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Judikatursammlung

Keine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen Erreichens der Volljährigkeit nach Antragstellung

Leitsatz des Gerichts:
Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des staatsbürgerschaftsrechtlichen Erfordernisses der Minderjährigkeit ist zur Vermeidung von Zufälligkeiten oder manipulativen Umständen der Verfahren davon auszugehen, dass nach § 12 Abs 1 Z 3 iVm § 17 Abs 1 StbG für die spezifische Voraussetzung der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der Staatsbürgerschaftsbehörde abzustellen ist.
- | Online seit - 14.12.2022
2934

Judikatursammlung

Klarstellungen zum Begriff des "Familienangehörigen" iSd Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG

Leitsatz des Gerichts:
I. Begriffe des Unionsrechts sind unionsweit einheitlich auszulegen, so auch die in Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG verwendete Definition von besonderen Familienangehörigen von Unionsbürgern.

II. Bei der Beurteilung, ob ein Familienangehöriger, der nicht unter Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG fällt, womöglich unter Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG zu subsumieren ist, ist auf die folgenden Parameter abzustellen: Zwischen dem Unionsbürger und dessen Familienangehörigen muss ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen, wobei etwa die folgenden Gesichtspunkte ausschlaggebend sind: Dauer des Zusammenlebens, der Grad einer Verwandtschaft und die Intensität der Beziehung. Für diese Beurteilung ist nicht nur der Zeitraum seit dem Erwerb der Unionsbürgerschaft zu würdigen.

III. Zwar steht den in Art 3 Abs 2 lit a RL 2004/38/EG definierten Familienangehörigen anders als jenen iSd Art 2 Z 2 leg cit nicht unmittelbar ein Einreise- und Aufenthaltsrecht im Aufnahmemitgliedstaat zu. Wohl aber trifft die Mitgliedstaaten gemäß Art 3 Abs 2 UAbs 2 RL 2004/38/EG eine eingehende Untersuchungspflicht der genannten persönlichen Umstände (oben II.) und – im Falle der Verweigerung der Einreise oder des Aufenthalts dieser Personen – eine Begründungspflicht.
- | Online seit - 13.12.2022
2930

Judikatursammlung

Keine Pflicht zur Abschiebung

Leitsatz des Gerichts:
Eine Rückkehrentscheidung wird wirkungslos, wenn eine Neubeurteilung (im Zeitpunkt des Vollzugs der Abschiebung) zum Ergebnis führt, dass die privaten Interessen des Fremden am Verbleib in Österreich nunmehr den entgegenstehenden öffentlichen Interessen an seiner Außerlandesbringung überwiegen, wenn sich die Situation also so darstellt, dass ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG 2005 zu erteilen wäre und die Rückkehrentscheidung damit gemäß § 60 Abs 3 FPG 2005 gegenstandslos würde.
- | Online seit - 12.12.2022
2919

Judikatursammlung

Familieneinheit nach Sekundärmigration und Kindesgeburt in einem anderen Mitgliedstaat

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine analoge Anwendung des Art 20 Abs 3 Dublin III-VO auf die Asylanträge Minderjähriger, deren Eltern in einem anderen Mitgliedstaat ein Schutzstatus zuerkannt worden und deren Antrag im nunmehrigen Mitgliedstaat schon vor der Antragstellung des Kindes als unzulässig zurückgewiesen worden war, scheidet aus. Stattdessen ist für die Anträge solcher Minderjähriger Art 9 Dublin III-VO einschlägig. Scheitert die Anwendung dieses Zuständigkeitstatbestands, ist gemäß Art 3 Abs 2 Dublin III-VO der erste Mitgliedstaat der Antragstellung zuständig.

II. Eine analoge Anwendung des Unzulässigkeitstatbestands des Art 33 Abs 2 lit a RL 2013/32/EU auf Minderjährige in der geschilderten Situation (I.) kommt nicht in Betracht.
- | Online seit - 09.12.2022
2929

Judikatursammlung

Unglaubwürdigkeit der Fluchtgründe wegen mangelnder Stringenz des Fluchtvorbringens

Leitsatz des Gerichts:
I. Werden die Fluchtgründe in den einzelnen Einvernahmen bzw in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG abgeändert, so zeigt sich, dass die fremde Person keine gleichbleibenden Schilderungen tätigt. Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass die behaupteten Gründe nicht der Wahrheit entsprechen. Ist aufgrund dürftiger Schilderungen ein mehrmaliges Nachfragen erforderlich und sind die Angaben der fremden Person dennoch nicht konkreter, so spricht auch dies gegen die Glaubwürdigkeit des Vorbringens.

II. Um von einem Überwiegen der privaten Interessen der fremden Person an einem Verbleib im österreichischen Bundesgebiet gegenüber den öffentlichen Interessen an einer Rückkehr der fremden Person in deren Herkunftsstaat ausgehen zu können, haben entscheidungserhebliche integrative Anknüpfungspunkte in Österreich vorzuliegen. Keine integrativen Schritte liegen beispielsweise vor, wenn die fremde Person seit mehr als vier Jahren Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, keine Deutschkenntnisse aufweisen und auch sonst keine Verfestigung oder Eingliederung in die österreichische Gesellschaft vorweisen kann.
- | Online seit - 06.12.2022
2928

Judikatursammlung

Zur Ausstellung eines Fremdenpasses

Leitsatz des Gerichts:
Eine subsidiär schutzberechtigte Person ist dann nicht in der Lage, sich ein Reisedokument ihres Herkunftsstaats zu beschaffen, wenn dessen Vertretungsbehörde die Ausstellung verweigert. Damit die Abweisung eines Antrags auf Ausstellung eines Fremdenpasses grundsätzlich zu Recht erfolgen kann, muss für die antragstellende Person die konkrete Möglichkeit bestehen, sich Reisedokumente ihres Heimatstaats zu beschaffen. Eine bloß abstrakte Möglichkeit, dass die Vertretungsbehörde grundsätzlich willens ist, für die betroffene Person ein Reisedokument auszustellen, ist nicht ausreichend.
- | Online seit - 05.12.2022
2924

Judikatursammlung

Von Unionsbürgern abgeleitete Aufenthaltsrechte unmittelbar kraft Art 20 AEUV

Leitsatz des Gerichts:
I. Für drittstaatsangehörige Familienangehörige von Unionsbürgern kann sich – wenn nicht schon aus anderen Rechtsgrundlagen – subsidiär aus Art 20 AEUV und damit dem Status des Unionsbürgers ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht ergeben.

II. Die Mitgliedstaaten dürfen Drittstaatsangehörigen von Unionsbürgern abgeleitete Aufenthaltsrechte nicht alleine auf Grund fehlender Existenzmittel verweigern. Vielmehr haben sie gemäß Art 20 AEUV zu prüfen, ob zwischen Unionsbürgern und Drittstaatsangehörigen ein derart starkes faktisches Abhängigkeitsverhältnis besteht, dessentwegen der Unionsbürger bei Ausweisung des Drittstaatsangehörigen faktisch gezwungen wäre, mitzugehen. Bei zusätzlich gegebener Straffälligkeit des Drittstaatsangehörigen ist eine umfassende Interessenabwägung im Lichte des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Grundrechte, allenfalls auch des Kindeswohlgrundsatzes vorzunehmen.

III. Zwischen Ehegatten besteht ein Abhängigkeitsverhältnis iSd Art 20 AEUV (siehe oben II.) nicht schon wegen der zivilrechtlichen Verpflichtung zum Zusammenleben (vgl für Österreich § 90 Abs 1 ABGB).

IV. Auch ein drittstaatsangehöriges minderjähriges Kind eines ebenso drittstaatsangehörigen Familienangehörigen eines Unionsbürgers kann mitunter ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht erwerben, wenn dessen Nichtgewährung auf Grund eines bestehenden Abhängigkeitsverhältnisses iSd Art 20 AEUV (siehe oben II.) zu einem faktischen Zwang des drittstaatsangehörigen Elternteils führte, das Unionsgebiet zu verlassen und dies wiederum dazu führte, dass auch der Unionsbürger faktisch zu diesem Schritt gezwungen wäre.
- | Online seit - 02.12.2022
2927

Judikatursammlung

Rückkehrentscheidung aufgrund Gefährdung öffentlicher Interessen trotz langer (etwa 30 Jahre) rechtmäßiger Aufenthaltsdauer

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine besonders gravierende bzw schwere Straffälligkeit liegt beispielsweise aufgrund der Begehung eines schweren Raubes und einer Freiheitsentziehung, welche zu einer unbedingten elfjährigen Freiheitsstrafe führten, vor. Aufgrund einer derartig massiven Straffälligkeit kann jedenfalls von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die fremde Person ausgegangen werden, weswegen der (weitere) Aufenthalt der fremden Person den öffentlichen Interessen widerstreitet.

II. War die fremde Person langjährig rechtmäßig in Österreich niedergelassen und spricht sie Deutsch auf muttersprachlichem Niveau, so hat die Interessenabwägung – trotz einer von der fremden Person ausgehenden Gefährdung – regelmäßig zu ihren Gunsten auszugehen und eine aufenthaltsbeendende Maßnahme darf in einer derartigen Konstellation grundsätzlich nicht erlassen werden.

III. Trotz eines Einreiseverbots kann die fremde Person ihre Bindungen zu in Österreich lebenden Familienangehörigen durch briefliche, telefonische oder elektronische Kontakte aufrechterhalten. Befindet sich die fremde Person in den nächsten Jahren in Strafhaft, so muss sich der Kontakt ohnehin im Wesentlichen auf diese Kommunikationsformen beschränken. Dadurch wird das Gewicht des Privat- und Familienlebens in einem gewissen Maß relativiert.

IV. Je ausdrücklicher sich die Gefährlichkeit der fremden Person manifestiert, desto länger ist ihr Wohlverhaltenszeitraum anzusetzen. Befindet sich die fremde Person jedoch in Haft, so liegt klarerweise noch kein Wohlverhaltenszeitraum vor, weshalb nicht auf einen Gesinnungswandel und eine positive Zukunftsprognose geschlossen werden kann.
- | Online seit - 01.12.2022
2925

Judikatursammlung

Jedenfalls umfassender Versicherungsschutz bei freiwilliger Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung

Leitsatz des Gerichts:
I. Erfolgt eine freiwillige Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 16 Abs 2 ASVG, so ist betreffend eine allfällig private Krankenversicherung nicht mehr zu prüfen, ob die Leistungen jener der gesetzlichen Krankenversicherung in Österreich entsprechen.

II. Bei einer freiwilligen Selbstversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist von einem ausreichenden Versicherungsschutz für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht auszugehen.
- | Online seit - 30.11.2022
2918

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Versorgungslage für Schutzberechtigte in Griechenland

Leitsatz des Gerichts:
Ein in Griechenland als Schutzberechtigter anerkannter syrischer Staatsangehöriger wird durch die Zurückweisung eines Antrags auf internationalen Schutz mangels hinreichender Auseinandersetzung mit der allgemeinen Rückkehrsituation im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
- | Online seit - 29.11.2022
2923

Judikatursammlung

Refoulementverbotswidrigkeit der Rückführung einer Mehrkindfamilie in den Irak

Leitsatz des Gerichts:
Auch wenn ein Familienvater vor der – sieben Jahre zurückliegenden – Ausreise alleine für die Mehrkindfamilie sorgen konnte, darf nicht davon ausgegangen werden, er könne dies auch nach Jahren des Aufenthalts im österreichischen Bundesgebiet. Wenn weitere Rückkehrprobleme für Familienmitglieder im Herkunftsstaat bis zum Grad der existenziellen Bedrohung hinzutreten und auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) vorliegt, ist allen Mitgliedern solcherart betroffener Familien subsidiärer Schutz iSd § 8 Abs 1 Z 1 AsylG zuzuerkennen.
- | Online seit - 28.11.2022
2938

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Rückführungsentscheidung der Schweiz als absoluter Versagungsgrund

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach § 11 Abs 1 Z 2 NAG kommt es für die Annahme dieses Versagungsgrundes allein auf das Bestehen einer Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz (und nicht auf eine allfällige Ausschreibung im Schengener Informationssystem) an.

II. Im Hinblick auf den Versagungsgrund des § 11 Abs 1 Z 2 NAG ist eine Gefährdungsprognose nicht vorzunehmen.

III. Da es sich bei § 11 Abs 1 Z 2 NAG (grundsätzlich) um einen absoluten Versagungsgrund handelt, ist bei dessen Vorliegen eine Interessenabwägung nicht vorgesehen.

IV. Der Wunsch nach einem gemeinsamen Familienleben begründet für sich genommen noch keine Ausnahmesituation iSv EuGH 15.11.2011, C-256/11, Dereci ua.
- | Online seit - 25.11.2022
2936

Judikatursammlung

Zur Niederlassungsbewilligung nach § 43 Abs 3 NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Anträge von Inhabern einer Aufenthaltsberechtigung nach § 55 Abs 2 AsylG auf Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs 3 NAG sind als Erstanträge und nicht als Verlängerungsanträge iSv § 2 Abs 1 Z 11 NAG zu qualifizieren.

II. Zwischen der "Niederlassungsbewilligung" nach § 43 Abs 3 NAG und den in dieser Bestimmung aufgezählten Aufenthaltstiteln gemäß § 55 bzw § 56 AsylG besteht insoweit ein untrennbarer Zusammenhang, als der in Rede stehende Aufenthaltstitel nach dem NAG nur in unmittelbarem Anschluss an die erwähnten Titel nach dem AsylG erteilt werden kann. Dass die Aufenthaltstitel nach § 41a Abs 9 Z 1 und 2 sowie § 43 Abs 3 NAG die "Weiterführung" eines vorangegangenen, auf § 55 bzw § 56 AsylG gegründeten Aufenthaltsrechts darstellen und die in Rede stehenden Titel nach dem NAG bei ihrer erstmaligen Erteilung daher nur "im Anschluss" an einen Aufenthaltstitel nach § 55 bzw § 56 AsylG erlangt werden können, spiegelt sich auch in § 44a NAG wider. Demnach ist in Verfahren gemäß § 41a Abs 9 Z 1 und 2 sowie § 43 Abs 3 NAG ausdrücklich die sinngemäße Anwendung des § 24 Abs 1 und 2 sowie des § 20 Abs 2 NAG vorgesehen.
- | Online seit - 24.11.2022
2914

Judikatursammlung

Sanktionen gegen grob gewalttätige Asylwerber; Bekräftigung des "Haqbin-Urteils"

Leitsatz des Gerichts:
I. Der zweite Tatbestand des Art 20 Abs 4 RL 2013/33/EU ("grob gewalttätiges Verhalten") ist dahin auszulegen, dass er auch tatbildliche Handlungen von Asylwerbern außerhalb von Unterbringungszentren erfasst.

II. Wie bereits im Urteil EuGH 12.11.2019, Rs C-233/18 (Haqbin), ECLI:EU:C:2019:956, judiziert, ist ein Totalentzug von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) iSd Art 2 lit f und g RL 2013/33/EU niemals zulässig (wegen Unvereinbarkeit mit dem Gebot der Bereitstellung eines würdigen Lebensstandards iSd Art 20 Abs 5 Satz 3 leg cit sowie dem in Satz 2 leg cit statuierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz).

III. Art 20 Abs 4 und 5 RL 2013/33/EU hindern nicht an der Inhaftnahme von Asylwerbern gemäß Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU, sofern die Voraussetzungen der Art 8–11 leg cit erfüllt sind.

IV. Die absolute Unzulässigkeit eines Totalentzugs von im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen (Grundversorgungsleistungen) vermag auch nicht durch Verfahrensgarantien im Recht der Mitgliedstaaten relativiert zu werden.
- | Online seit - 23.11.2022
2921

Judikatursammlung

Mangelhafte Ermittlungen zur medizinischen Versorgungslage, insb zur Verfügbarkeit von Medikamenten in Afghanistan

Leitsatz des Gerichts:
Der Beschwerdeführer aus Afghanistan wird durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten aufgrund der mangelnden Auseinandersetzung mit der Verfügbarkeit von Medikamenten für die Behandlung der Erkrankung sowie mit der Rückkehrsituation in die Region der innerstaatlichen Fluchtalternative im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
- | Online seit - 22.11.2022
2922

Judikatursammlung

Zur Unzulässigkeit eines Folgeantrags wegen res iudicata

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Frage, ob der Sachverhalt keine maßgebliche Änderung enthält, sodass sich ein Antrag aus dem Blickwinkel der entschiedenen Sache als unzulässig präsentiert, ist nicht allein auf den Inhalt des Vorbringens abzustellen. Vielmehr ist zu prüfen, ob dem Vorbringen ein "glaubhafter Kern", welchem Relevanz zukommt, innewohnt.

II. Ein Antrag auf internationalen Schutz ist nicht weiter zu prüfen, wenn über einen inhaltsgleichen Antrag bereits entschieden wurde und keine neuen Elemente vorliegen oder die neuen Elemente ohnehin nicht geeignet sind, dass der antragstellenden Person mit erheblicher Wahrscheinlichkeit ein Schutzstatus zuerkannt wird.
- | Online seit - 21.11.2022
2904

Judikatursammlung

Rechtsschutzdefizite in der Dublin III-VO?

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 27 Abs 1 Dublin III-VO ist nicht dahingehend auszulegen, dass er nur gegen Überstellungsentscheidungen einen Rechtsbehelf garantiere. Vielmehr steht gegen jede Entscheidung im Rahmen des Dublinsystems, mit der in subjektive Rechte eingegriffen wird, gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung.

II. Wird ein Aufnahmegesuch gemäß Art 21 Dublin III-VO, in dem das Zuständigkeitskriterium des Art 8 Abs 2 leg cit in Rede steht, vom ersuchten Mitgliedstaat abgewiesen, so muss dieser dem unbegleiteten minderjährigen Asylwerber einen gerichtsförmlichen Rechtsbehelf gegen diese Entscheidung zur Verfügung stellen.

III. Kein wie auch immer geartetes subjektives Recht erfließt im Rahmen von Entscheidungen iSd Art 8 Abs 2 Dublin III-VO dem Verwandten, dessentwegen dieser gerichtlichen Rechtsschutz iSd "unionsrechtsakzessorischen" Art 47 GRC in Anspruch nehmen könnte.
- | Online seit - 18.11.2022
2970

Aufsatz

Russlands Ausschluss aus Europarat und EMRK

Infolge des völkerrechtswidrigen Angriffs auf die Ukraine wurde Russland am 16. 3. 2022 aus dem Europarat ausgeschlossen und ist mit 16. 9. 2022 nicht mehr Mitglied der EMRK. Zwar unterliegt Russland weiterhin den Verpflichtungen der Konvention für "Handlungen", die bis zum Ausschluss vorgenommen wurden. Detailfragen sind allerdings ungeklärt - etwa zur Behandlung von Beschwerden nach dem 16. 9. 2022, zur künftigen Besetzung des Gerichtshofs bis hin zum Vollzug der Urteile. Neben diesen Fragen widmet sich der vorliegende Beitrag der extraterritorialen Anwendung der Konvention im Hinblick auf die Verfolgung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen, die Russland im Hoheitsgebiet der Ukraine begangen hat.

Leitsatz des Gerichts:
- | Online seit - 17.11.2022
2916

Judikatursammlung

Zu den Voraussetzungen des Selbsteintrittsrechts

Leitsatz des Gerichts:
I. Sind die Aufnahmekapazitäten für Asylwerber in einem Mitgliedstaat knapp und kommt es etwa daher teilweise zu Problemen bei der lückenlosen materiellen Versorgung von Asylwerbern, so kann aufgrund dieser Umstände nicht auf das Vorliegen genereller systemischer Mängel geschlossen werden.

II. Wird über eine fremde Person aufgrund der Covid-19-Pandemie eine mehrtägige Quarantäne, während dieser sie behördlich untergebracht und auch entsprechend versorgt wird, verhängt, so kann darin keine unmenschliche Behandlung erblickt werden.

III. Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-VO sind im Lichte des Art 4 GRC bzw Art 3 EMRK bloß im Falle einer "extremen materiellen Not", die bei der zu überstellenden Person unabhängig von deren Willen und persönlichen Entscheidungen einträte, unzulässig. Nur wenn im Aufnahmestaat objektive Kriterien (systemische oder allgemeine Mängel) vorliegen und dazu kumulativ die ernsthafte Gefahr besteht, dass die betroffene Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt wird, liegen jene außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten rechtfertigen können.

IV. Eine asylsuchende Person kann sich im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublinstaats nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen, in welchem sie die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten kann. Es ist dabei irrelevant, dass bloß deshalb in einem anderen Mitgliedstaat kein Asylantrag gestellt wurde, weil von Anfang an der Wunsch bestand, nach Österreich zu kommen.
- | Online seit - 17.11.2022
2917

Judikatursammlung

"Quasi res iudicata" in Verfahren zur Erlangung von Aufenthaltstiteln nach den §§ 54 ff AsylG

Leitsatz des Gerichts:
I. Hinsichtlich der Frage, ob in Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 55–57 AsylG ein seit der letzten fremdenbehördlichen Entscheidung maßgeblich geänderter Sachverhalt vorliegt (§ 58 Abs 10 AsylG), sind die Wertungen des § 68 Abs 1 AVG übertragungsfähig.

II. Wird ein Antrag auf Erteilung von Aufenthaltstiteln iSd §§ 54 ff AsylG in Ermangelung eines maßgeblich geänderten Sachverhalts gemäß § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Bescheidbeschwerde bekämpft, so ist das BVwG darauf beschränkt, die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung zu prüfen. Es darf also einzig prüfen, ob ein maßgeblich geänderter Sachverhalt iSd § 58 Abs 10 AsylG vorliegt, nicht aber das Vorliegen der materiellen Erteilungsvoraussetzungen des jeweiligen Aufenthaltstitels.
- | Online seit - 16.11.2022