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2990

Judikatursammlung

Ausweisung einer mit einem Norweger verheirateten Mutter von vier Kindern aufgrund jahrelanger falscher Angaben über ihre Herkunft

Leitsatz des Gerichts:
I. Die nationalen Behörden müssen vor einer Ausweisung deren Auswirkungen auf das Familienleben und insb auf die betroffenen Kinder sorgfältig prüfen und ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Standards der EMRK eingehend begründen. Wenn diesen Anforderungen entsprochen wurde, ersetzt der EGMR ihre Einschätzung nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe durch seine eigene.

II. Es besteht ein schwerwiegendes öffentliches Interesse daran, die während einer langen Zeitspanne wiederholt erfolgte Angabe falscher Informationen über die Staatsangehörigkeit gegenüber den Einwanderungsbehörden zu sanktionieren.

III. Trotz der Verpflichtung, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, kann eine mit einem zweijährigen Rückkehrverbot verbundene Ausweisung einer Fremden, die jahrelang in Aufenthaltsverfahren und im Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft falsche Angaben gemacht hat, gerechtfertigt sein, selbst wenn sie mit einem Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaats verheiratet ist und die vier gemeinsamen Kinder ebenfalls diese Staatsbürgerschaft besitzen.
- | Online seit - 15.03.2023
3054

Hinweise

Neuerungen 2022 in NAG und NAG-DV

Leitsatz des Gerichts:
- | Online seit - 14.03.2023
3433

Judikaturbesprechung

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung eines Heimreisezertifikats

Die vorliegende Judikaturbesprechung beschäftigt sich mit der bisher in der Rsp ungeklärten Frage, in welchem Stadium der Schubhaft die Beantragung der Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zu erfolgen hat. Es stellt sich im gegenständlichen Sachverhalt insb die Rechtsfrage, ob das BFA ein Heimreisezertifikat bereits zu einem Zeitpunkt beantragen muss, an dem die Ausreiseverpflichtung der nicht rechtmäßig aufhältigen fremden Person noch nicht feststeht.

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Rahmen der Schubhaftverhängung ist der Zweck, der damit verfolgt wird, maßgeblich. Wird die Schubhaft primär zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, so besteht keine Verpflichtung des BFA, eine umgehende Einleitung eines Verfahrens zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments vorzunehmen.

II. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, so kommt es dadurch zur Begründung eines faktischen Abschiebeschutzes. Die Einleitung eines Heimreisezertifikatsverfahrens kann folglich erst mit dem Zeitpunkt der Ab- oder Zurückweisung des Antrags erfolgen.
- | Online seit - 14.03.2023
3051

Judikatursammlung

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Beantragung eines Heimreisezertifikats

Die vorliegende Judikaturbesprechung beschäftigt sich mit der bisher in der Rsp ungeklärten Frage, in welchem Stadium der Schubhaft die Beantragung der Ausstellung eines Ersatzreisedokuments zu erfolgen hat. Es stellt sich im gegenständlichen Sachverhalt insb die Rechtsfrage, ob das BFA ein Heimreisezertifikat bereits zu einem Zeitpunkt beantragen muss, an dem die Ausreiseverpflichtung der nicht rechtmäßig aufhältigen fremden Person noch nicht feststeht.

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Rahmen der Schubhaftverhängung ist der Zweck, der damit verfolgt wird, maßgeblich. Wird die Schubhaft primär zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet, so besteht keine Verpflichtung des BFA, eine umgehende Einleitung eines Verfahrens zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments vorzunehmen.

II. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt, so kommt es dadurch zur Begründung eines faktischen Abschiebeschutzes. Die Einleitung eines Heimreisezertifikatsverfahrens kann folglich erst mit dem Zeitpunkt der Ab- oder Zurückweisung des Antrags erfolgen.
- | Online seit - 14.03.2023
2991

Judikatursammlung

Von nationalen Gerichten vorgenommene Interessenabwägung vor Ausweisung ohne ausdrücklichen Verweis auf Judikatur des EGMR

Leitsatz des Gerichts:
I. Obwohl Art 8 EMRK keiner Kategorie von Fremden ein absolutes Recht gewährt, nicht ausgewiesen zu werden, gibt es Umstände, unter denen eine Ausweisung gegen Art 8 EMRK verstößt. Die vom EGMR zur Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Ausweisung herangezogenen Kriterien wurden in Boultif/CH dargelegt. In Üner/NL strich der EGMR zwei weitere Kriterien hervor: das Kindeswohl und die Stärke der sozialen, kulturellen und familiären Bindungen zum Gast- und zum Herkunftsstaat.

II. Bei der Einschätzung der Notwendigkeit eines Eingriffs in ein durch Art 8 EMRK geschütztes Recht genießen die Mitgliedstaaten einen gewissen Ermessensspielraum. Es ist nicht Aufgabe des EGMR, die von den nationalen Gerichten vorgenommene Verhältnismäßigkeitsprüfung nach Art 8 EMRK erneut durchzuführen, wenn unabhängige und unparteiische innerstaatliche Gerichte den Sachverhalt sorgfältig geprüft, die relevanten menschenrechtlichen Standards in Übereinstimmung mit der EMRK und der dazu ergangenen Judikatur angewendet und die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers angemessen gegen die allgemeinen öffentlichen Interessen im konkreten Fall abgewogen haben.

III. Der EGMR wird jedoch eine eigene Verhältnismäßigkeitsprüfung vornehmen, wenn die innerstaatlichen Instanzen die Interessen­abwägung ohne Bezüge auf seine relevante Rsp durchgeführt haben.

IV. In allen Entscheidungen, die Kinder betreffen, ist deren Interessen "erhebliches Gewicht" beizumessen. Allerdings betrifft eine Ausweisungsentscheidung wegen einer Straftat zuallererst den Straftäter selbst. Im Kontext von Abschiebungen wegen einer Straftat hat der EGMR wiederholt akzeptiert, dass die Interessen der Familie durch andere Faktoren, einschließlich der Schwere der Straftat, aufgewogen werden können.

V. Im vorliegenden Fall überwiegen die öffentlichen Interessen an der Ausweisung, weil der Beschwerdeführer über einen Zeitraum von vier Jahren kriminell aktiv war und dabei bei zahlreichen Opfern einen erheblichen finanziellen Schaden verursacht hat, seine Kinder nicht in besonderem Maße von ihm abhängig sind und es ihnen und ihrer Mutter zumutbar wäre, den Beschwerdeführer nach Nigeria zu begleiten.
- | Online seit - 13.03.2023
2989

Judikatursammlung

Unzureichende Untersuchung eines Zwischenfalls in der Ägäis, bei dem mehrere Migranten und Migrantinnen nach einem missglückten Abschleppversuch ertrunken waren

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach einem tödlichen Schiffsunglück, an dem ein Boot der Küstenwache beteiligt war, muss eine angemessene Untersuchung zur Klärung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit durchgeführt werden. Die Opfer bzw deren Angehörige müssen angemessen in das Verfahren eingebunden werden. Die Untersuchung muss sich auch darauf beziehen, ob der Einsatz angemessen vorbereitet und organisiert wurde.

II. Es kann von staatlichen Organen nicht erwartet werden, dass ihnen in einer Gefahrensituation auf Hoher See in jedem Fall die Rettung bzw Bergung jeder Person gelingt. Die Küstenüberwachungsorgane trifft in diesem Kontext eine Verpflichtung, die entsprechenden Mittel bereitzustellen, nicht aber eine Verpflichtung zur Erzielung bestimmter Resultate.

III. Bei Einsätzen der Küstenwache muss das übergeordnete Ziel darin bestehen, das Leben der in Seenot geratenen Personen zu retten. Die Planung und Durchführung von Einsätzen muss diesem Ziel gerecht werden.

IV. Die Durchführung einer Leibesvisitation, bei der sich die betroffenen Personen in Gegenwart zahlreicher anderer Personen entkleiden müssen, stellt eine erniedrigende Behandlung dar.
- | Online seit - 10.03.2023
2988

Judikatursammlung

Unterstellte oppositionelle Gesinnung von syrischen Staatsangehörigen

Leitsatz des Gerichts:
I. Das syrische Regime ist besonders rasch darin, ausgereisten Staatsangehörigen eine oppositionelle Gesinnung zu unterstellen. Dieses Phänomen tritt gerade bei Wehrdienstverweigerung auf.

II. Für die Beurteilung der Asylberechtigung von (behaupteten) syrischen Wehrdienstverweigerern sind folgende Parameter in Rechnung zu stellen: Vorliegen eines konkreten Einberufungsbefehls; wehrfähiges Alter (eine Rekrutierung trotz Überschreitens kommt idR nur bei besonders Qualifizierten vor); bereits abgeschlossene Absolvierung des Militärdiensts; Kontrolle der Heimatregion durch staatliche Organe; Kenntnis des syrischen Regimes vom Aufenthalt in Österreich und dem dortigen Asylverfahren.
- | Online seit - 09.03.2023
2987

Judikatursammlung

Beginn der operativen Geschäftstätigkeit erst mit Anstellung der Schlüsselkraft

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Beschäftiger hat zwar nach § 4b Abs 1 letzter Satz AuslBG den Nachweis über die zur Ausübung der Beschäftigung erforderliche Ausbildung oder sonstige besondere Qualifikation der gewünschten Arbeitskraft zu erbringen. Die Behörde ist in diesem Rahmen aber grundsätzlich an das von der antragstellenden Partei formulierte Anforderungsprofil gebunden.

II. Es ergibt sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch aus der VwGH-Rsp, dass der Arbeitsplatz, der besetzt werden soll, bereits zuvor von einem anderen Arbeitnehmer ausgefüllt gewesen sein muss, also im Betrieb des Arbeitgebers nicht neu geschaffen worden sein darf.

III. Eine Anforderung, wonach der Arbeitsplatz zur Aufrechterhaltung eines bereits laufenden Geschäftsbetriebs erforderlich wäre oder in einem laufenden Unternehmen nicht im Hinblick auf eine Änderung des Geschäftsmodells erforderlich geworden sein dürfe, postuliert weder das Gesetz noch die höchstgerichtliche Rsp, soll doch grundsätzlich der Bedarf des Arbeitgebers nach seinem Anforderungsprofil entsprechenden Arbeitskräften befriedigt werden.

IV. Nur dann, wenn der im Antrag angeführte Arbeitsplatz im Betrieb des Arbeitgebers tatsächlich nicht besetzt werden soll, die Arbeitskraft also gar nicht oder nicht in der behaupteten Art und Weise beschäftigt werden soll, hätte dies zur Antragsabweisung zu führen.

V. Es schadet nicht, wenn die Arbeitgeberin (eine bereits im Firmenbuch eingetragene GesmbH) eine operative Tätigkeit bislang noch nicht entfaltet hat, wenn eine solche entsprechend dem festgestellten Geschäftsplan tatsächlich beabsichtigt ist und bei Besetzung des Arbeitsplatzes aufgenommen werden würde. Dass diese Tätigkeit erst mit dem auf die zu besetzende Arbeitsstelle aufzunehmenden Arbeitnehmer begonnen werden soll, kann eine Abweisung des Antrags oder das Unterlassen einer Arbeitsmarktprüfung daher nicht begründen.

VI. Wenn argumentiert wird, dass eine eigene Rot-Weiß-Rot - Karte für Start-up-Gründer vorgesehen sei, und in diesem Zusammenhang auf § 41 NAG und § 24 AuslBG verwiesen wird, ist dies im Hinblick auf eine beabsichtigte unselbstständige Beschäftigung nicht tragfähig. Bereits der Überschrift zu § 24 AuslBG lässt sich entnehmen, dass sich diese Bestimmung auf eine selbstständige Erwerbstätigkeit von Ausländern bezieht.

VII. Eher spricht der sich aus § 24 AuslBG ergebende Umstand, dass bereits für eine erst beabsichtigte Erwerbstätigkeit eine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden kann, und die in diesem Zusammenhang ausdrücklich angeführte Möglichkeit der Schaffung neuer Arbeitsplätze dafür, dass auch bei unselbstständigen Arbeitnehmern die Durchführung eines Verfahrens für erst zu besetzende Stellen nicht von vornherein ausgeschlossen ist.

VIII. Der Umstand allein, dass zunächst noch keine Gewinne erwirtschaftet werden, lässt nicht den Schluss zu, dass die Lohn- und Arbeitsbedingungen nicht eingehalten werden, kann ein Unternehmen - gerade auch zu Beginn seiner Geschäftstätigkeit - doch auch über weiteres Fremd- oder Eigenkapital, also eine Kreditfinanzierung oder durch Nachschüsse der Gesellschafter ins Gesellschaftsvermögen, finanziert werden.
- | Online seit - 08.03.2023
2986

Judikatursammlung

Tatsächliche Realisierbarkeit der Abschiebung im Hinblick auf volatile Sicherheitslage in Afghanistan

Leitsatz des Gerichts:
Durch die Anhaltung eines afghanischen Staatsangehörigen in Schubhaft wird dieser im Recht auf Freiheit und Sicherheit verletzt, da es an einer Einzelfall- und Verhältnismäßigkeitsprüfung im Hinblick auf die tatsächliche Realisierbarkeit einer zeitnahen Abschiebung vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Afghanistan mangelte.
- | Online seit - 07.03.2023
2985

Judikatursammlung

Krankheitsbedingte Schmerzsymptome als Rückkehrhindernis

Leitsatz des Gerichts:
I. Hinsichtlich der Auslegungen nationaler Rechtsvorschriften ist der EuGH in Verfahren iSd Art 267 AEUV an die Fragen des vorlegenden Gerichts gebunden, mag diese Auslegung auch umstritten sein.

II. Auch Schmerzen können – ungeachtet des konkreten Krankheitsbilds – (insb aufgrund fehlender Therapien) die Erheblichkeitsschwelle des Art 3 EMRK/Art 4 GRC überschreiten. Tatbildlich ist eine rasche, erhebliche und unumkehrbare Zunahme der Schmerzen im Zielstaat. "Rasch" ist aber iS eines zeitlichen Konnexes, nicht iS einer unmittelbaren Verschlechterung nach Rückkehr zu verstehen.

III. Den Mitgliedstaaten ist es grundrechtlich untersagt, für die Zunahme von Schmerzen im Lichte des Refoulementverbots eine bestimmte Frist zu bestimmen, innerhalb derer es ab der Rückkehr dazu kommen muss.

IV. Die Gewährleistung der medizinischen Versorgung, um eine refoulementverbotswidrige Schmerzzunahme (II.) hintanzuhalten, muss nicht nur während des Abschiebeprozederes, sondern auch nach dessen Abschluss gewährleistet sein.

V. Die Wahl und Inanspruchnahme von medizinischen Therapien ist als Teil des "Privatlebens" von Art 7 GRC geschützt.

VI. Wenn medizinisch bedingte Schmerzzunahmen schon die Erheblichkeitsschwelle des absolut gewährten Art 4 GRC nicht erreichen, dann steht auch der – Einschränkungen zugängliche – Art 7 GRC der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nicht entgegen.
- | Online seit - 06.03.2023
2984

Judikatursammlung

Revisionseinbringung per E-Mail außerhalb der Amtsstunden

Leitsatz des Gerichts:
Aus der Kundmachung des Präsidenten des Verwaltungsgerichts vom 13.8.2020 ergibt sich, dass die Amtsstunden und die für den Parteienverkehr bestimmte Zeit von Montag bis Freitag (werktags) - sofern es sich dabei nicht um den Karfreitag oder den 31.12. handelt - mit 7.30 Uhr bis 13.00 Uhr festgelegt sind und dass sämtliche per Telefax oder E-Mail eingebrachten Anbringen nur während der Amtsstunden entgegengenommen werden können, weshalb die außerhalb dieser Amtsstunden an die Empfangsgeräte des Verwaltungsgerichts übermittelten Angaben auch dann, wenn sie bereits in den Verfügungsbereich des Verwaltungsgerichts gelangt sind, erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden als eingebracht (und eingelangt) gelten.
- | Online seit - 03.03.2023
2973

Judikatursammlung

Eigenschaft als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling ungeachtet einer Heirat

Leitsatz des Gerichts:
I. In Konstellationen, in denen es sich in Rechtssachen der Familienzusammenführung beim Zusammenführenden um einen unbegleiteten minderjährigen Flüchtling iSd Art 2 lit f RL 2003/86/EG handelt, ist für dessen Eigenschaft als solcher eine von ihm geschlossene Ehe nicht abträglich. Dabei spielt auch die Frage der Rechtsgültigkeit dieser Ehe im Mitgliedstaat des Aufenthalts keine Rolle.

II. Die Dublin III-VO (604/2013) ist für die Familienzusammenführung nicht relevant, sodass bei der Auslegung von Begriffen der RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL) nicht in einer Zusammenschau mit der genannten VO zu operieren ist.
- | Online seit - 02.03.2023
2983

Judikatursammlung

Zur Aberkennung des Status eines Asylberechtigten aufgrund besonders schwerer Verbrechen iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG

Leitsatz des Gerichts:
I. Das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen iVm dem Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses stellt jedenfalls ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG dar, aufgrund dessen der Status eines Asylberechtigten gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AsylG amtswegig abzuerkennen ist.

II. Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" iSd § 6 Abs 1 Z 4 AsylG vorliegt, ist eine einzelfallbezogene Prüfung unter Berücksichtigung der Tatumstände vorzunehmen. Eine eindeutige Wertung als besonders schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose ohne eingehende Prüfung ist nur in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen zulässig.

III. Stetige Leugnung eines begangenen Verbrechens, mangelnde Reue sowie fehlende Schuldeinsicht und fehlendes Unrechtsbewusstsein deuten im Rahmen der nach § 6 Abs 1 Z 4 AsylG durchzuführenden Gefährdungsprognose auf das Vorliegen einer Gemeingefährlichkeit der fremden Person hin.
- | Online seit - 01.03.2023
2982

Judikatursammlung

Zweckänderungsantrag zugleich Verlängerungsantrag

Leitsatz des Gerichts:
I. Zweckänderungsanträge nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels sind als Verlängerungsanträge nach § 24 Abs 4 NAG zu werten, unabhängig davon, ob sie kurz vor Ablauf des innegehabten Aufenthaltstitels oder früher gestellt worden sind.

II. Ein Zweckänderungsantrag bezweckt jedenfalls auch die Verlängerung des Aufenthaltsrechts in Österreich.

III. Die Deutung des Zweckänderungsantrags nach Ablauf der Gültigkeit der bisherigen Aufenthaltsbewilligung (auch) als Verlängerungsantrag dient der Wahrung der Rechtmäßigkeit des Inlandsaufenthalts der Fremden und ist nicht vor dem Hintergrund allfälliger Erfolgschancen eines solchen Verlängerungsantrags zu sehen.
- | Online seit - 28.02.2023
2981

Judikatursammlung

Rechtsstaatliche Erfordernisse an die Akteneinsicht im Asylverfahren im digitalen Zeitalter; "schriftliche" Bescheiderlassung

Leitsatz des Gerichts:
I. Das Recht auf Akteneinsicht im Asylverfahren durch die rechtsfreundliche Vertretung, wie es in Art 23 Abs 1 RL 2013/32/EU ausgestaltet wird, bezieht sich auf alle (in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht) entscheidungserheblichen Aktenstücke.

II. Auch die Metadaten des (elektronischen) Akts (Zugriffe, Änderungen, etc) sowie dessen Struktur und Chronologie können entscheidungserheblich sein und müssen daher gemäß Art 23 Abs 1 RL 2013/32/EU im Zuge der Akteneinsicht offengelegt werden. Ob dies in der mitgliedstaatlichen Behördenpraxis gewährleistet ist, unterliegt als Tatfrage der Prüfung durch das vorlegende Gericht. Allerdings kann der geschilderte Umfang der Akteneinsicht hinsichtlich einzelner Bestandteile aus Gemeinwohlbelangen eingeschränkt werden.

III. Das (elektronische) Format der Gewährung von Akteneinsicht wird unionsrechtlich nicht vorgegeben: Es müssen nur die in I. und II. genannten Bestandteile und Umstände offengelegt werden, soweit sie entscheidungserheblich sind. Dass für deren vollständige Ermittelbarkeit allenfalls eine kostenlose Software heruntergeladen werden muss, ist als nicht schwerwiegender Eingriff mit Art 47 GRC vereinbar (iSd Art 52 Abs 1 GRC).

IV. Das in Art 11 Abs 1 RL 2013/32/EU statuierte Gebot, Bescheide "schriftlich" auszufertigen, bedeutet (anders als in der Terminologie des deutschen und österreichischen Zivilrechts) nicht, dass sich auf der Ausfertigung die (Original-)Unterschrift des Organwalters befinden muss.
- | Online seit - 27.02.2023
2980

Judikatursammlung

Keine Belehrung über Zusatzantrag gemäß § 21 Abs 3 NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt wurde, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs 1 und 3 NAG, allerdings ist dann, wenn der Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts überschritten hat, der Versagungsgrund nach § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklicht.

II. Bei Verwirklichung des Versagungsgrundes des § 11 Abs 1 Z 5 NAG hat (mangels Anwendbarkeit des § 21 Abs 3 NAG) keine Belehrung über einen Zusatzantrag zu ergehen, sondern ist vom Verwaltungsgericht eine Interessenabwägung iSv § 11 Abs 3 NAG vorzunehmen.
- | Online seit - 24.02.2023
2978

Judikatursammlung

Inanspruchnahme der Dienstleistungsfreiheit ist kein Freizügigkeitssachverhalt

Leitsatz des Gerichts:
I. § 57 NAG stellt auf die Inanspruchnahme des unionsrechtlichen Freizügigkeitsrechts iSv Art 7 Abs 1 lit a, b oder c der RL 2004/38/EG ab. Die Unionsbürger-RL regelt allein die Voraussetzungen, unter denen ein Unionsbürger in andere Mitgliedstaaten als in den seiner eigenen Staatsangehörigkeit einreisen und sich dort aufhalten darf. Ohne Vorliegen eines Freizügigkeitssachverhalts iSd Art 3 der Unionsbürger-RL ist diese nicht anzuwenden.

II. Mit dem bloßen Erbringen von Dienstleistungen an Kunden in anderen Mitgliedstaaten wird nicht vom Recht auf Freizügigkeit in einem anderen Mitgliedstaat iSd § 57 NAG Gebrauch gemacht.
- | Online seit - 23.02.2023
2977

Judikatursammlung

Befreiungsschein nach § 4c Abs 2 AuslBG verschafft per se keine Niederlassung iSd NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Wer die Rechtsstellung gemäß Art 6 Abs 1 dritter Spiegelstrich ARB 1/80 innehat, ist als niedergelassen iSd § 2 Abs 2 NAG anzusehen.

II. Die Erteilung eines Befreiungsscheins nach § 4c Abs 2 AuslBG verschafft kein Beschäftigungs- oder Aufenthaltsrecht, sondern hat für die Anerkennung der unmittelbar aus dem ARB 1/80 gewährten Rechte nur deklaratorische Bedeutung und Beweisfunktion. Alleine mit der Ausstellung eines Befreiungsscheins ist keine Niederlassung iSd § 2 Abs 2 NAG verbunden.
- | Online seit - 22.02.2023
2976

Judikatursammlung

Zum aufrechten Einreiseverbot als absoluten Versagungsgrund für einen Aufenthaltstitel

Leitsatz des Gerichts:
I. § 11 Abs 1 Z 1 NAG stellt auf das Bestehen eines aufrechten Einreiseverbots ab. Für das Vorliegen dieses Erteilungshindernisses ist es nicht von Belang, aus welchen Gründen das Einreiseverbot erlassen wurde bzw ob das Einreiseverbot nach Ansicht des Revisionswerbers zu Unrecht verhängt wurde.

II. Beim Erteilungshindernis nach § 11 Abs 1 Z 1 NAG handelt es sich um einen absoluten Versagungsgrund, bei dessen Vorliegen § 11 Abs 3 NAG nicht anwendbar und demnach keine Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK vorzunehmen ist.

III. Das automatische, keine Abwägung im Hinblick auf Art 8 EMRK ermöglichende Anknüpfen von § 11 Abs 1 Z 1 NAG an das Bestehen eines aufrechten Einreiseverbots (bzw Aufenthaltsverbots) begegnet keinen verfassungs- oder unionsrechtlichen Bedenken. Für eine Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens sprechende Gründe sind bei Erlassung des Einreiseverbots zu berücksichtigen. Maßgebliche nachträgliche Änderungen können - sofern nicht ohnehin eine Aufhebung des Einreiseverbots in Betracht kommt - im Zuge eines Antrags nach § 55 AsylG ins Treffen geführt werden. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG führt nach § 60 Abs 3 Z 2 FPG wiederum zur Gegenstandslosigkeit der Rückkehrentscheidung und damit auch des Einreiseverbots.

IV. Ob im Falle der Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels für den Revisionswerber dessen österreichische Ehefrau und das gemeinsame Kind im Kernbestand ihrer Unionsbürgerrechte beeinträchtigt und gezwungen wären, das Unionsgebiet zu verlassen, ist im Rahmen einer Einzelfallprüfung zu beurteilen, deren Ergebnis nur dann der VwGH-Kontrolle unterliegt, wenn die Beweiswürdigung in die Rechtssicherheit beeinträchtigender, unvertretbarer Weise vorgenommen worden ist.
- | Online seit - 21.02.2023
2975

Judikatursammlung

Irrtümliche Einbringung der Revision beim VwGH oder "Die ansonsten stets zuverlässige Kanzleikraft zur Vorweihnachtszeit"

Leitsatz des Gerichts:
Die irrtümliche Einbringung der Revision beim VwGH stellt kein bloßes Versehen bei der Abwicklung technischer Vorgänge bzw manipulativer Tätigkeiten dar, sondern betrifft die Rechtsfrage, bei welcher Stelle eine Revision einzubringen ist; dazu sind eindeutige Anordnungen zu treffen und deren Einhaltung zu überwachen. Der Umstand, der Vertreter habe seiner Kanzleikraft im Diktat aufgetragen, die Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen, entbindet nicht vom Erfordernis einer entsprechenden Überwachung.
- | Online seit - 20.02.2023