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2922

Judikatursammlung

Zur Unzulässigkeit eines Folgeantrags wegen res iudicata

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Frage, ob der Sachverhalt keine maßgebliche Änderung enthält, sodass sich ein Antrag aus dem Blickwinkel der entschiedenen Sache als unzulässig präsentiert, ist nicht allein auf den Inhalt des Vorbringens abzustellen. Vielmehr ist zu prüfen, ob dem Vorbringen ein "glaubhafter Kern", welchem Relevanz zukommt, innewohnt.

II. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht weiter zu prüfen, wenn über einen inhaltsgleichen Antrag bereits entschieden wurde und keine neuen Elemente vorliegen oder die neuen Elemente ohnehin nicht geeignet sind, dass der antragstellenden Person mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein Schutzstatus zuerkannt wird.
- | Online seit - 21.11.2022
2904

Judikatursammlung

Rechtsschutzdefizite in der Dublin III-VO?

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 27 Abs 1 Dublin III-VO ist nicht dahingehend auszulegen, dass er nur gegen Überstellungsentscheidungen einen Rechtsbehelf garantiere. Vielmehr steht gegen jede Entscheidung im Rahmen des Dublinsystems, mit der in subjektive Rechte eingegriffen wird, gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung.

II. Wird ein Aufnahmegesuch gemäß Art 21 Dublin III-VO, in dem das Zuständigkeitskriterium des Art 8 Abs 2 leg cit in Rede steht, vom ersuchten Mitgliedstaat abgewiesen, so muss dieser dem unbegleiteten minderjährigen Asylwerber einen gerichtsförmlichen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung zur Verfügung stellen.

III. Kein wie auch immer geartetes subjektives Recht erfließt im Rahmen von Entscheidungen iSd Art 8 Abs 2 Dublin III-VO dem Verwandten, dessentwegen dieser gerichtlichen Rechtsschutz iSd "unionsrechtsakzessorischen" Art 47 GRC in Anspruch nehmen könnte.
- | Online seit - 18.11.2022
2970

Aufsatz

Russlands Ausschluss aus Europarat und EMRK

Infolge des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine wurde Russland am 16. 3. 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen und ist mit 16. 9. 2022 nicht mehr Mitglied der EMRK. Zwar unterliegt Russland weiterhin den Verpflichtungen der Konvention für "Handlungen", die bis zum Ausschluss vorgenommen wurden. Detailfragen sind allerdings ungeklärt - etwa zur Behandlung von Beschwerden nach dem 16. 9. 2022, zur künftigen Besetzung des Gerichtshofs bis hin zum Vollzug der Urteile. Neben diesen Fragen widmet sich der vorliegende Beitrag der extraterritorialen Anwendung der Konvention im Hinblick auf die Verfolgung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen, die Russland im Hoheitsgebiet der Ukraine begangen hat.

Leitsatz des Gerichts:
- | Online seit - 17.11.2022
2916

Judikatursammlung

Zu den Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts

Leitsatz des Gerichts:
I. Sind die Aufnahmekapazitäten für Asylwerber in einem Mitgliedstaat knapp und kommt es etwa daher teilweise zu Problemen bei der lückenlosen materiellen Versorgung von Asylwerbern, so kann aufgrund dieser Umstände nicht auf das Vorliegen genereller systemischer Mängel geschlossen werden.

II. Wird über eine fremde Person aufgrund der Covid-19-Pandemie eine mehrtägige Quarantäne, während dieser sie behördlich untergebracht und auch entsprechend versorgt wird, verhängt, so kann darin keine unmenschliche Behandlung erblickt werden.

III. Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO sind im Lichte des Art 4 GRC bzw Art 3 EMRK bloß im Falle einer "extremen materiellen Not", die bei der zu überstellenden Person unabhängig von deren Willen und persönlichen Entscheidungen einträte, unzulässig. Nur wenn im Aufnahmestaat objektive Kriterien (systemische oder allgemeine Mängel) vorliegen und dazu kumulativ die ernsthafte Gefahr besteht, dass die betroffene Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt wird, liegen jene außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen können.

IV. Eine asylsuchende Person kann sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaats nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten kann. Es ist dabei irrelevant, dass bloß deshalb in einem anderen Mitgliedstaat kein Asylantrag gestellt wurde, weil von Anfang an der Wunsch bestand, nach Österreich zu kommen.
- | Online seit - 17.11.2022
2917

Judikatursammlung

"Quasi res iudicata" in Verfahren zur Erlangung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 54 ff AsylG

Leitsatz des Gerichts:
I. Hinsichtlich der Frage, ob in Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 55–57 AsylG ein seit der letzten fremdenbehördlichen Entscheidung maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliegt (§ 58 Abs 10 AsylG), sind die Wertungen des § 68 Abs 1 AVG übertragungsfähig.

II. Wird ein Antrag auf Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 54 ff AsylG in Ermangelung eines maßgeblich geänderten Sachverhalts gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Bescheidbeschwerde bekämpft, so ist das BVwG darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es darf also einzig prüfen, ob ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd § 58 Abs 10 AsylG vorliegt, nicht aber das Vorliegen der materiellen Erteilungsvoraussetzungen des jeweiligen Aufenthaltstitels.
- | Online seit - 16.11.2022
2915

Judikatursammlung

Zum Zeitpunkt der Entscheidung über einen Asylantrag und der Erlassung einer Rückkehrentscheidung

Leitsatz des Gerichts:
I. Da die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz unzulässig ist, muss ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren eingestellt und eine bereits vom BFA erlassene erstinstanzliche Rückkehrentscheidung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vom BVwG ersatzlos behoben werden.

II. Möchte eine in Haft befindliche Person Asyl beantragen, so ist der Asylantrag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu stellen. Dazu muss eine Vorführung beantragt werden.
- | Online seit - 15.11.2022
2903

Judikatursammlung

Rückkehrentscheidung mit unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht unvereinbar

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts steht der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes anknüpft, entgegen. Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet nämlich eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts muss daher - gleich den in § 60 Abs 3 FPG ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthaltes - eine Gegenstandslosigkeit herbeiführen.

II. Zwar wird ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht durch eine Eheschließung mit einer EWR-Bürgerin nicht ohne Weiteres erlangt, sondern besteht insb dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt. Die Nichtbeachtung einer Rückkehrentscheidung begründet aber eine solche Gefährdung für sich genommen jedenfalls nicht.

III. Ein Vorgehen nach § 55 Abs 6 NAG kommt dann in Betracht, wenn eine Aufenthaltsbeendigung erst nach Eheschließung und damit nach der Berufung auf ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Rechtskraft erwächst, nicht aber dann, wenn die Rechtskraft bereits vor der Eheschließung eingetreten ist.
- | Online seit - 14.11.2022
2902

Judikatursammlung

"Minderjährigkeit" und "tatsächliche familiäre Bindungen" iSd RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL)

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 16 Abs 1 lit a iVm Art 2 lit f RL 2003/86/EG ist dahin auszulegen, dass ein "unbegleiteter Minderjähriger" zum Zeitpunkt, in dem ein Antrag auf Einreisetitel zum Behufe der Familienzusammenführung mit ihm gestellt wird, unter 18 Jahre alt sein muss. Es ist jedoch unions(grund)rechtlich unzulässig, zu verlangen, dass die Minderjährigkeit auch im Entscheidungszeitpunkt der/des mitgliedstaatlichen Behörde/Gerichts noch fortbestehen müsse.

II. Es steht mit der RL 2003/86/EG, insb mit deren Art 13 Abs 2 iVm Abs 1 nicht im Einklang, das Ende der Minderjährigkeit im nationalen Recht zur auflösenden Bedingung zu erheben, mit deren Eintritt ein aus der Familienzusammenführung erfließender Aufenthaltstitel Angehöriger wegfiele.

III. Für die Gewährung/das Fortbestehen von Einreise- und Aufenthaltstiteln aus dem Titel der Familienzusammenführung muss ein tatsächliches Familienleben bestehen, die bloße Verwandtschaft reicht nicht aus (Art 16 Abs 1 lit b RL 2003/86/EG): Tatbildliche "tatsächliche familiäre Bindungen" äußern sich insb in einem regelmäßigen Kontakt. Wechselseitige finanzielle Unterstützungen zwischen dem Zusammenführenden und dessen Angehörigen dürfen aber nicht verlangt werden.
- | Online seit - 11.11.2022
2913

Judikatursammlung

Schutz des Familienlebens im Botschaftsverfahren (§ 35 AsylG)

Leitsatz des Gerichts:
I. Hinsichtlich der Frage, ob der Aufenthalt der asyl- oder subsidiär schutzberechtigten Bezugsperson von Antragstellern auf Visa zum Zwecke der Familienzusammenführung in Österreich eine "finanzielle Belastung" iSd § 11 Abs 5 NAG darstellt (§ 35 Abs 4 Z 3 iVm § 60 Abs 2 Z 3 AsylG), ist wegen des Neuerungsverbots im Beschwerdeverfahren (§ 11a Abs 2 FPG) alleine auf die Sachlage zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu rekurrieren.

II. Ein schützenswertes Familienleben iSd Art 8 EMRK, das gegenüber einem Visaerteilungshindernis des § 60 Abs 2 AsylG prävaliert (§ 35 Abs 4 Z 3 AsylG), ist insb beim Vorliegen der folgenden Tatsachen anzunehmen: regelmäßige Kontakte, persönliche Treffen in einem Drittland, räumliche Trennung alleine auf Grund der Flucht der Bezugsperson, kein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die auf ein Zerreißen des Bandes zwischen Vater und Kind hindeuten.

III. Befindet das BVwG, dass beantragte Visa iSd § 35 AsylG iVm § 26 FPG zu erteilen sind, so ist der entgegenstehende Bescheid der jeweiligen Botschaft weder zu reformieren noch iSd § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG zu kassieren, sondern gemäß § 28 Abs 2 VwGVG mit Erkenntnis ersatzlos zu beheben.
- | Online seit - 10.11.2022
2911

Judikatursammlung

Berücksichtigung des Kindeswohls bei Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes kommt insb bei jenen Fällen in Betracht, in denen sich eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann angenommen werden, dass die Antragstellung lediglich den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen Entscheidung zu verhindern.

II. Das Kindeswohl ist bei der Prüfung der Voraussetzungen der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Abwägung der öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht das einzig ausschlaggebende Kriterium. Vielmehr stellt das Kindeswohl im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung nur einen Teilaspekt dar.
- | Online seit - 09.11.2022
2912

Judikatursammlung

Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung während eines laufenden Verfahrens zur Verlängerung eines Aufenthaltstitels

Leitsatz des Gerichts:
I. Da gemäß § 24 NAG nach der rechtzeitigen Stellung eines Verlängerungsantrags die antragstellende Person – unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG – bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag stets weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig ist, ist eine auf § 52 Abs 1 Z 1 FPG gestützte Rückkehrentscheidung bis zur Entscheidung über den Antrag rechtswidrig.

II. Aufgrund des § 25 NAG kommt dem BFA lediglich die Kompetenz zu, eine entsprechende Stellungnahme abzugeben. Wird das BFA gemäß § 25 NAG um Abgabe einer Stellungnahme ersucht, so begründet dies keine Kompetenz zur Fällung einer Rückkehrentscheidung in dieser Sache.

III. Wird das BFA nach § 25 NAG in ein laufendes Verfahren der Niederlassungsbehörde betreffend die Verlängerung eines Aufenthaltstitels eingebunden, so kann dieses vor Abschluss des Verfahrens keine Rückkehrentscheidung erlassen.
- | Online seit - 08.11.2022
2910

Judikatursammlung

Verweigerung der Identitätsfeststellung begründet per se keine Notwendigkeit der Schubhaftnahme

Leitsatz des Gerichts:
Die bloße Gefahr, ein Antragsteller könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen, bildet kein Grundinteresse der Gesellschaft (iSe gebotenen Schutzes seiner Bürger vor Gefahren) und eine ausreichende Begründung zur Verhängung von Schubhaft.
- | Online seit - 07.11.2022
2909

Judikatursammlung

Rechtmäßige Versagung von Einreisetiteln bei Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens hinsichtlich des Schutzstatus der Bezugsperson

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Versagungsgrund des unsicheren Status der Bezugsperson bezieht sich allein auf die Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens und stellt nicht auf das Ergebnis eines solchen Verfahrens ab.

II. Allein das Vorliegen der Anhängigkeit eines Aberkennungsverfahrens des Status der Bezugsperson führt nach § 35 Abs 4 Z 1 AsylG zwingend dazu, dass die begehrten Einreisetitel zu versagen seien. Daran vermag auch ein anhängiges Beschwerdeverfahren nichts zu ändern.
- | Online seit - 04.11.2022
2908

Judikatursammlung

Kein Anlass zum Selbsteintritt bei bloß unsubstanziierten Behauptungen im Dublinverfahren

Leitsatz des Gerichts:
Eine bloß unbelegte Behauptung eines Beschwerdeführers, dass nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden könne, dass er im Rahmen der Überstellung in den nach der Dublin III-VO zuständigen Staat ein Asylverfahren nach europäischen Standards und ausreichende Versorgung erhalten würde, ist nicht dazu geeignet, die Länderberichte in Zweifel zu ziehen.
- | Online seit - 03.11.2022
2907

Judikatursammlung

Keine freie Wahl des Aufenthaltsstaates unter Berufung auf das Kindeswohl

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Beurteilung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG ist unter Bedachtnahme aller Umstände des Einzelfalls sowie unter Interessenabwägung eine Gesamtbetrachtung des Sachverhalts vorzunehmen.

II. Gemäß Judikatur des EGMR garantiert die EMRK Fremden nicht das Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem bestimmten Land und sind die Konventionsstaaten allgemein nicht verpflichtet, die Wahl des Aufenthaltslandes durch Einwanderer zu respektieren und auf ihrem Territorium die Familienzusammenführung zu gestatten.

III. Sowohl der EGMR als auch der VfGH stellen in ihrer Rsp darauf ab, ob das Familienleben zu einem Zeitpunkt entstanden ist, in dem sich die betroffenen Personen bewusst waren, dass der Aufenthaltsstatus eines Familienmitgliedes derart sei, dass der Fortbestand des Familienlebens im Gastland von vornherein unsicher ist.

IV. Auch wenn dem Kindeswohl ein hoher Stellenwert zukommt, kann die Berücksichtigung des Kindeswohls nicht so weit gehen, dass Beschwerdeführer im Wissen um ihren unsicheren Aufenthalt den bevorzugten Mitgliedstaat frei wählen können.
- | Online seit - 02.11.2022
2906

Judikatursammlung

Keine Geltendmachung von persönlichen Wiedereinsetzungsgründen bei aufrechter Bestellung eines Abwesenheitskurators

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Falle der wirksamen Zustellung an einen gerichtlich bestellten Abwesenheitskurator ist der tatsächliche Zeitpunkt der Kenntnisnahme durch den Vertretenen nicht mehr relevant.

II. Voraussetzung für eine Wiedereinsetzung wäre in diesem Fall, dass der Abwesenheitskurator durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an einer Verfahrenshandlung gehindert gewesen wäre und ihn dabei nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
- | Online seit - 31.10.2022
2905

Judikatursammlung

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde bei auf Dauer unzulässiger Abschiebung

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Entscheidung über die Zu- bzw Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist nach einer Interessenabwägung im Einzelfall zu treffen.

II. Das BVwG hat einer Beschwerde, der vom Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Beschwerdevorlage von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr bedeuten würde.
- | Online seit - 28.10.2022
2901

Judikatursammlung

Negative Zukunftsprognose als Ausschlussgrund für einen Durchsetzungsaufschub bei Unionsbürgern

Leitsatz des Gerichts:
I. Zeigt die fremde Person etwa eine Ignoranz gegenüber Bestimmungen der österreichischen Rechtsordnung sowie eine fehlende Reue, die sich aus der mangelnden Einsicht in die in der Vergangenheit begangenen Delikte ableitet, so kann nicht ausgeschlossen werden, dass es durch die fremde Person auch zukünftig zu einschlägigen Rechtsverstößen kommt. Ein derartiges Verhalten führt unzweifelhaft zur Annahme, dass von der fremden Person eine tatsächliche und erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht.

II. Der Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs iSd § 70 Abs 3 FPG steht beispielsweise die mangelnde Akzeptanz der österreichischen Rechtsordnung entgegen. Wurde für die betroffene Person aufgrund ihres Gesamtfehlverhaltens eine negative Zukunftsprognose erstellt, so ist zu befürchten, dass diese im Falle eines Verbleibs im Bundesgebiet erneut straffällig wird, weshalb eine sofortige Ausreise der Person im öffentlichen Interesse gelegen ist.

III. Eine allfällige Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung hat durch das BVwG iSd § 18 Abs 5 BFA-VG von Amts wegen zu erfolgen; die fremde Person hat kein Antragsrecht diesbezüglich. Wird dennoch ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt, so ist dieser als unzulässig zurückzuweisen.
- | Online seit - 27.10.2022
2899

Judikatursammlung

Illegaler Aufenthalt berechtigt für sich alleine nicht zur Inhaftnahme

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Behandlung eines Vorabentscheidungsersuchens iSd Art 267 AEUV durch den EuGH im Eilverfahren (Art 107 EuGH-Verfahrensordnung) spricht neben der grundsätzlichen Eignung des Ersuchens (die gerade dann gegeben ist, sofern das gemeinsame europäische Asylsystem betroffen ist) insb ein Eingriff in die persönliche Freiheit eines Betroffenen.

II. Die Stellung eines Asylantrags iSd erstmals postulierten Asylbegehrens muss formlos möglich sein (Art 7 Abs 1 RL 2013/32/EU). Es ist den Mitgliedstaaten (auch im Lichte des Art 18 GRC) nicht gestattet, dies illegal eingereisten/aufhältigen Drittstaatsangehörigen durch Unzulässigerklärung ihrer Anträge vorzuenthalten (etwa den genannten Drittstaatsangehörigen die Antragstellung nur ausnahmsweise nach behördlichem Ermessen zu erlauben).

III. Zwar ist die Zuständigkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bei den Mitgliedstaaten verblieben (Art 72 AEUV). Unter Berufung auf diese Schutzgüter können die Mitgliedstaaten aber nicht Vorschriften im Anwendungsbereich des Unionsrechts der Prüfung in dessen Lichte entziehen.

IV. Art 8 Abs 2 RL 2013/33/EU ermächtigt die mitgliedstaatliche Vollziehung nur nach Anstellung einer Einzelfallprüfung samt strikter Prüfung der Verhältnismäßigkeit zur Inhaftnahme von Asylwerbern; Abs 3 leg cit zählt die möglichen Haftgründe abschließend auf.

V. Damit Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU (arg "wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist") erfüllt ist, reicht der bloße Umstand der illegalen Einreise/des illegalen Aufenthalts des Betroffenen nicht aus. Eine undifferenzierte ex lege-Inhaftierung illegal eingereister/illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist sohin vom Unionsrecht nicht gedeckt.
- | Online seit - 25.10.2022
2900

Judikatursammlung

Kein zwingender Selbsteintritt des Aufnahmestaats aufgrund behaupteter Grundrechtsverletzungen im zuständigen Dublin-Staat

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch den Aufenthaltsstaat ist nicht grundsätzlich bei Vorliegen von Grundrechtsverletzungen im zuständigen Dublin-Staat geboten, sondern erst bei systemischen Mängeln im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber des betreffenden zuständigen Staats.

II. Im Zuge der Feststellung des zuständigen Dublin-Staats kommt Asylwerbern kein Recht zu, selbst einen Mitgliedstaat auszuwählen. Sollte es in der Vergangenheit zu einer schlechten Behandlung eines Asylwerbers durch einzelne behördliche Organe des zuständigen Staats gekommen sein, so kann aus diesem singulären Fehlverhalten nicht generell auf vorliegende Mängel im Asylverfahren und hinsichtlich der Aufnahmebedingungen für Asylwerber im betreffenden Staat geschlossen werden.
- | Online seit - 24.10.2022