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Judikatursammlung

Keine Annahme von Verfolgungsgefahr bei untergeordneter politischer Tätigkeit aus asyltaktischen Gründen

Leitsatz des Gerichts:
Eine Gefahr politischer Verfolgung im Herkunftsstaat wegen exilpolitischer Aktivitäten ist nur dann anzunehmen, wenn ein Fremder bei seinen Aktivitäten besonders hervortritt und sein Gesamtverhalten ihn als ernsthaften und einflussreichen Gegner erscheinen lässt.
- | Online seit - 18.07.2022
2849

Judikatursammlung

Ex-lege Verlust des Aufenthaltsrechts bei Straffälligkeit

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei Straffälligkeit eines Fremden und Verhängung der Untersuchungshaft tritt der Verlust des Aufenthaltsrechts ex-lege ein. Der daraufhin vom BFA zu erlassende Bescheid hat lediglich deklarative Wirkung.

II. Ein Fremder ist iSd AsylG straffällig geworden, wenn er wegen einer vorsätzlich begangenen gerichtlich strafbaren Handlung, die in die Zuständigkeit des Landesgerichts fällt, rechtskräftig verurteilt worden ist.

III. Zu einem Wiederaufleben des Aufenthaltsrechts kommt es dann, wenn der Fremde in weiterer Folge freigesprochen wird.
- | Online seit - 15.07.2022
2848

Judikatursammlung

Keine Ableitung des Asylstatus im Familienverfahren bei gegebener Straffälligkeit

Leitsatz des Gerichts:
Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Familienverfahren darf keine Straffälligkeit des Familienangehörigen vorliegen.
- | Online seit - 13.07.2022
2847

Judikatursammlung

Wegfall der Voraussetzungen des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bei dauerhafter Ausreise des Freizügigkeitsberechtigten, von welchem das Aufenthaltsrecht abgeleitet wird

Leitsatz des Gerichts:
Sofern der freizügigkeitsberechtigte Ehepartner das Aufenthaltsrecht nach dauerhaftem Verlassen des Bundesgebietes nicht mehr in Anspruch nimmt, fallen auch die Voraussetzungen für ein davon abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht des zweiten Ehegatten weg.
- | Online seit - 12.07.2022
2846

Judikatursammlung

Notwendige Prüfung der individuellen Rückkehrsituation bei behaupteten systemischen Mängeln in anderen Mitgliedstaaten

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Rahmen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems müsse die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Personen, die internationalen Schutz beantragen, in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRC, der GFK und der EMRK steht.

II. Systemischen Schwachstellen in den Mitgliedstaaten kommt jedenfalls dann Bedeutung zu, wenn sie eine besonders hohe Schwelle der Erheblichkeit erreichen. Dies ist von einer eingehenden Prüfung sämtlicher Umstände des Einzelfalls abhängig.
- | Online seit - 11.07.2022
2845

Judikatursammlung

Rechtswidrigkeit der weiteren Schubhaft bei Kenntnis der Aussetzung von Rückübernahmen infolge Covid-19 im Dublinverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Schubhaft kann nur dann rechtmäßig sein, wenn eine Abschiebung bzw Überstellung innerhalb der höchstmöglichen Schubhaftfristen auch tatsächlich in Frage kommt. Es sind daher Feststellungen zur möglichen Realisierbarkeit der Abschiebung innerhalb der jeweils zulässigen Schubhafthöchstdauer zu treffen.

II. Treten während der Schubhaft Umstände ein, die eine Abschiebung auf absehbare Zeit unmöglich machen oder eine solche innerhalb eines belastbar prognostizierbaren Zeitraums nicht mehr realistisch erscheinen lassen, erweist sich die Aufrechterhaltung der Schubhaft ab Eintritt dieser Umstände als rechtswidrig.
- | Online seit - 08.07.2022
2843

Judikatursammlung

Rechtsfragen zu ursprünglich durch das UNRWA geschützten Palästinenserflüchtlingen

Leitsatz des Gerichts:
I. Der EuGH ist auch nach dem "Brexit" für Vorabentscheidungsersuchen britischer Gerichte iSd Art 267 AEUV zuständig, welche vor dem Ende des "Übergangszeitraums" gemäß Art 126 iVm 89 Austrittsübereinkommen, also dem 31.12.2020, bei ihm eingegangen sind.

II. Da Großbritannien sich wie Irland nicht an Rechtsakten im Rahmen des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts beteiligen muss (Protokoll Nr 21 zu EUV und AEUV), war dieser Mitgliedstaat nie an die RL 2011/95/EU (Status-RL) gebunden. Wohl aber optierte Großbritannien für eine fortwährende Geltung der RL 2004/83/EG (Status-RL).

III. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Antragsteller keinen Schutz von UN-Organisationen wie dem UNRWA mehr genießt (insb dessen Einsatzgebiet gezwungenermaßen verlassen hat) und sohin als ipso facto-Flüchtling iSd Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2004/83/EG bzw Art 1 Abschnitt D GFK anzuerkennen ist, ist auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag abzustellen (nicht aber auf jenen des Verlassens des UNRWA-Einsatzgebiets). Es ist maW eine ex nunc-Prüfung vorzunehmen.

IV. Dem Antragsteller obliegt es bei verständiger Auslegung des Art 4 Abs 1 RL 2004/83/EG, nachzuweisen, dass er das UNRWA-Einsatzgebiet gezwungenermaßen verlassen hat. Sollte dies gelingen, obliegt es in der Folge dem Mitgliedstaat, gegebenenfalls nachzuweisen, dass sich die Umstände im betreffenden Einsatzgebiet inzwischen geändert haben, sodass diese Person wieder den Schutz oder Beistand des UNRWA in Anspruch nehmen kann.

V. Der Entfall von Schutz oder Beistand von UN-Organisationen iSd Art 1 Abschnitt D GFK bzw Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2004/83/EG ist nach objektiven Kriterien zu prüfen. Auf einen entsprechenden Vorsatz der Organisation kommt es nicht an.

VI. Art 12 Abs 1 lit a Satz 2 RL 2004/83/EG ebenso wie Art 1 Abschnitt D GFK rekurriert im Kern nur auf den Schutz durch UN-Organisationen wie das UNRWA selbst. Eine Unterstützung durch zivilgesellschaftliche Akteure im UNRWA-Einsatzgebiet kann folglich nur dann berücksichtigt werden, wenn die UN-Organisation mit den genannten Akteuren eine dauerhafte formelle Kooperation unterhält.
- | Online seit - 07.07.2022
2840

Judikatursammlung

Folgen einer (unrichtigen) Verfahrenseinstellung nach § 19 Abs 6 NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Der VwGH hat in Bezug auf eine Verfahrenseinstellung nach § 55 Abs 6 NAG ausgesprochen, dass der Umstand des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für eine Einstellung des Verfahrens zur Säumnis der Behörde führt. Diese Rsp ist auf die Einstellung eines Verfahrens gemäß § 19 Abs 6 NAG übertragbar. Zwar handelt es sich bei der im gegenständlichen Fall erfolgten Einstellung durch Aktenvermerk schon mangels Außenwirksamkeit nicht um einen Bescheid, der gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG mit Beschwerde bekämpft werden könnte. Allerdings steht dem Revisionswerber im Fall des Nichtvorliegens der Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens aufgrund der dadurch vorliegenden Säumnis der belangten Behörde das Rechtsmittel der Säumnisbeschwerde offen.

II. Wenn die Einstellung des vorangegangenen Verlängerungsverfahrens tatsächlich zu Unrecht erfolgt sein sollte und die Entscheidung über den Verlängerungsantrag daher mangels wirksamer Einstellung des Verfahrens noch offen wäre, hätte es sich beim hier gegenständlichen Erstantrag um einen weiteren Antrag während eines anhängigen Verfahrens nach dem NAG und somit um einen gemäß § 19 Abs 2 NAG unzulässigen Antrag gehandelt. Demzufolge hätte das LVwG die Beschwerde diesfalls mit der Maßgabe abweisen müssen, dass der gegenständliche Antrag als unzulässig zurückgewiesen werde, nicht jedoch - wie vom Revisionswerber ins Treffen geführt - den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos beheben müssen.

III. Wird ein Antrag, der eigentlich zurückzuweisen gewesen wäre, abgewiesen, wird damit keine Verletzung von subjektiven Rechten des Revisionswerbers bewirkt.
- | Online seit - 06.07.2022
2842

Judikatursammlung

Mehrstufiger Verwaltungsakt der Vertretungsbehörden und Rechtsschutz

Leitsatz des Gerichts:
I. In Verfahren vor den Vertretungsbehörden betreffend Visa D zum Zweck der Arbeitssuche (§§ 20 Abs 1 Z 4, 24a FPG) kommt den Mitteilungen des AMS, welches das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12 iVm Anlage A AuslBG zu prüfen hat, keine Bescheidqualität zu. Die Vertretungsbehörden sind an diese Mitteilungen gebunden und haben dementsprechend dem Antrag stattzugeben oder diesen gemäß § 24a Abs 4 FPG zurückzuweisen.

II. Eine rechtsstaatliche Problematik ist in der fehlenden Bescheidqualität der Mitteilungen des AMS (§ 24a Abs 1 Z 2 FPG) nicht zu erblicken: Im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid der Vertretungsbehörde kann der Antragsteller auf ein Visum D die Rechtswidrigkeit der Mitteilung des AMS vorbringen.
- | Online seit - 05.07.2022
2841

Judikatursammlung

Schubhaft in einer Justizanstalt – Pflichten der EU-Mitgliedstaaten

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Beantwortung der Frage, ob eine Einrichtung, in der die Schubhaft vollzogen wird, eine "spezielle Hafteinrichtung" (iSd Art 16 Abs 1 Satz 1 RL 2008/115/EG) ist, ist eine Einzelfallbetrachtung anzustellen. Kriterien, die dafür sprechen, sind eine räumliche Trennung von sonstigen Gefangenen (insb Strafgefangenen) und ein speziell für die Betreuung der Schubhäftlinge geschultes Personal, welches für diese Häftlinge eigens verantwortlich ist. Eine organisatorische Verflechtung der Einrichtung mit dem Strafvollzug schadet nicht, solange die genannten Kriterien gewahrt sind. Insgesamt muss die Schubhaft sich möglichst von der Strafhaft unterscheiden und muss die Achtung der den Schubhäftlingen in der GRC sowie in den Art 16 Abs 2 bis 5 und Art 17 RL 2008/115/EG gewährten subjektiven Rechte sichergestellt sein.

II. Ein mit der Schubhaftverhängung, -fortsetzung und -prüfung betrautes Gericht muss gemäß Art 47 GRC überprüfen können, ob die Voraussetzungen des Art 18 RL 2008/115/EG für die Unterbringung des betroffenen Drittstaatsangehörigen in einer Strafhaftanstalt erfüllt sind.

III. Die Ermächtigung des Art 18 Abs 1 RL 2008/115/EG, Schubhäftlinge "notfalls" in gewöhnlichen Haftanstalten unterzubringen, ist eng auszulegen und ihre Nutzung stark rechtfertigungsbedürftig. Der Mitgliedstaat muss nachweisen, dass eine dauerhafte Überlastung seiner Schubhafteinrichtungskapazitäten wenigstens unmittelbar bevorsteht, nicht vorhersehbar war und während des gesamten Zeitraums der Nutzung der Ermächtigung fortbesteht. Zudem müssen während des Nutzungszeitraums Abhilfemaßnahmen getroffen werden.

IV. In Ausführung der Ermächtigung des Art 18 Abs 1 RL 2008/115/EG dürfen den Schubhäftlingen keine anderen subjektiven Rechte entzogen werden als die in Art 16 Abs 1 und 17 Abs 2 leg cit verankerten.

V. Die mitgliedstaatliche Gesetzgebung in Ausführung des Art 18 Abs 1 RL 2008/115/EG muss eine Einzelfallprüfung dahingehend vorsehen, dass bei jeder Schubhaftentscheidung zu prüfen ist, ob nicht doch ein Platz in einer "speziellen Hafteinrichtung" iSd Art 16 Abs 1 Satz 1 RL 2008/115/EG vorhanden ist.

VI. Eine mitgliedstaatliche Gesetzgebung, die undifferenziert die Unterbringung in Strafhaftanstalten erlaubt (wie § 62a dt AufenthaltsG idF dBGBl 2019 I S 1294), ist mit Unionsrechtswidrigkeit belastet. Solche Vorschriften sind auf Grund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs unangewendet zu lassen.
- | Online seit - 04.07.2022
2839

Judikatursammlung

Behebung des Ausgangsbescheides trotz vorliegender Berufungsvorentscheidung

Leitsatz des Gerichts:
I. Behebt das VwG den Ausgangsbescheid, obwohl eine Berufungsvorentscheidung vorliegt, wird ein nicht mehr dem Rechtsbestand angehörender Bescheid behoben, hingegen die den tatsächlichen Beschwerdegegenstand bildende Berufungsvorentscheidung im Rechtsbestand belassen. Daher ist eine Entscheidung noch offen.

II. Der Erlassung eines neuen Bescheides durch die belangte Behörde steht rechtlich entgegen, dass über den zu Grunde liegenden Antrag durch die (im Rechtsbestand aufrechte) Berufungsvorentscheidung entschieden wurde, über einen bereits entschiedenen Antrag aber kein weiteres Mal eine Entscheidung zulässig ist.

- | Online seit - 01.07.2022
2838

Judikatursammlung

Zum Nachweis der Unzumutbarkeit von Deutschkenntnissen

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach § 21a Abs 4 Z 2 NAG haben Drittstaatsangehörige durch ein amtsärztliches Gutachten oder ein Gutachten eines Vertrauensarztes einer österreichischen Berufsvertretungsbehörde nachzuweisen, dass ihnen aufgrund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustandes der Nachweis erforderlicher Deutschkenntnisse nicht zugemutet werden kann. Demnach hat die Beurteilung des Vorliegens bzw Nichtvorliegens eines vom Drittstaatsangehörigen zu behauptenden und nachzuweisenden Unzumutbarkeitsgrundes auf Basis eines entsprechenden ärztlichen Gutachtens zu erfolgen.

II. Der Gesetzgeber hat bereits durch die Anordnung einer Prüfung auf Basis eines Gutachtens ua eines Amtsarztes in § 21a Abs 4 Z 2 NAG implizit zum Ausdruck gebracht, dass ein solcher Arzt - allenfalls unter Heranziehung einer ergänzenden fachlichen Expertise (etwa Beischaffung von fachärztlichen Befunden bzw Stellungnahmen) - grundsätzlich zu einer Begutachtung, ob dem Fremden aufgrund seines physischen oder psychischen Gesundheitszustandes der Nachweis erforderlicher Deutschkenntnisse zugemutet werden kann, in der Lage ist.
- | Online seit - 30.06.2022
2837

Judikatursammlung

Fristsetzungsantrag nach § 38 VwGG

Leitsatz des Gerichts:
Da das LVwG seiner Entscheidungspflicht nach Anordnung durch den Gerichtshof letztlich nachgekommen ist, war das Verfahren gemäß § 38 Abs 4 VwGG einzustellen.
- | Online seit - 29.06.2022
2859

Judikaturbesprechung

Verbot der Verlängerung von Grenzkontrollen zu Slowenien bei gleichbleibender Bedrohung der öffentlichen Sicherheit

Erstmals hat sich der EuGH mit der Frage der Vereinbarkeit der Wiedereinführung von Grenzkontrollen eines Mitgliedstaats mit dem Schengener Grenzkodex (SGK) befasst. Hierbei spricht er sich klar für die zeitliche Begrenzung solcher Grenzkontrollen aus. Auch wenn die konkrete Gefahr für die öffentliche Ordnung/innere Sicherheit nach Ablauf der nach Art 25 Abs 4 SGK zulässigen Maximaldauer von sechs Monaten weiterbesteht, sind diese Grenzkontrollen aufzuheben. Eine Verlängerung ist nur im Rahmen des Verfahrens im Rat nach Art 29 SGK möglich. Der jeweilige Mitgliedstaat darf auf der Grundlage von Art 25 SGK Grenzkontrollen nur im Falle einer neuen Bedrohung einführen.

Leitsatz des Gerichts:
I. Die in Art 25 VO (EU) 2016/399 enthaltene Ermächtigung, aus Anlass einer ernsthaften Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eines Mitgliedstaates wieder Binnengrenzkontrollen einzuführen, ist strikt mit sechs Monaten im Gesamten limitiert. Lediglich dann, wenn eine neue tatbildliche Bedrohung in Erscheinung tritt, kann der Mitgliedstaat die Fristen des Art 25 neuerlich in Gang setzen. Stets muss der Mitgliedstaat hierbei die Verfahrensvorschriften der Art 26 bis 28 VO (EU) 2016/399 beachten.

II. Für den Fall außergewöhnlicher Umstände, während derer eine Abwesenheit von Kontrollen das Funktionieren des Schengenraums insgesamt gefährden würde, gilt für Binnengrenzkontrollen eine Höchstfrist von zwei Jahren (Art 29 VO [EU] 2016/399).

III. Eine Rechtfertigung für Binnengrenzkontrollen, die die genannten Höchstfristen überdauern, kann auch nicht primärrechtlich in Art 72 AEUV gesehen werden. Denn diese Bestimmung, derzufolge die Mitgliedstaaten ihre Zuständigkeit für den Schutz der inneren Sicherheit und die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung behalten, ermächtigt nicht so ohne Weiteres zum Abgehen von Unionsrecht.

IV. Die österreichischen Binnengrenzkontrollen zu Slowenien erweisen sich demnach spätestens seit Herbst 2017 (zwei Jahre nach ihrer Einführung) als rechtswidrig.

V. Der Vorwurf der Unionsrechtswidrigkeit ist auch § 24 Abs 1 Z 1 PassG zu machen, der die Einreise ohne ein Reisedokument (§ 2 Abs 1 PassG) mit einer Verwaltungsstrafe bedroht, ohne aber nach der (Unions-) Rechtskonformität der jeweiligen Grenzkontrolle zu differenzieren.
- | Online seit - 29.06.2022
2834

Judikatursammlung

Zum Beschwerdegegenstand bei Beschwerdevorentscheidung

Leitsatz des Gerichts:
I. Behebt das VwG den Ausgangsbescheid, obwohl eine Berufungsvorentscheidung vorliegt, wird ein nicht mehr dem Rechtsbestand angehörender Bescheid behoben, hingegen die den tatsächlichen Beschwerdegegenstand bildende Berufungsvorentscheidung im Rechtsbestand belassen. Daher ist eine Entscheidung noch offen.

II. Der Erlassung eines neuen Bescheides durch die belangte Behörde steht rechtlich entgegen, dass über den zu Grunde liegenden Antrag durch die (im Rechtsbestand aufrechte) Berufungsvorentscheidung entschieden wurde, über einen bereits entschiedenen Antrag aber kein weiteres Mal eine Entscheidung zulässig ist.
- | Online seit - 28.06.2022
2833

Judikatursammlung

Rechtsstellung von drittstaatsangehörigen Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers im Aufnahmemitgliedstaat

Leitsatz des Gerichts:
I. Zwar sind britische Gerichte seit dem "Brexit" nicht mehr als "Gerichte eines Mitgliedstaats" iSd Art 267 AEUV anzusehen, wohl aber bleibt der EuGH für Vorabentscheidungsersuchen solcher Gerichte zuständig, die vor dem Inkrafttreten des Austrittsübereinkommens (1.2.2020) oder wenigstens vor dem Ende des "Übergangszeitraums" (31.12.2020) bei ihm eingelangt sind (Art 86 Abs 2 Austrittsübereinkommen). Überdies muss das Ersuchen einen Sachverhalt betreffen, der in den zeitlichen Anwendungsbereich des Unionsrechts in Großbritannien fällt.

II. Drittstaatsangehörige Eltern eines minderjährigen Unionsbürgers, die für diesen die elterliche Fürsorge ausüben, fallen nicht in den Angehörigenbegriff der RL 2004/38/EG (Art 2 Z 2 lit d leg cit), wenn ihnen der Unionsbürger keinen Unterhalt gewährt. Nichtsdestotrotz ist ihnen kraft Art 21 AEUV eine Angehörigeneigenschaft zuzuerkennen, weil ansonsten die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft in Mitleidenschaft geriete. Sohin können diese Personen von ihrem Kind mit Unionsbürgerschaft abgeleitete Aufenthaltsrechte nach der RL 2004/38/EG (UnionsbürgerRL) erwerben.

III. Für Aufenthalte im Aufnahmemitgliedstaat zwischen drei Monaten und fünf Jahren gilt das Erfordernis eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes iSd Art 7 Abs 1 lit b RL 2004/38/EG sowohl für den Unionsbürger als auch für dessen drittstaatsangehörige Familienangehörige (auch für solche iSd obigen Punktes II).

IV. Sobald ein Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat fünf Jahre lang rechtmäßig iSd Kapitels III RL 2004/38/EG (UnionsbürgerRL) aufhältig war, unterliegt sein in der Folge erworbenes Daueraufenthaltsrecht nicht mehr den Bedingungen dieses Kapitels (insb des Art 7).

V. Das erworbene Daueraufenthaltsrecht drittstaatsangehöriger Familienangehöriger eines Unionsbürgers (auch solcher iSd obigen Punktes II) ist von der fortlaufenden Erfüllung der Konditionen des Kapitels III (insb des Art 7) RL 2004/38/EG unabhängig.
- | Online seit - 27.06.2022
2832

Judikatursammlung

Zurückverweisender Beschluss des BVwG bei vorliegender Beschwerdevorentscheidung

Leitsatz des Gerichts:
I. Behebt das VwG den Ausgangsbescheid, obwohl eine Berufungsvorentscheidung vorliegt, wird ein nicht mehr dem Rechtsbestand angehörender Bescheid behoben, hingegen die den tatsächlichen Beschwerdegegenstand bildende Berufungsvorentscheidung im Rechtsbestand belassen. Daher ist eine Entscheidung noch offen.

II. Der Erlassung eines neuen Bescheides durch die belangte Behörde steht rechtlich entgegen, dass über den zu Grunde liegenden Antrag durch die (im Rechtsbestand aufrechte) Berufungsvorentscheidung entschieden wurde, über einen bereits entschiedenen Antrag aber kein weiteres Mal eine Entscheidung zulässig ist.
- | Online seit - 24.06.2022
2831

Judikatursammlung

Subsidiärer Schutz aufgrund des Vorliegens einer allgemein prekären Situation im Herkunftsstaat

Leitsatz des Gerichts:
I. Wird eine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nicht glaubhaft nachgewiesen, so ist der Asylantrag abzuweisen, aber dennoch subsidiärer Schutz zu gewähren, wenn aufgrund einer allgemein prekären Lage im Herkunftsstaat eine Verletzung von Art 2 oder 3 EMRK bzw des 6. und 13. Zusatzprotokolls zur EMRK droht.

II. Nicht jede prekäre allgemeine Sicherheitslage ruft ein reales Risiko iSd Art 3 EMRK hervor, vielmehr ist zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art 3 EMRK detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen. Derartige Umstände können als gegeben erachtet werden, wenn die betroffene Person im Herkunftsstaat etwa keine Lebensgrundlage vorfindet und damit – bezogen auf den Einzelfall – die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

III. Da die rechtlichen Wirkungen eines Erkenntnisses (des Einzelrichters) erst mit dessen Zustellung eintreten, gilt die auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (hier: subsidiäre Schutzberechtigung gemäß § 8 Abs 1 iVm Abs 4 AsylG) ein Jahr ab Zustellung des Erkenntnisses des BVwG an die betroffene Person.
- | Online seit - 23.06.2022
2830

Judikatursammlung

Rückkehrpolitik: Wahl zwischen Ausweisung oder Geldbuße bei illegalem Aufenthalt?

Leitsatz des Gerichts:
I. Im System des Vorabentscheidungsverfahrens (Art 267 AEUV) ist es nicht Sache des EuGH, nationales Recht zu interpretieren, vielmehr hat der Gerichtshof seiner Beurteilung jene Auslegung zugrunde zu legen, von der das vorlegende Gericht ausgeht.

II. Gemäß Art 6 Abs 1 RL 2008/115/EG ist – vorbehaltlich der in Abs 2 bis 5 leg cit vorgesehenen Ausnahmen – gegen alle illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Diese ist mit einer angemessenen Frist zur freiwilligen Ausreise iSd Art 7 RL 2008/115/EG zu verbinden und nach deren Ablauf ist grundsätzlich abzuschieben (Art 8 Abs 1 RL 2008/115/EG).

III. Verlängerungen der Frist zur freiwilligen Ausreise (die sich grundsätzlich zwischen sieben und 30 Tagen zu bewegen hat) sind nur aus berücksichtigungswürdigen Gründen iSd Art 7 Abs 2 RL 2008/115/EG zulässig, wobei insb eine vom Drittstaatsangehörigen angestrebte Legalisierung seines Aufenthalts aus solchen Gründen zur Fristverlängerung führen kann. Jede Fristverlängerung darf aber nur abgestimmt auf die Umstände des Einzelfalls erfolgen und das Regelungsziel einer effektiven Rückkehrpolitik (oben II.) nicht torpedieren.
- | Online seit - 22.06.2022
2828

Judikatursammlung

Stempel "ungültig" über Sichtvermerk im Reisepass ist kein Bescheid

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Hinblick auf die Beurteilung des LVwG, dass die Kenntlichmachung der Ungültigkeit von in den Reisepässen der revisionswerbenden Parteien ersichtlichen Aufenthaltstiteln nicht als Bescheid iSv Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG zu qualifizieren sei und es daher an einem tauglichen Beschwerdegegenstand mangle, liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

II. Ist Gegenstand des Revisionsverfahrens die Zurückweisung einer Beschwerde durch das LVwG mangels Vorliegen eines Bescheides, geht es nur um die Frage, ob die Behörde einen Bescheid erlassen hat oder nicht. Ob sie zur Erlassung eines Bescheides aus Rechtsschutzgründen verpflichtet gewesen wäre, ist dabei nicht entscheidend.

III. Die RL 2003/109/EG differenziert zwischen dem Entzug und dem Verlust der Rechtsstellung eines langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (vgl zB die Überschrift des Art 9, in der ausdrücklich auf den Entzug oder den Verlust der Rechtsstellung Bezug genommen wird). Die Vorgaben des Art 10 Abs 1 der RL 2003/109/EG erstrecken sich nach dem eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung (sowohl in der deutschen, als auch in der von den Revisionswerbern ins Treffen geführten französischen Sprachfassung) auf Entscheidungen, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zu versagen oder zu entziehen, nicht aber auf Situationen, in denen - so wie hier - der Verlust dieses Rechtsstatus im Raum steht.

IV. § 20 Abs 4 NAG sieht seit Inkrafttreten des FrÄG 2009 ausdrücklich die Möglichkeit der Beantragung eines Feststellungsbescheides vor. Aus welchen Gründen diese Ausgestaltung des behördlichen (und in weiterer Folge verwaltungsgerichtlichen) Rechtsschutzes nicht im Einklang mit Art 10 Abs 2 der RL 2003/109/EG stehen sollte, ist nicht ersichtlich.
- | Online seit - 21.06.2022