Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Zeige 381 bis 400 von 3427

3113

Judikatursammlung

Auch im Ausland geschlossene Stellvertreterehen sind in der Regel anzuerkennen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die österreichische Vollziehung hat vom ordre public-Vorbehalt des § 6 IPRG nur zurückhaltend Gebrauch zu machen. In Bezug auf im Ausland geschlossene Ehen begründet ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften nicht bereits einen "ordre public"-Verstoß. Insb Zwangsehen und Kinderehen ist die Anerkennung zu verweigern.

II. Eine nach syrischem Recht wirksame Eheschließung, die im Wege der Stellvertretung (entgegen dem österreichischen Recht, konkret § 17 EheG) erfolgte, ist von der Vollziehung und sohin auch von den Fremdenbehörden anzuerkennen, wenn ihr ein Ehewillen zugrunde liegt.

III. Bevor es Stellvertreterehen nach den strengen Kriterien des § 6 IPRG die Anerkennung verweigert, hat das BFA im Botschaftsverfahren (§ 35 AsylG) Feststellungen zur ausländischen Eherechtslage als Tatfrage, zu den Modalitäten der Eheschließung sowie zur Beziehung der Eheleute zueinander zu treffen, widrigenfalls der Behörde krasse Ermittlungslücken iSd § 28 Abs 3 VwGVG anzulasten sind.
- | Online seit - 22.08.2023
3111

Judikatursammlung

"Daueraufenthalt - EU" erfordert Rechtmäßigkeit der fünfjährigen ununterbrochenen Niederlassung

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Erteilung des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" gemäß § 45 NAG ist eine in den letzten fünf Jahren ununterbrochene rechtmäßige Niederlassung erforderlich; eine bloß tatsächliche fünfjährige Niederlassung genügt nicht.

II. Unabhängig davon, ob der aufgrund einer Legitimationskarte gemäß dem hier noch maßgeblichen § 95 FPG rechtmäßige Aufenthalt als Niederlassung iSd § 2 Abs 2 NAG gilt, begründet die über Antrag des Fremden erst nach Ablauf der Gültigkeitsdauer seiner Legitimationskarte gemäß § 95 FPG ausgestellte Verlängerung weder ein rückwirkendes Aufenthaltsrecht, noch wird dadurch ein unrechtmäßiger Aufenthalt legalisiert.
- | Online seit - 21.08.2023
3119

Judikatursammlung

Verhängung eines Aufenthaltsverbots gegen einen vermindert schuldfähigen psychisch kranken Rechtsbrecher, der im Herkunftsstaat nicht behandelt würde

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Mitgliedstaaten sind befugt, auch seit vielen Jahren niedergelassene Fremde auszuweisen, doch müssen gewichtige Gründe für die Aufenthaltsbeendigung sprechen. Diese können sich unter anderen aus einer Straffälligkeit ergeben. Vor einer solchen Entscheidung müssen sie jedoch eine Abwägung der Interessen des Fremden an der Fortsetzung seines Privat- bzw Familienlebens im Aufenthaltsstaat und dem öffentlichen Interesse an der Beendigung seines Aufenthalts vornehmen. Der EGMR wird diese Abwägung akzeptieren, wenn sie auf seinen in stRsp entwickelten Kriterien (insb Üner gegen die Niederlande, Maslov gegen Österreich, Savran gegen Dänemark) beruht und keine gewichtigen Gründe dafür vorliegen, diese Abwägung durch eine vom EGMR selbst vorgenommene zu ersetzen.

II. Bei der von Art 8 EMRK gebotenen Interessenabwägung vor der Ausweisung eines niedergelassenen Fremden sind auch medizinische Aspekte zu berücksichtigen, wie insb die Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der notwendigen Behandlung im Herkunftsstaat.

III. Im Fall der Ausweisung eines straffällig gewordenen Fremden, dessen Schuldfähigkeit aufgrund einer psychischen Erkrankung herabgesetzt ist, müssen sowohl die Schwere der begangenen Straftaten als auch die verminderte Schuldfähigkeit berücksichtigt werden. Diese kann das Gewicht der Straftaten bei der Interessenabwägung mindern.

IV. Wiederholte Verurteilungen wegen Vermögens- und Gewaltdelikten und eine Verurteilung wegen Vergewaltigung stellen sehr schwerwiegende Gründe dar, die eine Ausweisung eines seit Kindheit rechtmäßig aufhältigen Fremden rechtfertigen können.

V. Die Ausweisung ist in einem solchen Fall jedoch nicht mit Art 8 EMRK vereinbar, wenn die innerstaatlichen Gerichte bzw Behörden den psychischen Zustand des Betroffenen nicht ausreichend berücksichtigt haben, aufgrund dessen die Schuldfähigkeit vermindert war und eine fortgesetzte Behandlung geboten ist.
- | Online seit - 18.08.2023
3110

Judikatursammlung

Aufenthaltstitel: konkreter Gültigkeitsbeginn anzugeben

Leitsatz des Gerichts:
Die Erteilung eines Aufenthaltstitels durch ein Verwaltungsgericht mit der Maßgabe "für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum" bzw "ab Ausstellung des Dokuments" entspricht nicht dem Gesetz.
- | Online seit - 17.08.2023
3107

Judikatursammlung

Feststellungsantrag zu Aufenthaltsrecht nach ARB 1/80 unzulässig

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein rechtliches Interesse des Betroffenen an einer Bescheinigung bzw an einer deklarativen Feststellung des ihm nach dem ARB 1/80 zustehenden Aufenthaltsrechts ist zwar anzuerkennen. Allerdings wird dem Interesse an der Dokumentation einer aus dem ARB 1/80 erfließenden Berechtigung dadurch Rechnung getragen, dass gemäß § 4c AuslBG eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen ist, wenn türkische Staatsangehörige die Voraussetzungen nach Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 erfüllen. Die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen des Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 wird somit in einem Verfahren nach § 4c AuslBG geklärt; diese Aussagen sind auch auf Fälle nach Art 6 Abs 1 zweiter Spiegelstrich ARB 1/80 übertragbar.

II. Ein Antrag auf Feststellung eines Aufenthaltsrechts nach dem ARB 1/80 ist unzulässig. In diesem Zusammenhang erhobene Bedenken in Bezug auf die Möglichkeit zur Aus- und Wiedereinreise sind nicht stichhaltig.

III. Türkische Staatsangehörige genießen nach dem ARB 1/80 keine Freizügigkeit innerhalb der Gemeinschaft.

- | Online seit - 16.08.2023
3104

Judikatursammlung

Trennung vom österreichischen Ehepartner nur aus ganz besonders wichtigen Gründen

Leitsatz des Gerichts:
I. Der VwGH geht in stRsp davon aus, dass die Trennung von einem österreichischen Ehepartner vor dem Hintergrund des Art 8 EMRK nur dann gerechtfertigt ist, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme der aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug".

II. Die vom LVwG angeführte "Achtlosigkeit" der Revisionswerberin im Hinblick auf die rechtzeitige Verlängerung ihres Aufenthaltstitels kann einer Straffälligkeit oder einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" iSd stRsp des VwGH nicht annähernd gleichgehalten werden, weshalb sich auch eine nur vorübergehende, jedenfalls aber nicht ganz kurzfristige (siehe nur die rund fünfzehnmonatige Dauer des Erstverfahrens), Trennung der Revisionswerberin von ihrem österreichischen Ehemann eben gerade nicht als gerechtfertigt erweist.
- | Online seit - 14.08.2023
3109

Judikatursammlung

Unzureichende Aufnahmebedingungen für schwangere Frau im Aufnahmezentrum Samos

Leitsatz des Gerichts:
I. Angesichts des absoluten Charakters von Art 3 EMRK kann ein Staat durch eine Situation des erhöhten Zustroms von Migranten und Asylwerberinnen und den damit verbundenen Schwierigkeiten nicht von seinen aus dieser Bestimmung resultierenden Verpflichtungen befreit werden.

II. Die Anwendung von Art 3 EMRK setzt voraus, dass eine Misshandlung ein gewisses Mindestmaß an Schwere erreicht. Diese Schwelle hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, ihren physischen und psychischen Wirkungen und in manchen Fällen vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Opfers.

III. Im Fall einer fortgeschrittenen Schwangerschaft besteht ein Bedarf nach besonderer Pflege.

IV. Im Sommer und Herbst 2019 herrschten nach übereinstimmenden Berichten der Menschenrechtskommissarin, des UNHCR, der griechischen Menschenrechtskommission sowie zahlreicher NGOs Lebensbedingungen, die nicht den von Art 3 EMRK geforderten Mindeststandards entsprachen.
- | Online seit - 11.08.2023
3105

Judikatursammlung

Kein überwiegendes Behördenverschulden an Säumnis angesichts der aktuellen Überlastung des BFA

Leitsatz des Gerichts:
I. Damit eine zulässige Säumnisbeschwerde auch begründet ist, muss die Säumnis auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sein (§ 8 Abs 1 letzter Satz VwGVG). Dies ist insb dann der Fall, wenn die Behörde die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet. Ein allgemeiner Hinweis auf eine Überlastung genügt nicht.

II. Wohl aber kann eine Potenzierung des Arbeitsanfalls bei der Behörde, ohne dass dem auch nur annähernd entsprechende personelle Aufstockungen gegenüberstünden, das Verschulden der Behörde als nicht mehr überwiegend erscheinen lassen, selbst dann, wenn den Antragsteller gar kein Verschulden trifft. Die gegenwärtige Überlastung des BFA begründet einen solchen Sonderfall. Dieser Umstand kann nicht dadurch relativiert werden, dass das BFA nicht bei allen Asylverfahren die Entscheidungsfrist von sechs Monaten überschreitet.
- | Online seit - 10.08.2023
3103

Judikatursammlung

Schriftliche Ausfertigung mehr als zwei Jahre nach mündlicher Verkündung verfassungswidrig (I)

Leitsatz des Gerichts:
I. Unabhängig von der Möglichkeit, die Entscheidung bereits nach der mündlichen Verkündung anzufechten, ist der Rechtsschutzsuchende idR auf die – nähere und ausführliche – Begründung der Entscheidung in der schriftlichen Ausfertigung gemäß § 29 Abs 4 VwGVG angewiesen, um die Entscheidung aufgrund der maßgebenden Erwägungen gegebenenfalls mit einer Beschwerde gemäß Art 144 B-VG bekämpfen zu können. Aus der rechtsstaatlich gebotenen Pflicht zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen folgt daher iZm der Regelungssystematik des § 29 VwGVG auch die Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung, weil andernfalls dem Rechtsschutzsuchenden effektiver Rechtsschutz verwehrt sein könnte, was rechtsstaatlichen Anforderungen an die Erlassung gerichtlicher Entscheidungen widerspricht.

II. Die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung des LVwG Wien erfolgte im Beschwerdefall 29 Monate nach der mündlichen Verkündung. Eine derart lange Zeitspanne zwischen mündlicher Verkündung und schriftlicher Ausfertigung der Entscheidung widerspricht jedenfalls der Pflicht zu einer möglichst zeitnahen schriftlichen Ausfertigung.
- | Online seit - 09.08.2023
3098

Judikatursammlung

Aufenthalt in der Schweiz vor Inkrafttreten des Freizügigkeitsabkommens EG - Schweiz begründet keinen Freizügigkeitssachverhalt

Leitsatz des Gerichts:
I. Bezogen auf Aufenthaltszeiten eines Unionsbürgers in einem anderen Mitgliedstaat der Union stellt § 57 NAG darauf ab, dass der Unionsbürger von seinem unionsrechtlichen Freizügigkeitsrecht iSv Art 7 lit a, b oder c der RL 2004/38/EG Gebrauch gemacht hat. Der Ehegatte der Fremden kann während seiner Aufenthalte in der Schweiz nicht von einem durch das Freizügigkeitsabkommen EG - Schweiz garantierten Freizügigkeitsrecht Gebrauch machen, wenn das in Rede stehende Freizügigkeitsabkommen zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten war. Selbst wenn jedoch das Aufenthaltsrecht des Ehegatten der Fremden in der Schweiz in den 1980er-Jahren nicht bloß auf innerstaatlichem Schweizer Recht, sondern auch auf bilateralen oder anderen Verträgen beruht haben sollte, ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass es sich dabei um Rechtsgrundlagen gehandelt hätte, auf die ein "Freizügigkeitssachverhalt" gegründet werden könnte. Dies wäre allerdings Voraussetzung dafür, überhaupt in Erwägung ziehen zu können, dass derartige Aufenthaltszeiten eines österreichischen Staatsbürgers in der Schweiz für die Ausstellung einer Aufenthaltskarte für dessen drittstaatsangehörige Ehegattin von Bedeutung sein könnten.

II. Zwecks Annahme eines unionsrechtlich begründeten (bzw eines auf das Freizügigkeitsabkommen EG - Schweiz zurückzuführenden) Aufenthaltsrechts der Fremden in Österreich bedarf es eines Rückgriffs auf die zu primärrechtlichen Grundlagen (vgl Art 21 AEUV) ergangene Judikatur des EuGH.
- | Online seit - 08.08.2023
3102

Judikatursammlung

Nachweis der Identität bei Verleihung der Staatsbürgerschaft

Leitsatz des Gerichts:
Der Nachweis der Identität im Staatsbürgerschaftsverfahren mittels Dokumenten und Zeugen aus einem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz ist zulässig.
- | Online seit - 07.08.2023
3101

Judikatursammlung

Verletzungen der datenschutzrechtlichen Rechenschaftspflicht im asylbehördlichen und Rechtsfolgen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Frage der Erfüllung der Rechenschaftspflicht gemäß Art 5 Abs 2 DSGVO durch datenschutzrechtlich Verantwortliche wie die einen elektronischen Asylakt führende Verwaltungsbehörde ist von der Frage der Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung an sich (Art 5 Abs 1, Art 6 bis 11 DSGVO) strikt zu trennen.

II. Diese strikte Differenzierung zwischen Rechtmäßigkeit der Datenverarbeitung einerseits und der Erfüllung der sonstigen Pflichten des Verantwortlichen andererseits führt dazu, dass Verletzungen von Pflichten iSd 4. Kapitels der DSGVO durch die Asylbehörde der Rechtmäßigkeit der Verwertung der betroffenen Daten durch das Verwaltungsgericht nicht entgegenstehen.
- | Online seit - 04.08.2023
3100

Judikatursammlung

Prüfung der konkreten Rückkehrsituation vs Sicherheitsvermutung und Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei Anwendung der Dublin III-VO ist stets zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren besteht. In diesem Zusammenhang ist auch eine Non-Refoulement-Prüfung durchzuführen. Es ist zu beurteilen, ob im Aufnahmestaat systemische oder allgemeine Mängel vorliegen und ob es ernsthafte Gründe für die Annahme gibt, dass die fremde Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt wird. Liegen diese objektiven und subjektiven Elemente kumulativ vor, so kann die Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens und der gegenseitigen Anerkennung zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt sein.

II. Ist aus der Länderinformation (hier: zu Bulgarien) etwa ersichtlich, dass "Asylanträge der überwiegenden Mehrheit der afghanischen Asylwerber […] in beschleunigten Verfahren als offensichtlich unbegründet abgelehnt [wurden], da Bulgarien die Türkei zu einem sicheren Drittstaat erklärt hat", so ist für afghanische Asylwerber die konkrete Rückkehrsituation in Bulgarien näher zu prüfen. Hier ist insb das Risiko einer Kettenabschiebung in ein Land, in dem eine Verletzung der nach Art 3 EMRK und Art 4 GRC gewährleisteten Rechte droht, zu bewerten.
- | Online seit - 03.08.2023
3099

Judikatursammlung

Kein Antragsrecht auf Aufhebung einer Wohnsitzauflage (§ 57 FPG)

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Gesetz ist ein Antragsrecht auf Aufhebung einer Wohnsitzauflage nicht vorgesehen, weshalb keine Rechtsgrundlage für die Stellung eines Antrags auf Aufhebung einer in Rechtskraft erwachsenen Wohnsitzauflage besteht und folglich ein solcher Antrag jeglicher rechtlichen Grundlage entbehrt und daher zurückzuweisen ist.

II. Liegen bereits die formellen Voraussetzungen für die Stellung eines Antrags nicht vor, so ist dieser aufgrund fehlender Antragslegitimation zurückzuweisen und nicht etwa aufgrund des Vorliegens einer entschiedenen Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG.
- | Online seit - 02.08.2023
3097

Judikatursammlung

Neuerlich zu den Voraussetzungen einer Zurückverweisung

Leitsatz des Gerichts:
Das VwG hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit (ausnahmsweise) als nicht gegeben annimmt. Es hat darzulegen, dass und aus welchen Gründen die Voraussetzungen für eine Sachentscheidung gemäß § 28 Abs 2 VwGVG nicht erfüllt sind, insb in welcher Weise der relevante Sachverhalt nicht feststeht und inwiefern allenfalls erforderliche Ergänzungen nicht vom Verwaltungsgericht selbst vorzunehmen wären. Der bloße Hinweis, die belangte Behörde habe die Ermittlungen "nur ansatzweise durchgeführt" bzw anhand der im Akt befindlichen "veralteten und nicht mehr aussagekräftigen Ermittlungsergebnisse" könne das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nicht beurteilt werden, stellt jedenfalls keine diesen Anforderungen entsprechende nachvollziehbare Begründung dar.
- | Online seit - 01.08.2023
3096

Judikatursammlung

Mangelhafte Interessenabwägung iZm eingeschränkter Kommunikationsmöglichkeit von Kleinkindern

Leitsatz des Gerichts:
Die Aufrechterhaltung des Kontakts mittels moderner Kommunikationsmittel mit einem - wie im gegenständlichen Fall rund dreieinhalbjährigen - Kleinkind und einem Säugling von rund acht Monaten ist kaum bzw nicht möglich. Dem Vater eines Kindes (und umgekehrt) kommt grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zu.
- | Online seit - 31.07.2023
3095

Judikatursammlung

Zugang zum ungarischen Asylverfahren und zu entsprechender Versorgung der Beschwerdeführer nicht geklärt

Leitsatz des Gerichts:
Kann dem die Zuständigkeit prüfenden Gericht (bzw der Behörde) nicht unbekannt sein, dass die systemischen Schwachstellen des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylwerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne dieser Bestimmung ausgesetzt zu werden, so hat eine Überstellung an den zuständigen Mitgliedstaat iSd Dublin III-VO zu unterbleiben.
- | Online seit - 28.07.2023
3094

Judikatursammlung

Zulassung zum Studium ersetzt nicht allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die (aufrechte) Zulassung zum Studium stellt zwar eine besondere Erteilungsvoraussetzung für die beantragte Aufenthaltsbewilligung für Studierende nach § 64 NAG dar. Zusätzlich bedarf es jedoch gemäß § 64 Abs 1 Z 1 NAG auch der Erfüllung der (allgemeinen) Erteilungsvoraussetzungen des ersten Teils (mit Ausnahme des § 11 Abs 2 Z 2 NAG).

II. Das Erteilungshindernis des § 11 Abs 1 Z 5 NAG ist selbst dann verwirklicht, wenn nach rechtmäßiger Antragstellung im Inland zunächst der Zeitraum des sichtvermerkfreien Aufenthalts überschritten wurde, in der Folge jedoch eine Ausreise stattfand und daher (insb) im Entscheidungszeitpunkt ein Zuwiderhandeln nicht mehr vorlag. Umso mehr ist es verwirklicht, wenn das Überschreiten des sichtvermerkfreien Aufenthalts noch im Entscheidungszeitpunkt fortdauerte.

III. Mit dem Verweis auf die RL (EU) 2016/801 (insb Art 7 Abs 4) ist nichts zu gewinnen, zumal der Revisionswerber demnach den Antrag zwar zulässigerweise im Inland stellen durfte, sich nach dem Ablauf der visumfreien Zeit aber nach dem insoweit maßgeblichen nationalen Recht nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielt, sondern das Erteilungshindernis des § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklichte.
- | Online seit - 27.07.2023
3093

Judikatursammlung

"Flexibler" Umgang mit Anträgen auf Familienzusammenführung bei Vertretungsbehörden

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 5 Abs 1 RL 2003/86/EG räumt den Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum im Hinblick auf die Person des Antragstellers auf Familienzusammenführung sowie die zuständige Behörde ein.

II. Aus teleologischen und systematischen Gründen, insb einer grundrechtskonformen Auslegung im Lichte von Art 7 sowie 24 Abs 2 und 3 GRC, müssen die Mitgliedstaaten in Fällen flexibel sein, in denen Antragsteller auf Familienzusammenführung faktisch keinen oder keinen zumutbaren Zugang zu einer Vertretungsbehörde in der Herkunftsregion haben: So müssen sie insb Hilfestellungen bei der Antragstellung leisten, etwa die Reise zur Vertretungsbehörde unterstützen, persönliche Ladungen auf das absolute Minimum reduzieren oder ausnahmsweise eine Antragstellung im Wege der Fernkommunikation zulassen.
- | Online seit - 26.07.2023
3092

Judikatursammlung

Asylrelevante geschlechtsspezifische Verfolgung

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine wie auch immer geartete Verfolgung auf Grund des biologischen Geschlechts ist dem Verfolgungsgrund "Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe zu subsumieren" (§ 3 Abs 1 AsylG iVm Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK).

II. Somalische Frauen können einer verfolgten sozialen Gruppe etwa dann zugehören, wenn ihnen eine zwangsweise Eheschließung droht und/oder wenn sie alleinstehend (ohne "männlichen Schutz") und sohin besonders vulnerabel sind.

III. Wenn bereits das BFA subsidiären Schutz gewährt hatte, hat das BVwG keinen Anlass, das Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative (§ 11 AsylG) zu prüfen.
- | Online seit - 25.07.2023