere) Erteilungsvoraussetzung für die Aufenthaltsbewilligung "Schüler" anzusehen, deren Nichterfüllung zur Abweisung des Antrages führt.

II. Das LVwG hat vor Erteilung eines Aufenthaltstitels das Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen, nicht nur jener, die im behördlichen Verfahren als nicht vorliegend erachtet worden sind.

III. Hat das LVwG im Verfahren betreffend Erteilung eines Aufenthaltstitels die gebotene Prüfung sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen unterlassen, so ist dieser Fehler (bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen) als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Revisionsverfahren aufzugreifen. Dem steht auch das Neuerungsverbot nicht entgegen, stellt doch die Frage, ob in der vorgelegten "Inskriptionsbestätigung" eine aufrechte Bestätigung über die Aufnahme als Schüler zu erblicken ist, keine (bloße) Tatsachenfrage, sondern letztlich eine Frage der rechtlichen Würdigung eines von Anfang an durch die vorgelegte Urkunde bekannten Sachverhaltes dar.
- | Online seit - 22.12.2021
2691

Judikatursammlung

Zum Nachweis einer ortsüblichen Unterkunft

Leitsatz des Gerichts:
I. Es obliegt dem Fremden, initiativ und untermauert durch entsprechende Bescheinigungsmittel einen Rechtsanspruch auf eine ortsübliche Unterkunft nachzuweisen.

II. Die Auffassung, dass eine Unterkunft mit einer Nutzfläche von insgesamt ca 22 qm bei einer Belegung mit einem Ehepaar, zwei minderjährigen Kindern und einer weiteren erwachsenen Person nicht als ortsüblich (für eine vergleichbar große Familie) angesehen werden kann, ist nicht zu beanstanden.

III. Eine zwischen zwei Parteien abgeschlossene Wohnrechtsvereinbarung mit wechselseitig verbindlichen Rechten und Pflichten, also ein zweiseitig verbindlicher Vertrag, der eine gerichtliche Kündigung unter Einhaltung einer einmonatigen Kündigungsfrist nur aus wichtigen Gründen vorsieht, ist nicht vergleichbar mit einer bloßen Unterkunftsbestätigung.

IV. Eine in vertretbarer Weise vorgenommene einzelfallbezogene Auslegung von Parteierklärungen kann nicht erfolgreich mit Revision bekämpft werden bzw kommt ihr keine über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu. Dem LVwG kann nicht entgegengetreten werden, wenn es hinsichtlich der Unterkunftsbestätigung (ua) auf die - vorliegend nicht nachgewiesene - Durchsetzbarkeit des Rechtsanspruchs abgestellt hat.

V. Die in § 7 Abs 1 Z 5 NAG-DV enthaltene - wenn auch nur demonstrative - Aufzählung von möglichen Nachweismitteln liefert Anhaltspunkte für die an einen derartigen Nachweis iSd § 11 Abs 2 Z 2 NAG zu stellenden Anforderungen; eine Vergleichbarkeit einer bloßen Unterkunftsbestätigung mit den dort genannten Nachweismitteln ist nicht zu erkennen.
- | Online seit - 21.12.2021
2690

Judikatursammlung

Gleichheitskonformität des Art 13 Abs 2 RL 2004/38/EG (Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts drittstaatsangehöriger Ehegatten oder eingetragener Partner von Unionsbürgern nach Scheidung)

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts des drittstaatsangehörigen Ehegatten oder eingetragenen Partners eines Unionsbürgers gemäß Art 13 Abs 2 UAbs 1 lit c RL 2004/38/EG ist es nicht erforderlich, dass das gerichtliche Scheidungsverfahren noch vor dem Wegzug des Unionsbürgers aus dem Aufnahmemitgliedstaat angestrengt wird. Wohl aber muss sich der von häuslicher Gewalt bedrohte drittstaatsangehörige Ehegatte oder eingetragene Partner binnen einer angemessenen Frist entscheiden, ob er die Scheidung beantragt (und in der Folge das auf Art 13 Abs 2 UAbs 1 lit c RL 2004/38/EG gestützte fortgesetzte Aufenthaltsrecht) oder ob er dem Unionsbürger nachzieht (um sein von diesem abgeleitetes Aufenthaltsrecht als Angehöriger aufrechtzuerhalten). Ein Zeitraum von drei Jahren seit dem Wegzug des Unionsbürgers stellt keine solcherart angemessene Frist mehr dar.

II. Art 21 GRC entspricht Art 18 AEUV und ist wie dieser auf Ungleichbehandlungen zwischen Drittstaatsangehörigen untereinander nicht anwendbar.

III. Dass für ein fortgesetztes Aufenthaltsrecht gemäß Art 15 Abs 3 RL 2003/86/EG keine hinreichenden Existenzmittel gefordert werden, für ein solches gemäß Art 13 Abs 2 RL 2004/38/EG aber schon, ist mit Blick auf Art 20 GRC nicht zu beanstanden. Denn eine umfassende Gleichheitsprüfung ergibt, dass sich die jeweils erfassten Drittstaatsangehörigen nicht in vergleichbaren Situationen befinden.

IV. Art 13 Abs 2 RL 2004/38/EG erweist sich im Ergebnis als primärrechtskonform.
- | Online seit - 20.12.2021
2689

Judikatursammlung

Zur Unterhaltsberechnung: Spekulationen über Herkunft und Verfügbarkeit von Sparguthaben genügen nicht

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach der VwGH-Rsp kann der Unterhalt grundsätzlich auch durch ein Sparguthaben gedeckt werden, wobei solche Guthaben nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen. Allerdings reichen weder die unbekannte Herkunft des Geldes noch von der Behörde geäußerte Bedenken hinsichtlich der Verfügbarkeit dieser Mittel aus, diesen Beträgen die Eigenschaft abzusprechen, zum Unterhalt des Fremden herangezogen werden zu können.

II. Die Unterschreitung des vorgegebenen Mindesteinkommens darf iSd EuGH-Rsp nicht ohne konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben.
- | Online seit - 16.12.2021
2688

Judikatursammlung

Strenge Formalerfordernisse eines Mitwirkungsbescheids

Leitsatz des Gerichts:
I. Es wird den strengen Formalerfordernissen – insb Angabe von Ort und Zeit der Amtshandlung in einem Mitwirkungsbescheid – auch dann nicht entsprochen, wenn aus dem Bescheid klar hervorgeht, dass der konkrete Termin und der Ort für eine PCR-Testung erst von der Sanitätsstelle festgelegt werden.

II. Geht aus einer Ladung (zB aus einem Mitwirkungsbescheid) der Termin nicht eindeutig und widerspruchsfrei hervor, so kann die Nichtbefolgung der Ladung nicht Grundlage einer zwangsweisen Vorführung sein. Aufgrund des weitreichenden Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte wird bei einer zwangsweisen Vorführung den formalen Erfordernissen ein besonderes Gewicht verliehen. Diesen wird jedenfalls nicht entsprochen, wenn die Ladung vorsieht, dass der Termin und Ort einer Amtshandlung erst zu bestimmen sind.

III. Der Umstand, dass der konkrete Termin erst von der Sanitätsstelle vorzugeben ist, entspricht nicht den formalen Voraussetzungen eines Mitwirkungsbescheids (iSd § 19 Abs 2 AVG), da damit nicht zum Ausdruck gebracht wird, wann und wo die betroffene Person zu erscheinen hat.
- | Online seit - 15.12.2021
2686

Judikatursammlung

Zur Interessenabwägung bei Familienzusammenführung mit österreichischem Ehepartner und gemeinsamem Kleinkind

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach stRsp kommt der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zu. In einem solchen Fall müssen nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Fremden und seines Ehepartners sowie zur Möglichkeit der Führung eines Familienlebens außerhalb Österreichs getroffen werden.

II. Bei der Berücksichtigung des Kindeswohls im Rahmen der Interessenabwägung ist auf die Beziehungen des Fremden zu seinem Kind und auch auf konkret absehbare zukünftige Entwicklungen Bedacht zu nehmen.

III. Für die Beurteilung der Auswirkungen der Abweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 47 Abs 2 NAG auf das Familienleben des Fremden insb mit seinem Kind bzw auf dessen Kindeswohl genügt der Hinweis auf die besonders starke Mutter-Kind-Bindung nicht.

IV. Die Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels moderner Kommunikationsmittel mit einem Kleinkind ist kaum möglich. Dem Vater eines Kindes (und umgekehrt) kommt grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zu.

V. Dem Gewicht der Bindungen zu einem österreichischen Staatsbürger kann nicht allein mit dem Vorhalt eines unsicheren Aufenthaltsstatus begegnet werden.

VI. Eine Trennung von einem österreichischen Ehepartner ist nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme der aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug".
- | Online seit - 14.12.2021
2687

Judikatursammlung

Aufenthaltsberechtigung der drittstaatsangehörigen Mutter kraft Unionsbürgerschaft des Kindes

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Unionsbürger darf auf Grund des Stellenwertes der Unionsbürgerschaft (Art 20 ff AEUV) nicht durch aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegenüber nahen Angehörigen faktisch zum Verlassen des Unionsgebietes gezwungen werden.

II. Bei einem besonderen Abhängigkeitsverhältnis ist es geboten, dem drittstaatsangehörigen Elternteil eines minderjährigen Unionsbürgers schon kraft Art 21 AEUV einen Aufenthaltstitel zu gewähren.

III. Für die Beurteilung dieses Abhängigkeitsverhältnisses ist beim Verhältnis eines Neugeborenen zu dessen Mutter neben der wirtschaftlichen gerade auch die biologische Komponente verstärkt zu berücksichtigen.

IV. Bei Bestehen eines derartigen Abhängigkeitsverhältnisses ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegenüber dem drittstaatsangehörigen Elternteil auf Dauer für unzulässig zu erklären (§ 9 Abs 3 BFA-VG) und diesem amtswegig ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK (§ 55 AsylG) zu erteilen.
- | Online seit - 13.12.2021
2683

Judikatursammlung

Überschreitung der visumfreien Aufenthaltsdauer in Zeiten von COVID-19

Leitsatz des Gerichts:
I. § 11 Abs 1 Z 5 NAG enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Versagungsgrund nur bei schuldhaftem Verhalten erfüllt wäre.

II. Mit den Verordnungen des Gesundheitsministers im Zuge der COVID-19-Pandemie wurden keine allgemeinen "Ausreisebeschränkungen" erlassen.

III. Art 7 Abs 4 der RL (EU) 2016/801 enthält weder eine Regelung darüber, unter welchen Umständen ein Aufenthalt rechtmäßig ist, noch dazu, was rechtens ist, wenn ein Aufenthaltsrecht ausläuft, bevor über den Antrag entschieden wurde. Da eine günstigere Regelung, die eine Inlandsantragstellung auch zulässt, wenn der Drittstaatsangehörige über kein langfristiges Aufenthaltsrecht verfügt, im Einklang mit dem nationalen Recht stehen muss, ist es systemkonform, auch die Rechtsfolgen bei Wegfall des kurzfristigen Aufenthaltsrechts nach der nationalen Rechtslage zu beurteilen. Dies kann die Verpflichtung, bei Ablauf des (kurzfristigen) Aufenthaltsrechts das Bundesgebiet zu verlassen, um nicht einen Versagungstatbestand zu verwirklichen, sein.

IV. Eine Verpflichtung der Behörde, über einen Erstantrag innerhalb eines erlaubten visumfreien Aufenthaltes zu entscheiden, ist dem NAG nicht zu entnehmen.
- | Online seit - 10.12.2021
2684

Judikatursammlung

Reichweite des Verbots neuen Tatsachenvorbringens vor dem BVwG, Lage Homosexueller im Irak und Aufwandersatz

Leitsatz des Gerichts:
I. Homosexuellen drohen im Irak asylrelevante Verfolgungshandlungen iSd § 3 Abs 1 AsylG durch staatliche wie private Akteure; diese können bis zur Tötung reichen.

II. Das grundsätzliche Neuerungsverbot im Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß § 20 Abs 1 BFA-VG ist in doppelter Hinsicht einschränkend auszulegen: Zum einen ist es auf rechtsmissbräuchliches neues Tatsachenvorbringen zu beschränken. Zum anderen kann neues Tatsachenvorbringen entgegen dem Wortlaut ("in einer Beschwerde") unter der erstgenannten Voraussetzung selbst im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung noch erstattet werden.

III. Es besteht in Ermangelung einer materienspezifischen Rechtsgrundlage iSd § 74 Abs 2 AVG kein Anspruch auf Kostenersatz im Bescheidbeschwerdeverfahren in Asylsachen (§ 35 VwGVG bezieht sich nur auf Maßnahmenbeschwerden iSd Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG). Darauf gerichtete Anbringen sind als unzulässig zurückzuweisen.
- | Online seit - 09.12.2021
2682

Judikatursammlung

Universitätsbetrieb während Pandemie keineswegs eingestellt

Leitsatz des Gerichts:
I. Maßnahmen, die iZm der COVID-19-Pandemie gesetzt werden, können grundsätzlich geeignet sein, einen Grund iSd § 64 Abs 2 letzter Satz NAG darzustellen. Es ist jedoch jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob die Hinderungsgründe tatsächlich der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind und auch entsprechend nachgewiesen werden.

II. Die Universitäten hatten keineswegs bis Juni 2020 "ihren Betrieb ... einzustellen". Vielmehr wurden mit der Verordnung über studienrechtliche Sondervorschriften an Universitäten und Pädagogischen Hochschulen aufgrund von COVID-19 (COVID-19-Universitäts- und Hochschulverordnung - C-UHV), BGBl II 171/2020, die am 23.4.2020 in Kraft trat, diverse Sondervorschriften ua auch für Lehrveranstaltungen und Prüfungen (siehe § 10 C-UHV) erlassen.
- | Online seit - 07.12.2021
2681

Judikatursammlung

Verfahrenswiederaufnahme wegen Aufenthaltsehe

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Verfahrensfehler, der ein "Erschleichen" ausschließen würde, kann nicht darin gesehen werden, dass die belangte Behörde nicht schon allein aufgrund der Scheidung des Revisionswerbers im Jahr 2016, sondern erst aufgrund des durch die Antragstellung im Jänner 2018 neu hervorgekommenen, vom Revisionswerber in seinen Aufenthaltstitelverfahren nicht offengelegten Umstandes, dass er mit seiner nunmehrigen Ehefrau bereits sechs gemeinsame Kinder hat, Erhebungen nach § 37 Abs 4 NAG veranlasst hat.

II. Durch die RL 2003/109/EG ist weder eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausgeschlossen, noch sind generell aus unionsrechtlicher Sicht Bedenken dagegen ersichtlich, dass ein Rechtsmissbrauch durch Eingehen einer Scheinehe verhindert werden soll.
- | Online seit - 06.12.2021
2680

Judikatursammlung

Kein dauerhaft schlechter Gesundheitszustand bei empfohlener "Kontrolle in 2 Jahren"

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Hinblick auf den unterschiedlichen Wortlaut, die divergierenden Anforderungen an die zu erfüllenden Module sowie den unterschiedlichen Berechtigungsumfang der Aufenthaltstitel, für den die Regelungen des § 9 bzw § 10 IntG getroffen wurden, ist davon auszugehen, dass auch die Anforderungen an das Vorliegen des jeweiligen Ausnahmetatbestandes in § 9 Abs 5 Z 2 und § 10 Abs 3 Z 2 IntG deutlich voneinander abzugrenzen sind.

II. § 9 Abs 2 IntG zufolge kann der für die Pflicht zur Erfüllung des Moduls 1 grundsätzlich zur Verfügung stehende Zeitraum von zwei Jahren unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen um bis zu zwölf Monate verlängert werden. Daraus ergibt sich, dass ein (von vornherein) auf kurze Dauer begrenzter bzw bloß vorübergehender Verhinderungsgrund, der auch gesundheitlicher Natur sein kann, keinen Anwendungsfall des § 9 Abs 5 Z 2 IntG darstellt, sondern diesfalls mit einem Verlängerungsantrag nach § 9 Abs 2 IntG vorzugehen wäre.

III. Wenn bereits der in § 9 Abs 5 Z 2 IntG angesprochene Gesundheitszustand eine gewisse (zeitliche) Nachhaltigkeit erfordert, dann ist die in § 10 Abs 3 Z 2 IntG vorgesehene Dauerhaftigkeit des schlechten Gesundheitszustandes nicht dahingehend zu verstehen, dass sie bereits bei Vorliegen des Gesundheitszustandes für (wie hier) zwei Jahre anzunehmen ist, sondern dass der die Unzumutbarkeit begründende Zustand - mangels Erwartbarkeit einer Verbesserung - auf Dauer bestehen bleibt.

IV. Es ist nicht maßgeblich, dass das amtsärztliche Gutachten keine positive Prognose (in dem Sinn, dass eine Verbesserung des Zustandes jedenfalls zu erwarten sein wird) enthält, sondern dass durch die Empfehlung einer Kontrolle in zwei Jahren gerade keine Dauerhaftigkeit des derzeit bestehenden Gesundheitszustandes bestätigt wird.
- | Online seit - 02.12.2021
2679

Judikatursammlung

Asylgewährung nach Konversion eines afghanischen Staatsangehörigen zum Bahaitum in Österreich

Leitsatz des Gerichts:
I. Es ist niemandem zumutbar, seine religiöse Überzeugung im Herkunftsstaat auf ein "forum internum" zu beschränken, diese also nicht auch außenwirksam zu leben.

II. Konvertiten zum Bahaitum (einer in Österreich staatlich eingetragenen religiösen Bekenntnisgemeinschaft) drohen wegen Blasphemie in Afghanistan asylrelevante Verfolgungshandlungen iSd § 3 Abs 1 AsylG in Form von Misshandlungen durch private Akteure, wobei kein wirksamer staatlicher Schutz besteht.

III. Eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG für afghanische Antragsteller, die von derartigen (II) Verfolgungshandlungen bedroht sind, existiert nicht.

IV. Den Richt- bzw Leitlinien des UNHCR und des EASO zur Lage im Herkunftsstaat kommt kraft Unionsrechts eine Indizwirkung vor den mitgliedstaatlichen Asylbehörden und -gerichten zu. Dies bedeutet nicht, dass sie diese Enunziationen unreflektiert ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde zu legen haben, jedoch müssen sie sich eingehend damit auseinandersetzen und gegebenenfalls begründet darlegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte sie zu einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat gekommen sind.
- | Online seit - 01.12.2021
2678

Judikatursammlung

Rechtmäßige Anhaltung in Schubhaft bei fehlender sozialer Verankerung

Leitsatz des Gerichts:
I. Die fehlende Ausreisewilligkeit einer Person vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Der aktuelle Sicherungsbedarf hat in weiteren Umständen begründet zu sein, insb in einer mangelnden sozialen Verankerung im Bundesgebiet. Dafür kommt etwa das Fehlen substanzieller familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte in Österreich in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens der betroffenen Person, rechtfertigen kann.

II. Ist während des Zulassungsverfahrens der Aufenthalt der betroffenen Person aufgrund fehlender Meldung teilweise unklar und wird nach erfolgter Meldung durch den (vermeintlichen) Vermieter bzw dessen Ehefrau das tatsächliche Wohnen der betroffenen Person an der Meldeadresse verneint, so kann nicht von einem gesicherten Wohnsitz ausgegangen werden, was eine fehlende soziale Verankerung nahelegt.
- | Online seit - 30.11.2021
2677

Judikatursammlung

Krankheitsbedingter Auslandsaufenthalt einer zusammenführenden EU-Bürgerin

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Behörde bzw das LVwG hat sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie ein krankheitsbedingter Auslandsaufenthalt der Zusammenführenden in Hinblick auf die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für deren Angehörige zu beurteilen ist.

II. Die der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegten Argumente, dass sich die zusammenführende Ehefrau "aktuell" in Rumänien aufhalte, im Zentralen Melderegister für sie keine aufrechte Wohnsitzmeldung vorliege und keine Anmeldebescheinigung vorgelegt worden sei, sind nicht tragfähig für die Versagung einer Aufenthaltskarte.

III. Für eine Verneinung der Voraussetzungen für das Vorliegen eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts der Ehefrau des Revisionswerbers gemäß § 51 Abs 1 NAG greift das Argument, dass die Zusammenführende über keine Versicherungszeiten in Österreich verfügt, zu kurz.

IV. Trifft es zu, dass - wie der Revisionswerber vorbringt - seine Ehefrau zwischen den spitalsärztlichen Behandlungen in Rumänien wiederholt bei ihm in Wien aufhältig war und weiterhin den gemeinsamen ehelichen Wohnsitz in Wien aufrechterhalten möchte, kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügt.

- | Online seit - 29.11.2021
2676

Judikatursammlung

Neuerlich zu Stellvertreterehen iVm dem ordre public-Vorbehalt

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine Anwesenheit bei der Eheschließung "über WhatsApp" kann keinesfalls als persönliche Anwesenheit iSd § 17 Abs 1 EheG angesehen werden. Der VwGH hat allerdings bereits ausgesprochen, dass in Fällen, in denen die im fremden Recht normierten Formerfordernisse erfüllt wurden, gemäß § 16 Abs 2 IPRG grundsätzlich von einer zulässigen Form der Eheschließung auszugehen ist und dass die Personalstatute unbeachtlich sind, wenn die Ortsform erfüllt ist.

II. IZm der Vorbehaltsklausel ist einerseits das Verhältnis der (fiktiven) Anwendung des kollisionsrechtlich berufenen Rechts im konkreten Fall zu Grundwertungen des österreichischen Rechts, andererseits das Ausmaß der Inlandsbeziehung zu prüfen. Die beiden Elemente bilden ein bewegliches System. Je stärker der Inlandsbezug, umso geringere Abweichungen vom österreichischen Recht können einen Verstoß gegen den ordre public begründen, und umgekehrt.

III. Wird eine Familienzusammenführung mit dem in Österreich lebenden Ehegatten angestrebt und somit das Ziel verfolgt, dauerhaft in Österreich zu leben, ist die Intensität der Inlandsbeziehung als hoch einzustufen.

IV. Dem Umstand, dass bei einer Stellvertreterehe keine Vertretung im Willen vorlag, ist für die Frage des Vorliegens eines Verstoßes gegen den ordre public Bedeutung zuzumessen.

V. Der VwGH vermag sich der Einschätzung, wonach eine Eheschließung im Wege der Stellvertretung - auch wenn keine Stellvertretung im Willen vorlag - dann, wenn zuvor kein persönlicher oder körperlicher Kontakt bestanden hat, jedenfalls den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspricht, nicht anzuschließen. Auch wenn ein Kontakt mit Mitteln der Telekommunikation nicht mit einer körperlichen Anwesenheit gleichgesetzt werden kann, bedeutet das umgekehrt nicht, dass eine Auseinandersetzung mit einem diesbezüglichen Vorbringen (etwa einer Einschätzung der Glaubwürdigkeit sowie der Intensität des derart gepflegten Kontakts) bzw eine Bewertung im Hinblick auf die angenommenen Zweifel am freien Ehewillen unterbleiben kann. Aus dem Umstand, dass der VwGH in anderen Konstellationen die einzelfallbezogene Beurteilung, wonach eine dort erfolgte "Ferntrauung" als ordre public-widrig erachtet worden war, als vertretbar angesehen hat, kann nicht geschlossen werden, dass einem Vorbringen wie dem hier gegenständlichen keine Maßgeblichkeit für die Beurteilung zukommen kann.


- | Online seit - 25.11.2021
2675

Judikatursammlung

Neuerlich zur Unterhaltsberechnung

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Unterhaltsberechnung ist der zum Entscheidungszeitpunkt geltende ASVG-Richtsatz heranzuziehen.

II. Nach stRsp ist die Familienbeihilfe bei der Prüfung des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel nicht zu berücksichtigen.

III. Das einmalige Erreichen der Richtsätze in der Vergangenheit ist kein geeigneter Nachweis dafür, dass der Aufenthalt des Fremden während der Dauer des beantragten Aufenthaltstitels zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, sofern nicht im Rahmen einer individuellen Prüfung Umstände festgestellt werden, aufgrund derer künftig von einer Änderung der Einkommensverhältnisse auszugehen ist.

IV. Ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreiten der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist, ist nur nach Durchführung einer individuellen Prüfung zu beantworten.

- | Online seit - 24.11.2021
2674

Judikatursammlung

Änderung der Unterbringung von Adressaten von Dublin-Überstellungsentscheidungen auch während eines anhängigen Rechtsbehelfsverfahrens?

Leitsatz des Gerichts:
I. Aus Art 27 Abs 3 lit c Dublin III-VO ist abzuleiten, dass die Mitgliedstaaten einem Rechtsbehelf gegen Dublin-Überstellungsentscheidungen nicht ex lege die aufschiebende Wirkung zuerkennen müssen, sondern für diese auch ein Antragserfordernis statuieren dürfen.

II. Die in Art 27 Dublin III-VO verankerte Garantie eines effektiven Rechtsbehelfs gegen Dublin-Überstellungsentscheidungen iSd Art 26 Abs 1 Dublin III-VO verbietet es den Mitgliedstaaten nicht, während dessen Anhängigkeit vorbereitende Maßnahmen für die Überstellung zu treffen. So kann der Adressat einer solchen Entscheidung bereits vor der Entscheidung über den Rechtsbehelf in eine geeignete Unterbringungseinrichtung verlegt werden.

III. Auch Art 18 Abs 6 RL 2013/33/EU steht derartigen Änderungen der Unterbringung nicht entgegen.
- | Online seit - 23.11.2021
2673

Judikatursammlung

Zur Reichweite der Manuduktionspflicht iZm Studienerfolgsnachweisen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Manuduktionspflicht nach § 13a AVG verlangt keine Beratung der Verfahrensparteien in materiellrechtlicher Hinsicht durch das LVwG. Auch unvertretenen Personen sind nur die zur Vornahme ihrer Verfahrenshandlungen nötigen Anleitungen zu geben, sie sind aber nicht in materieller Hinsicht zu beraten und nicht anzuleiten, welche für ihren Standpunkt günstigen Behauptungen sie aufzustellen bzw mit welchen Anträgen sie vorzugehen haben. Vorliegend wäre eine Manuduktion der Revisionswerberin dahingehend, dass sie den Erfolgsnachweis nicht nur durch rezente Prüfungserfolge im maßgeblichen Studienjahr, sondern auch durch die mögliche Anerkennung von Prüfungen aus früher absolvierten Studien erbringen könne, als eine solche materiellrechtliche Beratung und Anleitung zu erachten, zu der die Behörde bzw das LVwG nicht verhalten ist.

II. Die Anleitungs- und Belehrungspflicht gemäß § 13a AVG bezieht sich nur auf anhängige Verfahren und umfasst von vornherein keine Rechtshandlungen außerhalb des betreffenden Verfahrens. Eine vorauseilende Erörterung allfälliger künftiger in einem weiteren Verfahren auftretender Rechtsfragen (wie hier der möglichen Erbringung des Erfolgsnachweises durch Anerkennung von Prüfungen aus früher abgelegten Studien in einem künftigen Verlängerungsverfahren) ist davon jedenfalls nicht umfasst.

III. Für die zeitliche Zuordnung einer anerkannten Prüfung ist auf das Datum der Anerkennung abzustellen, zumal diese als Prüfungsantritt und positive Beurteilung in dem Studium gilt, für das die Anerkennung erfolgte.
- | Online seit - 22.11.2021