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3058

Judikatursammlung

Auflagen nach § 56 FPG dürfen bloß während der Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt werden

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Weitergeltung von Auflagen (§ 56 FPG) nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise wird einerseits vorausgesetzt, dass diese bereits während des Fristenlaufs gesetzt wurden. Andererseits muss zumindest ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem ungenützten Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise und der Festsetzung der Auflagen bestehen. Wird nach dem ungenützten Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise mit der Festsetzung von Auflagen gemäß § 56 FPG mehrere Monate zugewartet, so kommt weder eine Weitergeltung der Auflagen in Betracht noch ist der erforderliche zeitliche Konnex gegeben.

II. Die Festsetzung von Auflagen iSd § 56 FPG darf nur erfolgen, wenn ein Interesse betreffend die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit besteht oder Auflagen zur Vermeidung von Fluchtgefahr geboten sind. Entspricht die Auflage keiner der angeführten Voraussetzungen, so ist diese als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

III. Da sich aus Art 7 Abs 3 RückführungsRL die Festlegung von Verpflichtungen bloß während der Dauer der freiwilligen Ausreisefrist und zur Vermeidung von Fluchtgefahr ergibt, kann aus ihrem Wortlaut nicht abgeleitet werden, dass die Mitgliedstaaten zur Festlegung solcher Verpflichtungen auch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ermächtigt werden, zumal der Begriff "Fluchtgefahr" nicht mit jenem der "Gefahr für die öffentliche Ordnung" gleichzusetzen ist. Damit bestehen Zweifel an der Vereinbarkeit des § 56 FPG mit den in der RückführungsRL festgesetzten unionsrechtlichen Vorgaben.
- | Online seit - 12.06.2023
3050

Judikatursammlung

Zum Selbsteintritt im Dublin-System in Hinblick auf das Kindeswohl

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 16 Abs 1 Dublin III-VO, der ermessensleitende Funktion in dem Sinne hat, dass vom Antragsteller abhängige Personen oder solche, von denen er abhängt, mit ihm "in der Regel" zusammenzuführen sind, ist nicht auf Abhängigkeitsverhältnisse des Antragstellers oder dessen Kindes zum Ehegatten anzuwenden.

II. Die Kindeswohlklausel des Art 6 Dublin III-VO verpflichtet die Mitgliedstaaten nicht dazu, Asylanträge zu behandeln, für die sie nicht schon nach den Zuständigkeitsvorschriften der VO zuständig sind.

III. Art 17 Abs 1 Dublin III-VO ("Selbsteintrittsklausel") ist weit auszulegen. Da die Mitgliedstaaten aufgrund allerlei Erwägungen originär nicht gegebene Zuständigkeiten für Asylverfahren übernehmen können, dürfen sie in ihrem nationalen Recht auch vorsehen, dass ihre Behörden Anträge alleine aus Gründen des Wohls des Kindes inhaltlich zu prüfen haben.
- | Online seit - 09.06.2023
3049

Judikatursammlung

Gebot des Grundrechtsschutzes schon gegen Rückkehrentscheidungen und nicht erst gegen deren Vollzug

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 5 lit a und b RL 2008/115/EG ist dahin auszulegen, dass die dort genannten (grund-)rechtlich geschützten Positionen (Wohl des Kindes und familiäre Bindungen) in jedem Verfahrensstadium zu berücksichtigen sind.

II. Es ist mit Art 5 lit a und b RL 2008/115/EG unvereinbar, wenn die dort genannten (grund-)rechtlich geschützten Positionen nicht schon im Rahmen des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung sowie im dagegen gerichteten Rechtsmittel in Anschlag gebracht werden können, sondern nur in einem abgesonderten Verfahren eine Aussetzung des Vollzugs der Rückkehrentscheidung erreicht werden kann.
- | Online seit - 07.06.2023
3057

Judikatursammlung

Zur maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung oder Zwangsrekrutierung bei Kindern

Leitsatz des Gerichts:
I. Werden Kinder deshalb zu alleinstehenden Kindern, weil sie von ihren Eltern unbegleitet nach Österreich geschickt werden, so sind diese (zumindest, wenn sie gemeinsam mit ihren Eltern aus dem Herkunftsstaat ausreisten) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten so zu behandeln, als befänden sie sich noch in der Obhut der Eltern. Würde diesen Kindern alleine aus diesem Grund eine Asylberechtigung zuerkannt werden, würde den Eltern, die in manchen Fällen durch das alleine Weiterschicken der Kinder § 92 StGB verwirklichen (sofern sie in die Zuständigkeit Österreichs fallen), der Rechtsvorteil des Familienverfahrens und somit die Gewährung des Status von Asylberechtigten eröffnet werden, den sie ansonsten nicht erhalten hätten.

II. Das syrische Regime verfolgt Kinder nicht aufgrund der Tatsache, dass es sich um Kinder handelt und diese (insb wenn sie alleinstehend sind) zu einer vulnerablen Gruppe zählen, sondern weil sie Kinder von politisch Oppositionellen sind. Verfolgt werden in diesem Zusammenhang jedoch nicht nur Kinder, sondern alle nahen Verwandten jeden Alters und Geschlechts von Oppositionellen.

III. Alleine aus dem Umstand, dass der syrische, jedoch im Libanon lebende, Vater eines minderjährigen syrischen, in Österreich aufhältigen, Kindes einer Verfolgung ausgesetzt ist, lässt sich insb dann keine aktuelle wahrscheinliche Verfolgungsgefahr für das Kind ableiten, wenn sich bspw andere Verwandte (hier: die Großeltern) in Syrien aufhalten und diese keinen Verfolgungshandlungen ausgesetzt sind.
- | Online seit - 06.06.2023
3053

Judikatursammlung

Freiwillige Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaats bei einer Reise dorthin?

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Voraussetzungen des Art 1 Abschnitt C Z 1 GFK zur Asylbeendigung werden nicht durch einen temporären Aufenthalt im Heimatstaat unter Verwendung einer zeitlich befristeten Aufenthaltserlaubnis mit dem Zweck des Besuchs eines kranken Elternteils erfüllt.

II. Beim Tatbestand der "erneuten freiwilligen Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaats" gemäß Art 1 Abschnitt C Z 1 GFK ist stets zu unterscheiden, ob ein Reisepass beantragt wurde oder lediglich eine temporär gültige Aufenthaltserlaubnis.
- | Online seit - 05.06.2023
3055

Judikatursammlung

Fehlende Prüfung der Haftbedingungen in Malta für Dublin-Rückkehrer

Leitsatz des Gerichts:
Durch die Anordnung der Außerlandesbringung eines Staatsangehörigen von Syrien nach Malta im Rahmen eines Dublin-Verfahrens wird dieser in seinen Rechten verletzt, da keine Auseinandersetzung mit Länderberichten zu den Haftbedingungen für Dublin-Rückkehrer in Malta erfolgte.
- | Online seit - 02.06.2023
3052

Judikatursammlung

Zu berücksichtigende Aufenthalte im Lichte des Art 8 EMRK

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Interessenabwägung im Zuge der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen iSd Art 8 EMRK iVm § 9 BFA-VG ist auch ein früherer Aufenthalt in Österreich im Ausmaß von 14 Jahren zu berücksichtigen, der mit einer Abschiebung endete und sohin bereits in einem damaligen Verfahren gewürdigt worden war.

II. Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen (§§ 54 ff AsylG) werden mangels Beschwer gegenstandslos, wenn ein solcher Aufenthaltstitel schon von Amts wegen zu erteilen ist.
- | Online seit - 01.06.2023
3048

Judikatursammlung

Ermittlungspflicht hinsichtlich der tatsächlichen Situation für Schutzberechtigte in Griechenland im Falle der Rückkehr

Leitsatz des Gerichts:
Im Falle einer Rückkehr als Schutzberechtigter nach Griechenland muss zumindest für eine Übergangszeit eine materielle Versorgung gewährleistet sein.
- | Online seit - 31.05.2023
3047

Judikatursammlung

Bestehen von asylrechtlich relevanter Verfolgung in Bezug auf die Volksgruppe der Rohingya

Leitsatz des Gerichts:
I. Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insb seine wahre Bedrohungssituation im Herkunftsstaat, vorzubringen.

II. Nur im Fall deutlicher Hinweise im Vorbringen zu einem Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung iSd GFK in Frage kommt, hat die Behörde in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen.

III. Es ist von einer zwangsweisen Umsiedelung von Rohingyas und einer wesentlichen Benachteiligung dieser Volksgruppe auszugehen. Demgemäß ist ebenso davon auszugehen, dass Angehörige der Rohingya einer Verfolgung durch die Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt sind.
- | Online seit - 30.05.2023
3044

Judikatursammlung

Zur Prüfung der Heimatregion

Leitsatz des Gerichts:
In seiner Rsp zur Rechtslage nach dem AsylG 1997 hat der VwGH in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), den ursprünglichen Aufenthaltsort als Heimatregion angesehen.
- | Online seit - 26.05.2023
3046

Judikatursammlung

Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Fluchtgrund der Wehrdienstverweigerung bei Widersprüchen und Unvereinbarkeiten mit den Länderfeststellungen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Gefahr einer Wehrdienstverweigerern bzw Deserteuren im Herkunftsstaat drohenden Bestrafung kann Asylrelevanz zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den angedrohten bzw verhängten Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

II. Die behauptete Furcht, allein durch Bürgerkriegshandlungen möglicherweise zu Schaden zu kommen, stellt ohne Hinzutreten weiterer Umstände keine asylrelevante Verfolgung dar.
- | Online seit - 25.05.2023
3045

Judikatursammlung

Verletzung der Mitwirkungspflicht hinsichtlich der Beseitigung von Ausreise- bzw Abschiebungshindernissen steht einer Duldung entgegen

Leitsatz des Gerichts:
Es ist grundsätzlich gerechtfertigt, die Voraussetzungen für eine Duldung gemäß § 46a Abs 1 Z 3 FPG als nicht gegeben anzusehen, wenn der Fremde der sich aus § 46 Abs 2 FPG ergebenden Verpflichtung, das Ausreise- und/oder Abschiebehindernis in Form des Fehlens eines gültigen Reisedokumentes aus eigenem zu beseitigen, nicht nachgekommen ist.
- | Online seit - 24.05.2023
3043

Judikatursammlung

Unverhältnismäßigkeit eines Einreiseverbotes nach vereinzelten illegalen Einreisen und wegen Mittellosigkeit

Leitsatz des Gerichts:
I. Damit ein befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 2 FPG gerechtfertigt werden kann, muss eine entsprechende Gefährdung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder anderer in Art 8 Abs 2 EMRK genannter Schutzgüter vorliegen. Verstöße gegen Fremdenrecht müssen hinreichend qualifiziert sein.

II. Für die Frage der Qualität von Verstößen gegen Fremdenrecht (I.) spielt deren Häufung ebenso eine Rolle wie das Vorliegen eines Rechtsirrtums des Drittstaatsangehörigen. Auch erscheint die öffentliche Ordnung weniger beeinträchtigt, wenn der Drittstaatsangehörige Ehegatte einer Person mit Unionsbürgerschaft ist und in deren Beisein ohnehin frei durch die EU-Mitgliedstaaten reisen könnte.

III. Die Verwaltungsgerichte haben auf Basis der Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung ihrer Entscheidungen zu judizieren. Dementsprechend haben sie eine zwischenzeitig in Kraft getretene Aufhebung einer maßgebenden Bestimmung durch den VfGH zu berücksichtigen. Folglich ist auch § 53 Abs 2 Z 6 FPG in Entscheidungen seit dem Inkrafttreten seiner Aufhebung durch den VfGH (28.12.2022, BGBl I 202/2022) nicht mehr anzuwenden.
- | Online seit - 23.05.2023
3036

Judikatursammlung

Zur Aufenthaltstitelentziehung nach § 28 Abs 6 NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Die in § 28 Abs 6 NAG getroffene Anordnung ist verfassungskonform dahin zu verstehen, dass die inhaltliche Richtigkeit der Mitteilung des AMS der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle uneingeschränkt und umfassend unterliegt.

II. Bei Fehlen einer Sozialversicherungsanmeldung, die (ua hinsichtlich der Beitragsgrundlagen) den für die Zulassung als sonstige Schlüsselkraft maßgeblichen Voraussetzungen entspricht, ist grundsätzlich gemäß § 28 Abs 6 NAG vorzugehen.

III. Die Entziehung eines Aufenthaltstitels entfaltet mangels anderer gesetzlicher Anordnung Rechtswirkungen ex nunc und wirkt nicht auf in der Vergangenheit gelegene Zeiträume zurück. Der Entzug bereits abgelaufener Aufenthaltstitel ist unzulässig.

IV. Ein rechtzeitig vor Ablauf des Aufenthaltstitels gestellter Zweckänderungsantrag führt - auch wenn der Aufenthalt des Fremden im Hinblick auf den zuletzt erteilten Titel während des anhängigen Verfahrens rechtmäßig ist (§ 24 Abs 1 NAG) - nicht dazu, dass der betreffende Titel nach Ablauf seiner Gültigkeitsdauer gestützt auf § 28 Abs 6 NAG entzogen werden dürfte.
- | Online seit - 22.05.2023
3041

Judikatursammlung

Einbeziehen ausländischer Verurteilungen in Gefährdungsprognose nach § 67 Abs 1 FPG

Leitsatz des Gerichts:
I. Auch Straftaten, die ausländischen Verurteilungen zugrunde lagen, dürfen in die Gefährdungsprognose einbezogen werden.

II. Auch ein festgestelltes Fehlverhalten eines Fremden, das (noch) nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat, kann zur Beurteilung der für ein Aufenthaltsverbot erforderlichen Gefährdungsprognose herangezogen werden.

III. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit eines Fremden muss nicht in jedem Fall zu einer positiven Gefährdungsprognose führen. Vielmehr kann sich auch aus besonderen Umständen in dessen Person eine vom Fremden ausgehende Gefährlichkeit ergeben.
- | Online seit - 19.05.2023
3039

Judikatursammlung

Keine Abschiebehaft ohne eine hinreichend klare gesetzliche Grundlage im nationalen Recht

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 6 GRC hat iSd Art 52 Abs 3 GRC die gleiche Tragweite wie Art 5 EMRK.

II. Art 6 GRC (Art 5 EMRK) verlangt für Inhaftierungen zum Zwecke der Sicherung der Durchführung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine gesetzliche Grundlage, die den Anforderungen der Klarheit, Vorhersehbarkeit, Zugänglichkeit und des Schutzes vor Willkür (Begrenzung von Ermessen und Determinierung des behördlichen Vorgehens) genügt.

III. Es ist den Mitgliedstaaten grundrechtlich durch Art 6 GRC (Art 5 EMRK) verwehrt, Eingriffe in die persönliche Freiheit Fremder auf ein allgemeines Kriterium, nämlich dass die wirksame Durchführung der Abschiebung beeinträchtigt werde, zu stützen, ohne dass ein spezifischer gesetzlicher Haftgrund vorliegt. Ebenso ist es ihnen untersagt, den zugrunde liegenden Art 15 Abs 1 RL 2008/115/EG unmittelbar anzuwenden.
- | Online seit - 17.05.2023
3106

Aufsatz

Frauen im Asylverfahren - § 20 AsylG 2005 und andere Aspekte geschlechtssensibler Verfahrensführung

In diesem Beitrag wird dargelegt, welche geschlechts- bzw konkret frauenspezifischen Komponenten im Asylverfahren auf Verfahrensebene zu beachten sind. Ein Fokus liegt hierbei auf § 20 AsylG, der das Recht auf die Befragung durch eine Person des gleichen Geschlechts normiert, wenn ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vorgebracht wird. Darüber hinaus werden Empfehlungen zu geschlechtssensiblen Aspekten von Befragung und Dolmetschung sowie im Zusammenhang mit der amtswegigen Ermittlungspflicht gemäß § 18 AsylG vorgestellt.

Leitsatz des Gerichts:
- | Online seit - 16.05.2023
3042

Judikatursammlung

Lange Aufenthaltsdauer, private Integration und Gesinnungswandel vs strafrechtliche Verurteilung und mangelnde berufliche Integration

Leitsatz des Gerichts:
I. Da ein zehn Jahre übersteigender Aufenthalt von Asylwerbern nach der höchstgerichtlichen Judikatur sehr stark für einen Verbleib in Österreich spricht, muss dies grds umso mehr bei einem 18 Jahre andauernden Aufenthalt von Fremden, denen bereits der Status von Asylberechtigten zuerkannt wurde, gelten.

II. Bei einer Interessenabwägung im Zusammenhang mit einem mehrere Jahre andauernden Aufenthalt sind die Wertungen der ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände des § 9 Abs 4 BFA-VG (aufgehoben durch das FrÄG 2018, BGBl I 56/2018) weiterhin zu beachten. Aus diesem Grund ist die Beendigung eines qualifizierten, lange andauernden Aufenthalts einer fremden Person nur verhältnismäßig, wenn diese eine besonders verwerfliche Straftat begangen hat, aus welcher eine maßgebliche Gefährdung öffentlicher Interessen resultiert.

III. Die Vorlage einer Einstellungszusage ist bei einer Abwägung im Rahmen einer Aufenthaltsbeendigung iSd beruflichen Integration positiv zu werten. Allerdings wird dies relativiert, wenn die fremde Person trotz eines langjährigen Aufenthalts nur eine spärliche Berufserfahrung vorweisen kann und nicht nur vorübergehend auf Transferleistungen der öffentlichen Hand angewiesen ist.
- | Online seit - 16.05.2023
3040

Judikatursammlung

Die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 1 steht einer Abschiebung beim Vorliegen entsprechender Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat nicht entgegen

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine leicht behandelbare Erkrankung steht einer Rückführung in das Herkunftsland nicht entgegen, sofern die notwendigen Medikamente dort verfügbar sind und der gesundheitliche Zustand des Beschwerdeführers stabil ist.

II. Sofern der Beschwerdeführer physisch und psychisch dazu in der Lage ist, die Tragweite seiner Erkrankung sowie die Konsequenzen einer unterbleibenden oder mangelhaften Befolgung ärztlicher Anweisungen und einer mangelhaften Vorsorge zu begreifen, darf von ihm verlangt werden, dass er die erforderliche Mitwirkung zur Aufrechterhaltung seines Gesundheitszustandes (auch) im Herkunftsstaat unternimmt.
- | Online seit - 15.05.2023
3037

Judikatursammlung

Bestimmung der Zuständigkeit im Dublin-System bei mehreren Wiederaufnahmeverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. In Konstellationen, in denen ein Antragsteller nach Antragstellung im ersten Mitgliedstaat in einen zweiten Mitgliedstaat weiterreist, dieser ein Wiederaufnahmeersuchen gegenüber dem ersten anstrengt, welchem zugestimmt wird, woraufhin der Antragsteller in einen dritten Mitgliedstaat weiterreist, der ebenso ein erfolgreiches Wiederaufnahmeersuchen gegenüber dem ersten einleitet, ist bei der Bestimmung der Zuständigkeit folgendermaßen zu verfahren: Sobald die Überstellungsfrist für den zweiten Mitgliedstaat abgelaufen ist, tritt die Rechtsfolge des Art 29 Abs 2 Dublin III-VO ein und es kommt zum Zuständigkeitsübergang auf diesen Mitgliedstaat, ungeachtet des Ergebnisses im Verfahren zwischen drittem und erstem Mitgliedstaat.

II. Dem dritten Mitgliedstaat ist in den beschriebenen Konstellationen die Überstellung von Antragstellern in den ersten verwehrt. Wohl aber kann er unter Wahrung der Frist des Art 23 Abs 2 Dublin III-VO ein Wiederaufnahmegesuch an den zuständig gewordenen zweiten Mitgliedstaat stellen.

III. Etwas anderes gilt nur, wenn es bereits vor dem Zeitpunkt des Ablaufes der Überstellungsfrist, die dem zweiten Mitgliedstaat zur Verfügung steht, zu einem Zuständigkeitsübergang auf den dritten gemäß Art 23 Abs 2 Dublin III-VO kommt, weil er es verabsäumt hat, seinerseits innerhalb von zwei Monaten ein Wiederaufnahmegesuch zu stellen.

IV. Antragstellern muss gemäß Art 47 GRC iVm Art 27 Dublin III-VO im Mitgliedstaat der dritten Antragstellung ein gerichtlicher Rechtsbehelf offen stehen, in dessen Rahmen sie einen Zuständigkeitsübergang auf den Mitgliedstaat der zweiten Antragstellung vorbringen können. Ein Mitgliedstaat muss, wenn er in seinem nationalen Recht das Neuerungsverbot vorsieht, dieses Vorbringen nicht im Rahmen des Rechtsbehelfs gegen die Überstellungsentscheidung zulassen. Stattdessen kann er dafür auch einen eigenen effektiven Rechtsbehelf zur Verfügung stellen.
- | Online seit - 12.05.2023