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3556

Judikatursammlung

Keine systematische Verfolgung homosexueller Personen in Bulgarien

Leitsatz des Gerichts:
I. In Bulgarien kommt es zu keiner systematischen Verfolgung von homosexuellen bzw queeren Personen. Es besteht keine reale Gefahr der Verletzung von Art 3 EMRK aufgrund der sexuellen Orientierung.

II. Einzelne tätliche Angriffe lassen keinen Rückschluss auf fehlenden staatlichen Schutz für homosexuelle Personen in Bulgarien zu.
- | Online seit - 16.01.2025
3550

Judikatursammlung

Erreichen der Volljährigkeit durch die Bezugsperson während des Familienzusammenführungsverfahrens

Leitsatz des Gerichts:
I. Da unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen iSd RL 2003/86/EG günstigere Bedingungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung mit den Verwandten in gerade aufsteigender Linie des ersten Grades zukommen sollen, ist die Familienzusammenführung nicht allein aus dem Umstand, dass die Bezugsperson während des Einreiseverfahrens der Familie volljährig wird, zu versagen.

II. Ist die Bezugsperson zum Zeitpunkt der Einbringung der Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln noch minderjährig und wird während des Verfahrens volljährig, so kann diese unter der Voraussetzung der Familienangehörigeneigenschaft grundsätzlich eine Familienzusammenführung mit ihren Eltern beanspruchen. Die nach § 35 Abs 1 AsylG vorgesehene Erfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs 2 Z 1-3 AsylG zur Erteilung von Aufenthaltstiteln an Drittstaatsangehörige ist dabei zwingend einzuhalten.

III. Die Geschwister einer in Österreich lebenden Bezugsperson sind nicht vom maßgeblichen Familienangehörigenbegriff des § 35 Abs 5 AsylG erfasst, weshalb sie nicht als Familienangehörige gemäß § 35 Abs 5 AsylG zu qualifizieren sind. In diesem Zusammenhang ist für eine allfällige weitere Beurteilung auf die Angehörigeneigenschaft zwischen den Eltern und den Geschwistern der Bezugsperson abzustellen.
- | Online seit - 15.01.2025
3549

Judikatursammlung

Maßstab für notwendige Ermittlungen bei Dublin-Rückkehrern

Leitsatz des Gerichts:
Die notwendigen Ermittlungen zur Frage von Dublin-Rückkehrern hat grundsätzlich in zwei gesonderten Schritten zu erfolgen. Im ersten Schritt ist zu fragen, ob Dublin-Rückkehrer in einem Mitgliedstaat einen Rechtsanspruch auf die Stellung bzw Aufrechterhaltung eines Antrags auf internationalen Schutz im Inland haben. Erst im zweiten Schritt ist auf etwaiges Vorbringen der Betroffenen — zB hinsichtlich eines in Österreich bestehenden Privat- und Familienlebens — einzugehen.
- | Online seit - 14.01.2025
3559

Judikatursammlung

Gebotene Ausübung des Selbsteintrittsrechts nur unter besonderen Voraussetzungen

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Lichte des Art 4 GRC und Art 3 EMRK sind Überstellungen im Rahmen der Dublin III-VO nur im Falle extremer materieller Not unzulässig. Bloß große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse genügen für eine Unzulässigkeit nicht, weshalb der Prüfmaßstab hier wesentlich enger anzusetzen ist als bei einer regulären Art 3 EMRK-Prüfung in Bezug auf Nichtmitgliedstaaten.

II. Eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens ist nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich. Einerseits haben objektiv systemische Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen für Asylwerber im Aufnahmemitgliedstaat vorzuliegen und andererseits muss die betroffene Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt sein, wobei der Maßstab des "real risk" anzusetzen ist.

III. Wird einem Wiederaufnahmeersuchen eines Mitgliedstaats zugestimmt, so ergibt sich daraus, dass das Asylverfahren in diesem Staat noch nicht abgeschlossen ist, weshalb kein anderer Mitgliedstaat zuständig sein kann und auch ein Folgeantrag in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht möglich ist, solange nicht das noch offene Verfahren abgeschlossen wird. Mit der Zustimmung darf auch darauf vertraut werden, dass der Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat nicht sich selbst überlassen und in eine ausweglose Situation geraten wird.

IV. Solange in dem für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat die grundlegenden Versorgungsgarantien und menschenwürdige Bedingungen gewährleistet sind, spielt es im Rahmen des Selbsteintrittsrechts und des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens keine Rolle, wenn die Standards der Unterbringungseinrichtungen im zuständigen Mitgliedstaat unter jenen in Österreich liegen. Es besteht jedenfalls kein Recht darauf, jenen Mitgliedstaat frei zu wählen, von welchem die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwartet wird.

V. Wird ein Aufenthalt allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Regeln erwirkt, so kann daraus kein Rechtsanspruch iSd Art 8 EMRK resultieren und wiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung in einem solchen Fall besonders schwer. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass eine andere Auffassung zu einer Benachteiligung all jener führen würde, die sich rechtskonform verhalten.
- | Online seit - 13.01.2025
3564

Judikatursammlung

Verfahrensfortsetzung wegen mangelhafter Erhebungen zur Rückkehrsituation nach Griechenland

Leitsatz des Gerichts:
I. Da das griechische Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist, ist zu prüfen, ob eine Überstellung der fremden Person nach Griechenland zu einer Notlage iSd Art 3 EMRK führen würde. Um dies zu beurteilen, ist die Sachverhaltsgrundlage gründlich zu ermitteln – es genügt bspw nicht, dass davon ausgegangen wird, dass die fremde Person entweder asylberechtigt oder subsidiär schutzberechtigt ist.

II. Verfügt die fremde Person über einen Schutzstatus in einem anderen Land (zB Griechenland), so ist bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in Österreich zu erheben, ob im Falle der Rückkehr nach Griechenland, zumindest in der ersten Zeit, Zugang zu einer Unterkunft, Nahrungsmitteln und sanitären Einrichtungen gewährleistet ist und ob Integrationsmaßnahmen angeboten werden.
- | Online seit - 10.01.2025
3554

Judikatursammlung

Unglaubwürdigkeit eines gesteigerten Vorbringens unter Vorlage eines gefälschten Beweismittels

Leitsatz des Gerichts:
I. Zentraler Aspekt der Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat objektiv nachvollziehbar ist.

II. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde.
- | Online seit - 09.01.2025
3553

Judikatursammlung

Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes bei rechtsmissbräuchlicher Folgeantragstellung

Leitsatz des Gerichts:
I. Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhalts kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen.

II. Bei der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes hat eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Folgeantrages zu erfolgen. Ziel ist, den faktischen Abschiebeschutz nur für klar missbräuchliche Anträge zu beseitigen. Davon ist auszugehen, wenn schon bei der Grobprüfung die spätere Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht wesentlich geändert hat und keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen.
- | Online seit - 08.01.2025
3552

Judikatursammlung

Zurückweisung eines abermaligen Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung und mangelnder Sachverhaltsänderung

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Zeitablauf zwischen einer Rückkehrentscheidung und einer Zurückweisung von Anträgen auf Erteilung von Aufenthaltstiteln von mehreren Jahren bzw Monaten bewirkt noch keine maßgebliche Sachverhaltsänderung.

II. Durch eine bereits vor Erledigung eines offenen Antrages erfolgte Abschiebung wird das schützenswerte Privat- und Familienleben im Bundesgebiet in seiner Intensität sogar gemindert.
- | Online seit - 07.01.2025
3551

Judikatursammlung

Zurückweisung eines Feststellungsbegehrens zur Unwirksamkeit einer Rückkehrentscheidung aufgrund zwischenzeitig erfolgter Eheschließung und abgeleitetem unionsrechtlichem Aufenthaltsrecht

Leitsatz des Gerichts:
I. Soweit ein Drittstaatsangehöriger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwirbt, so steht dies der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen.

II. Festzuhalten ist jedoch, dass ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht bedingungslos zusteht und nicht ohne Weiteres erlangt wird; dies insb dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt.
- | Online seit - 06.01.2025
3548

Judikatursammlung

Lebensbedingungen und fehlende medizinische Versorgung in griechischen Aufnahmezentren verletzten Art 3 EMRK

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Lebensbedingungen und die mangelnde medizinische Versorgung in den Aufnahme- und Identifizierungszentren in Griechenland im Jahr 2019 sind mit Art 3 EMRK unvereinbar.

II. Hierfür sind insb fehlende Unterbringungsmöglichkeiten, die extreme Überbelegung, der Mangel an medizinischen, sanitären und sicherheitsrelevanten Einrichtungen, sowie die unzureichende Lebensmittelversorgung von Relevanz für die Beurteilung.

III. Die Unterlassung einer rechtzeitigen und angemessenen medizinischen Behandlung verletzt ebenfalls die Garantien des Art 3 EMRK.

IV. Bei älteren und gesundheitlich beeinträchtigten Personen ist eine erhöhte Schutzbedürftigkeit gegeben. Eine Unterkunft muss diesen erhöhten Anforderungen gerecht werden, um Art 3 EMRK nicht zu verletzen.

V. Eine Person muss über die Gründe für ihre Haft in einer für sie verständlichen Sprache informiert werden. Eine Unterlassung dieser Aufklärung verletzt Art 5 Abs 2 EMRK.
- | Online seit - 03.01.2025
3547

Judikatursammlung

Notwendige Interessenabwägung bei Daueraufenthalt begehrender subsidiär Schutzberechtigter

Leitsatz des Gerichts:
Der Umstand, dass die einen "Daueraufenthalt - EU" begehrende, aber die Voraussetzungen des § 11 Abs 2 Z 4 NAG nicht erfüllende Beschwerdeführerin (bisher) über eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs 4 AsylG verfügt(e), entbindet das VwG nicht von der Vornahme einer Prüfung gemäß § 11 Abs 3 NAG iVm Art 8 EMRK.
- | Online seit - 02.01.2025
3546

Judikatursammlung

Verletzung des Non-Refoulement-Prinzips und der Asylverfahrensrechte durch Polen

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Staat darf die Einreise eines Asylwerbers nicht verweigern, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Betroffene im Falle einer Ausweisung in den Herkunftsstaat oder in einen Drittstaat eine Art 3 EMRK widersprechende Behandlung erfährt.

II. Der ausweisende Staat hat dafür Sorge zu tragen, dass dem Antragsteller in einem Drittstaat die Möglichkeit der Stellung eines Asylantrags zur Verfügung steht, andernfalls verletzt dies den verfahrensrechtlichen Teil des Art 3 EMRK.

III. Art 13 EMRK iVm Art 3 und Art 4 4. ZPEMRK ist verletzt, wenn kein effektiver Rechtsbehelf zur Verfügung steht. Sehen Rechtsbehelfe gegen die Einreiseverweigerung keine aufschiebende Wirkung vor, so sind diese als nicht effektiv zu bewerten.

IV. Wird bei der Einreiseentscheidung nicht die individuelle Situation jedes einzelnen Antragstellers berücksichtigt, so ist das Vorgehen als kollektive Ausweisung iSd Art 4 4. ZPEMRK zu bewerten.
- | Online seit - 31.12.2024
3545

Judikatursammlung

Einverständnis der Eltern mit Verhandlungsführung durch männlichen Richter unerheblich

Leitsatz des Gerichts:
Indem das BVwG über die Beschwerde der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status der Asylberechtigten durch einen Richter männlichen Geschlechts entschieden hat, obgleich § 20 Abs 2 AsylG 2005 (sexuelle Selbstbestimmung) im vorliegenden Fall anzuwenden war und die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin ein Abgehen von der sich daraus ergebenden Zuständigkeit einer Richterin nicht verlangt haben, hat es die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
- | Online seit - 30.12.2024
3543

Judikatursammlung

Schutzpflichten und Grenzen der Inhaftierung minderjähriger Asylsuchender

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Freiheitsentzug ist nur dann grundrechtskonform, wenn dieser aus einem der aufgelisteten Gründe des Art 5 Abs 1 erfolgt, dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren eingehalten wird und dem Schutz des Einzelnen vor Willkür dient.

II. Ein Freiheitsentzug von Minderjährigen ist nur unter strengen Bedingungen zulässig, bei denen zudem immer das Kindeswohl vorrangig beachtet werden muss.

III. Jegliche Inhaftierung muss im Einklang mit dem nationalen Recht stehen. Sieht dieses vor, dass Minderjährige unter keinen Umständen in Gewahrsam genommen werden dürfen, so liegt unabhängig einer Beurteilung der Festnahmegründe eine Verletzung des Art 5 EMRK vor.

IV. Liegen widersprüchliche Angaben zum Alter von Asylsuchenden vor, so sind die Behörden verpflichtet, eine Altersfeststellung durchzuführen. Ist diese wie in vorliegendem Urteil nicht erfolgt, so stellt das staatliche Vorgehen eine grundrechtswidrige Verhaftung dar, die das Grundrecht gemäß Art 5 EMRK verletzt.
- | Online seit - 27.12.2024
3544

Judikatursammlung

Rechtswidrigkeit der Schubhaft durch fehlende Anwendbarkeit der Dublin III-VO

Leitsatz des Gerichts:
I. Keine Anwendbarkeit der Dublin III-VO nach Zurückweisung eines Asylantrags gemäß § 4a AsylG 2005.

II. Eine Überstellung iSd Dublin III-VO liegt bei einer negativen Asylentscheidung gemäß § 4a AsylG 2005 nicht vor. Stützt sich der Schubhaftbescheid zur Sicherung der Überstellung dennoch auf die Dublin III-VO, ist dieser rechtswidrig.
- | Online seit - 24.12.2024
3542

Judikatursammlung

Verletzung im Recht auf gesetzlichen Richter

Leitsatz des Gerichts:
Durch die Entscheidung eines (männlichen) Richters des BVwG betreffend die Abweisung des Status einer Asylberechtigten bei vorgebrachtem (drohendem) Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung einer weiblichen Staatsangehörigen Syriens wird dieser der gesetzliche Richter entzogen.
- | Online seit - 23.12.2024
3541

Judikatursammlung

Asylaberkennung nach Ausstellung eines NAG-Titels

Leitsatz des Gerichts:
Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Art 1 Abschnitt C Z 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw das VwG von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten.
- | Online seit - 20.12.2024
3540

Judikatursammlung

Schützenswertes Familienleben einer schwangeren Frau

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Ausweisung einer schwangeren Frau und die daraus resultierende Trennung von ihrem Partner bzw vom Vater des Kindes stellt einen massiven Eingriff in die privaten Interessen (Art 8 EMRK) der (künftigen) Familie dar. Im Rahmen einer Einzelfallprüfung ist zu eruieren, ob eine Trennung vom Kindesvater und diesen damit auf bloße Besuchskontakte zu seinem (künftigen) Kind zu verweisen, der Verhältnismäßigkeitsprüfung standhält. Grds wird davon auszugehen sein, dass eine Trennung der schwangeren Frau von ihrem Partner und damit dem Vater des Kindes schwerer wiegen wird als etwa die Abstandnahme von einer Ausweisung der schwangeren Frau.

II. Auch ein Säugling hat Anspruch auf ein Familienleben iSd Art 8 EMRK mit seinem Vater. Insb bei einem Säugling bzw bei Kleinkindern kann in diesem Zusammenhang nicht auf die Möglichkeit des Kontakts durch Telekommunikationsmittel verwiesen werden.
- | Online seit - 19.12.2024
3538

Judikatursammlung

Vorliegen einer Fluchtgefahr

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine bestimmte Tatsache, welche die Annahme rechtfertigen kann, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen könnte, stellt gemäß der ersten Alternative des § 76 Abs 3 Z 3 FPG der Umstand dar, dass eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht.

II. Das bringt zwar per se noch nicht in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck. Der Existenz einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu.
- | Online seit - 18.12.2024
3537

Judikatursammlung

Ausschlussgründe bei der Gewährung vorübergehenden Schutzes

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Ausschlussgründe von der Gewährung vorübergehenden Schutzes (§ 1 VertriebenenVO unter Verweis auf Art 28 Abs 1 RL 2001/55/EG) stellen auf das persönliche Verhalten der fremden Person ab und sind sehr eng gefasst. Ein Ausschluss vom vorübergehenden Schutz ist nur dann als rechtmäßig zu qualifizieren, wenn die fremde Person eine Gefahr für die Sicherheit des Aufnahmemitgliedstaats darstellt oder wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde und deshalb von ihr eine Gefahr für die Allgemeinheit im Aufnahmemitgliedstaat ausgeht. Beim Verbrechen der gewerbsmäßigen Schlepperei und jenem der kriminellen Organisation handelt sich nicht per se um ein „besonders schweres Verbrechen“ – für eine derartige Qualifikation müssten besondere Umstände hinzutreten.

II. Eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich liegt etwa bei Handlungen vor, die sich gegen die Existenz des Aufnahmestaats (Österreich) bzw seiner territorialen Integrität oder gegen seine wesentlichen Staatsorgane richten. Eine derartige Gefahr kann bspw vorliegen bei geheimdienstlichen Tätigkeiten, Sabotage oder systematisch begangenen terroristischen Akten mit dem Ziel, die Regierung des Aufenthaltsstaats zu stürzen oder die Eroberung des Aufnahmestaats durch einen Drittstaat zu ermöglichen.
- | Online seit - 17.12.2024