Zum Hauptinhalt springen Skip to page footer

Zeige 301 bis 320 von 3427

3193

Judikatursammlung

Anmeldebescheinigung garantiert keinen Anspruch auf Ausgleichszulage

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein aus einem anderen EU-Mitgliedstaat nach Österreich zugezogener Pensionist, der über keine ausreichenden Existenzmittel verfügt, hat keinen Anspruch auf Ausgleichszulage.

II. Das Beantragen von Sozialleistungen (Ausgleichszulage) bedeutet nicht schon per se, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen.
- | Online seit - 14.12.2023
3191

Judikatursammlung

Ab wann "gilt" ein Aufenthaltstitel?

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Zweckänderungsantrag gemäß § 2 Abs 1 Z 12 iVm § 26 NAG kann nur während der Geltungsdauer eines Aufenthaltstitels oder gemäß § 24 Abs 4 erster Satz NAG iVm einem Verlängerungsantrag nur bis zur Erlassung des behördlichen Bescheides gestellt werden.

II. Die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels (als Karte) - im Erteilungsfall - bewirkt idR gleichzeitig den Akt der Zustellung und entsteht die rechtliche Wirkung des Bescheids erst durch diesen Akt. Der bloße Auftrag zur Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte bzw deren technische Herstellung selbst entfaltet demgegenüber noch keine Rechtswirkungen.

III. Ohne Ausfolgung der Aufenthaltstitelkarte wird noch kein Aufenthaltstitel erteilt. Ohne Erteilung eines Aufenthaltstitels liegt aber auch keine - in § 2 Abs 1 Z 12 NAG als Voraussetzung für einen Zweckänderungsantrag angesprochene - "Geltung eines Aufenthaltstitels" vor. Somit kann vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels noch kein Zweckänderungsantrag gestellt werden. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn ein - vor Erteilung eines Aufenthaltstitels gestellter - (neuerlicher) Antrag nicht als Zweckänderungsantrag, sondern - allenfalls - als Erstantrag (durch Annahme einer [konkludenten] Zurückziehung des ursprünglichen Antrags) qualifiziert wird.

IV. Dem Antragsteller steht nach den Regelungen des NAG kein Wahlrecht zu, welche Verfahrensvorschriften (diejenigen für Erstanträge oder diejenigen für Zweckänderungsanträge) auf ihn anzuwenden sind.

V. Im Hinblick auf die Belehrungsregelung des § 23 Abs 1 NAG ist auf die VwGH-Rsp zu verweisen, wonach § 23 Abs 1 NAG (lediglich) den Fall regelt, in dem sich aufgrund des Antrags oder im Ermittlungsverfahren ergibt, dass der vom Fremden in Aussicht genommene Aufenthaltszweck mit dem von ihm beantragten Aufenthaltstitel nicht korrespondiert.
- | Online seit - 13.12.2023
3190

Judikatursammlung

Verhältnis von § 1 Abs 2 Z 1 NAG zum Asylrecht

Leitsatz des Gerichts:
I. § 1 Abs 2 Z 1 NAG darf nicht isoliert betrachtet werden, sondern ist im systematischen Zusammenhang mit weiteren Bezug habenden Bestimmungen des AsylG und des FPG zu sehen und muss auf deren Basis ausgelegt werden.

II. § 52 Abs 2 FPG bezweckt, einem Fremden, der bereits über ein anderes Aufenthaltsrecht (als nach dem AsylG) verfügt, es - bezogen auf das auf anderen Bestimmungen beruhende Aufenthaltsrecht - nicht zum Nachteil gereichen zu lassen, wenn er einen (erfolglosen) Antrag auf internationalen Schutz stellt. Eine solche Sichtweise erscheint auch aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten geboten, weil eine sachliche Rechtfertigung dafür, einem Fremden ein anderweitiges Aufenthaltsrecht allein deshalb zu entziehen, weil er erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nicht ohne Weiteres erkennbar ist.

III. Aus den Bestimmungen des § 12 Abs 1 und des § 13 Abs 1 AsylG sowie des § 52 Abs 2 FPG ergibt sich, dass im Fall der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz ein aufgrund des NAG oder eines anderen Bundesgesetzes bereits bestehendes Aufenthaltsrecht unberührt bleibt. Infolgedessen ist die Bestimmung des § 1 Abs 2 Z 1 NAG einschränkend dahingehend auszulegen, dass ein Fremder trotz Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz bei aufrechtem Bestehen eines Aufenthaltsrechts nach dem NAG weiterhin dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegt.

IV. Eine Zurückweisung gemäß § 1 Abs 2 Z 1 NAG aufgrund der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz kommt nur dann in Betracht, wenn - im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG - ein Aufenthaltsrecht aufgrund des NAG nicht besteht (was insb bei Vorliegen bloß eines Erstantrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, nicht aber bei einem rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrag der Fall ist).
- | Online seit - 12.12.2023
3189

Judikatursammlung

Neuerlich: Verfahrenswiederaufnahme auch bei Dokumentationen möglich

Leitsatz des Gerichts:
I. Einer Dokumentation des Aufenthaltsrechts kann nicht jede Bescheidwirkung abgesprochen werden und ist mangels spezieller Regelungen betreffend die Aufhebung der Rechtswirkungen diesbezüglich ein Anwendungsbereich des § 69 AVG zu bejahen.

II. Die Behörde hat den gegenständlichen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte im wiederaufgenommenen Verfahren zwar "abgewiesen", jedoch ausgehend vom Vorliegen einer Aufenthaltsehe als Begründungselement im Spruch eine Feststellung iSd § 54 Abs 7 NAG getroffen. Damit wird dem LVwG - bei Abweisung der Beschwerde gegen die Wiederaufnahme - die Möglichkeit eröffnet, ohne Überschreitung der Sache des Beschwerdeverfahrens eine Maßgabebestätigung in Form der Zurückweisung des ursprünglichen Antrags auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte samt entsprechender Feststellung gemäß § 54 Abs 7 NAG vorzunehmen. Das gilt sinngemäß auch für den späteren Antrag auf Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte. Ein Vorgehen nach § 55 Abs 3 NAG kommt diesfalls nicht in Betracht.
- | Online seit - 11.12.2023
3188

Judikatursammlung

Ermittlungspflichten bei Annahme einer besonderen Ausnahmesituation iSd EuGH-Rsp zu Art 20 AEUV

Leitsatz des Gerichts:
I. Der (bloße) Wunsch nach einem Aufenthalt in Österreich aus wirtschaftlichen Gründen oder zur Aufrechterhaltung einer Familiengemeinschaft begründet noch keine Ausnahmesituation iSd EuGH-Rsp zu Art 20 AEUV.

II. Die Weigerung, einem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, kann nach der EuGH-Rsp die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft nur dann beeinträchtigen, wenn zwischen ihm und dem Unionsbürger, der sein Familienangehöriger ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das dazu führen würde, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, den betreffenden Drittstaatsangehörigen zu begleiten und das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen.

III. Zur Beurteilung dieses Risikos ist - wenn es (wie hier) um das Aufenthaltsrecht eines drittstaatsangehörigen Elternteils und dessen Verhältnis zu einem minderjährigen Kind, das Unionsbürger ist, geht - entsprechend der EuGH-Rsp zu ermitteln, welcher Elternteil die tatsächliche Sorge für das Kind wahrnimmt und ob ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Kind und dem Elternteil, der Drittstaatsangehöriger ist, besteht. Dabei bildet der Umstand, dass der andere Elternteil, der Unionsbürger ist, wirklich in der Lage und bereit ist, die tägliche und tatsächliche Sorge für das Kind allein wahrzunehmen, einen relevanten Gesichtspunkt. Dieser Umstand allein genügt aber nicht für die Feststellung, dass zwischen dem drittstaatsangehörigen Elternteil und dem Kind kein Abhängigkeitsverhältnis in der Weise besteht, dass sich das Kind zum Verlassen des Unionsgebiets gezwungen sähe, wenn dem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht verweigert würde. Einer solchen Feststellung muss vielmehr im Interesse des Kindeswohls die Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zugrunde liegen (insb Alter des Kindes, seine körperliche und emotionale Entwicklung, Grad seiner affektiven Bindung an den jeweiligen Elternteil, das mit der Trennung vom drittstaatsangehörigen Elternteil für sein inneres Gleichgewicht verbundene Risiko).

IV. Die für die Anerkennung eines Aufenthaltsrechts auf Grundlage des Art 20 AEUV erforderlichen Informationen sind grundsätzlich vom Drittstaatsangehörigen beizubringen. Dabei entbindet aber auch eine (allfällige) nationale Beweislastregelung die Behörden nicht davon, auf Grundlage der vom Drittstaatsangehörigen beigebrachten Informationen die erforderlichen Ermittlungen zur Klärung der einzelnen maßgeblichen Umstände iSd EuGH-Rsp anzustellen.


- | Online seit - 07.12.2023
3186

Judikatursammlung

Klaglosstellung des Amtsrevisionswerbers infolge Gegenstandslosigkeit der angefochtenen Verfahrensaussetzung

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach stRsp des VwGH ist bei einer Revision gemäß Art 133 Abs 1 Z 1 B-VG unter einer "Klaglosstellung" nach § 33 Abs 1 VwGG nicht nur eine solche zu verstehen, die durch eine formelle Aufhebung des beim VwGH angefochtenen Erkenntnisses oder Beschlusses eingetreten ist. Vielmehr liegt ein Einstellungsfall (wegen Gegenstandslosigkeit) insb auch dann vor, wenn der Revisionswerber kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde. Diese Judikatur gilt auch für Fälle einer Amtsrevision.

II. Durch die Aussetzung des Verfahrens wird bis zur Entscheidung, deren Ausgang abgewartet werden soll, die Entscheidungspflicht der Behörde bzw des Gerichts suspendiert. Eine solche Aussetzungsentscheidung verliert ihre Rechtswirksamkeit jedenfalls mit dem Eintritt des Zeitpunkts, bis zu dem die Aussetzung verfügt worden ist. Nach Wegfall der Aussetzungswirkungen ist das Verfahren von der Behörde daher fortzusetzen.

III. Kommt dem angefochtenen Aussetzungsbeschluss keine Rechtswirkung mehr zu, weil der Aussetzungsgrund weggefallen ist, hätte eine diesbezügliche Entscheidung bloß theoretische Bedeutung. Ein rechtliches Interesse des Revisionswerbers an einer meritorischen Erledigung ist nicht mehr gegeben.
- | Online seit - 06.12.2023
3185

Judikatursammlung

Vorübergehender Schutz durch die Vertriebenen-VO und Hemmung von Entscheidungsfristen bei parallelen Verfahren nach dem AsylG

Leitsatz des Gerichts:
Kommt der betroffenen Person aufgrund der Vertriebenen-VO vorübergehender Schutz (§ 62 AsylG) zu, so sind nach § 22 Abs 8 AsylG die Entscheidungsfristen bei Verfahren nach dem AsylG (zB bei Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz) für die Dauer des vorübergehenden Schutzes gehemmt. Eine allfällig erhobene Säumnisbeschwerde betreffend den Antrag auf internationalen Schutz ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
- | Online seit - 05.12.2023
3184

Judikatursammlung

Aussetzung eines Beschwerdeverfahrens aufgrund einer ausstehenden Vorabentscheidung durch den EuGH zur Situation von Frauen in Afghanistan

Leitsatz des Gerichts:
I. Sind Fragen zur Vorabentscheidung bereits beim EuGH anhängig und ist die Antwort auf die Fragen etwa auch für das BVwG (im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens) von Bedeutung, so kann das Verfahren gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG bis zum Vorliegen der Vorabentscheidung ausgesetzt werden.

II. Ist in einem Familienverfahren eine ausstehende Vorabentscheidung bloß für eine von mehreren beschwerdeführenden Personen von Relevanz, so betrifft eine etwaige Aussetzung gemäß § 38 AVG iVm § 17 VwGVG alle Parteien des Verfahrens gleichermaßen.
- | Online seit - 04.12.2023
3187

Judikatursammlung

Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft nach Straffälligkeit (Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU) nicht einzig aufgrund der Verurteilung

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU verlangt für die Aberkennung des Flüchtlingsstatus zweierlei: Zum einen das Vorliegen einer Verurteilung wegen einer "besonders schweren Straftat" (zum Begriff siehe eigens EuGH 6.7.2023, C-402/22 [M.A.] ECLI:EU:C:2023:543), zum anderen, dass der betreffende Drittstaatsangehörige eine Gefahr für die Allgemeinheit des Mitgliedstaats seines Aufenthalts darstellt. Aus dem Vorliegen der Verurteilung darf nicht schon auf die Erfüllung des zweiten Kriteriums geschlossen werden, stattdessen sind diesbezüglich eigene behördliche Feststellungen zu treffen.

II. Die "Gefahr für die Allgemeinheit dieses Mitgliedstaats" iSd Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU liegt dann vor, wenn das Verhalten des Drittstaatsangehörigen eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für ein Grundinteresse der Allgemeinheit des Mitgliedstaats des Aufenthalts darstellt, mag dies auch nicht so explizit wie in Art 27 Abs 2 UAbs 2 RL 2004/38/EG zum Ausdruck kommen.

III. Durch die Verurteilung wegen einer "besonders schweren Straftat" tritt keine Beweislastumkehr dahingehend ein, dass nunmehr der Drittstaatsangehörige mit Flüchtlingseigenschaft beweisen müsste, dass von ihm keine Gefahr iSd Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU ausgeht.

IV. Die Mitgliedstaaten werden durch Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft lediglich ermächtigt, nicht aber verpflichtet.

V. Bei Aberkennungsentscheidungen iSd Art 14 Abs 4 lit b RL 2011/95/EU ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, mithin die Möglichkeit von Maßnahmen zu prüfen, die die Flüchtlings- und Grundrechte weniger beeinträchtigen.
- | Online seit - 01.12.2023
3182

Judikatursammlung

Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses stellt Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit dar

Dass die Ausreisefreiheit im Europa des 21. Jahrhunderts unproblematisch ist, gilt zwar für viele, nicht aber für alle Menschen. Unter gewissen Voraussetzungen können Reisepässe versagt oder entzogen werden. Fremde ohne ein gültiges Reisedokument ihres Herkunftsstaates können in bestimmten Situationen einen Fremdenpass oder einen Konventionsreisepass beantragen. Dieser wurde in der Vergangenheit etwa verweigert, weil eine Geschäftsreise, eine Auslands-urlaubsreise oder der Besuch der kranken Mutter im Iran nicht im Interesse der Republik liege. Der VfGH hat jüngst Art2 Abs2 4. ZPEMRK "wiederentdeckt". Diese Judikatur und jene des EGMR geben Anlass, die Erteilungspraxis und die zugrundeliegende Bestimmung zu überdenken.

Leitsatz des Gerichts:
Das Grundrecht auf Ausreisefreiheit erfordert die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Verfahren zur Ausstellung von Fremdenpässen und die Beachtung der Voraussetzung "sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik liegt".
- | Online seit - 30.11.2023
3443

Judikaturbesprechung

Reisedokumente für die Ausreisefreiheit von Fremden

Dass die Ausreisefreiheit im Europa des 21. Jahrhunderts unproblematisch ist, gilt zwar für viele, nicht aber für alle Menschen. Unter gewissen Voraussetzungen können Reisepässe versagt oder entzogen werden. Fremde ohne ein gültiges Reisedokument ihres Herkunftsstaates können in bestimmten Situationen einen Fremdenpass oder einen Konventionsreisepass beantragen. Dieser wurde in der Vergangenheit etwa verweigert, weil eine Geschäftsreise, eine Auslands-urlaubsreise oder der Besuch der kranken Mutter im Iran nicht im Interesse der Republik liege. Der VfGH hat jüngst Art2 Abs2 4. ZPEMRK "wiederentdeckt". Diese Judikatur und jene des EGMR geben Anlass, die Erteilungspraxis und die zugrundeliegende Bestimmung zu überdenken.

Leitsatz des Gerichts:
Das Grundrecht auf Ausreisefreiheit erfordert die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Verfahren zur Ausstellung von Fremdenpässen und die Beachtung der Voraussetzung "sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik liegt".
- | Online seit - 30.11.2023
3183

Judikatursammlung

Zum Wert der freien Station bei Fehlen regelmäßiger Aufwendungen

Leitsatz des Gerichts:
Aus § 11 Abs 5 zweiter und dritter Satz NAG kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass der Wert der freien Station den Betrag der (in Höhe der Richtsätze des § 293 ASVG) notwendigen Unterhaltsmittel dann schmälert, wenn keine Mietaufwendungen (bzw keine anderen regelmäßigen Aufwendungen) anfallen; eine Anrechnung auf das notwendige Einkommen bei Unterschreitung der Mietkosten bis zur Höhe des Wertes der vollen freien Station ist nicht vorgesehen.
- | Online seit - 29.11.2023
3181

Judikatursammlung

Zur Aufenthaltstitelerteilung iSd § 27 Abs 1 NAG bei geschiedener (Aufenthalts-)Ehe

Leitsatz des Gerichts:
I. Wenn der - zuletzt über einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 46 Abs 1 Z 2 NAG verfügende - Revisionswerber im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG die Voraussetzungen für den "Familiennachzug" nicht mehr erfüllt, weil seine dem Aufenthaltstitel zugrunde liegende Ehe zuvor geschieden worden ist, er folglich die Eigenschaft als Familienangehöriger iSd § 2 Abs 1 Z 9 NAG nicht mehr aufweist und daher die diesbezügliche besondere Erteilungsvoraussetzung nicht erfüllt, steht ihm gemäß § 27 Abs 1 NAG jedoch auch in einem solchen Fall ein verselbstständigtes Aufenthaltsrecht zu, sofern kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs 1 NAG vorliegt und die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 11 Abs 2 NAG erfüllt sind.

II. Der Versagungsgrund des § 11 Abs 1 Z 4 NAG kann - schon nach dem klaren Wortlaut der Bestimmung - nur während des aufrechten Bestehens einer Aufenthaltsehe herangezogen werden. Dabei kommt es auf den Zeitpunkt der Entscheidung des LVwG an. Liegt in diesem Zeitpunkt keine Aufenthaltsehe (mehr) vor - etwa weil die Ehe inzwischen geschieden wurde - so ist der Versagungsgrund des § 11 Abs 1 Z 4 NAG nicht mehr heranzuziehen.

III. Nach stRsp des VwGH ist unter dem im Verwaltungsverfahren zu beachtenden "Überraschungsverbot" zu verstehen, dass die Behörde in ihre rechtliche Würdigung keine Sachverhaltselemente einbeziehen darf, die der Partei nicht bekannt waren. Der VwGH hat dazu bereits klargestellt, dass die zum "Überraschungsverbot" entwickelten Grundsätze auch für das verwaltungsgerichtliche Verfahren maßgeblich sind, weil in diesem auf dem Boden des § 17 VwGVG sowohl das Amtswegigkeitsprinzip des § 39 Abs 2 AVG als auch der Grundsatz der Einräumung von Parteiengehör iSd § 45 Abs 3 AVG zu beachten sind.
- | Online seit - 28.11.2023
3180

Judikatursammlung

Verkürzte Beschwerdefrist gemäß § 16 Abs 1 BFA-VG nach "beschleunigtem" Aberkennungsverfahren iSd § 7 Abs 2 AsylG

Leitsatz des Gerichts:
I. § 7 Abs 2 AsylG über die Durchführung von beschleunigten Aberkennungsverfahren bestimmt in seinem zweiten Satz, dass das BFA innerhalb eines Monats ab Verständigung von der strafgerichtlichen Verurteilung seinen Bescheid zu erlassen hat. § 16 Abs 1 BFA-VG gewährt für den Status des Asylberechtigten aberkennende Bescheide auf der Grundlage des § 7 Abs 2 AsylG bei Hinzukommen weiterer Voraussetzungen in Abweichung von § 7 Abs 4 erster Satz VwGVG eine verkürzte Frist von nur zwei Wochen.

II. Auch wenn das BFA die genannte einmonatige Frist nicht eingehalten hat, im Vergleich zur durchschnittlichen Verfahrensdauer jedoch rascher entschieden und laufend Ermittlungsschritte gesetzt hat, ist dennoch von einem beschleunigten Verfahren iSd § 7 Abs 2 AsylG auszugehen. Ein auf Aberkennung lautender Bescheid nach diesem Verfahren unterliegt daher der nur zweiwöchigen Beschwerdefrist iSd § 16 Abs 1 BFA-VG.

III. Die Strenge des Kriteriums eines vom BFA geführten "beschleunigten Verfahrens" (oben Punkt II) stellt eine revisible Grundsatzfrage dar (Art 133 Abs 4 B-VG).
- | Online seit - 27.11.2023
3179

Judikatursammlung

Verfolgung syrischer Kurden durch türkische Kräfte

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine Verfolgungsgefahr auf Grund einer Konversion (Verfolgungsgrund "Religion" iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK) ist dann anzunehmen, wenn die Konversion aus einer inneren Überzeugung erfolgte. Maßgebend dafür ist wiederum, dass der angenommene Glaube als Teil der Persönlichkeit des Antragstellers nach außen hin in Erscheinung tritt.

II. Kurdischen Antragstellern aus den türkisch kontrollierten Landesteilen Nordsyriens droht auf Grund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit (Verfolgungsgrund "Rasse") eine asylrelevante Verfolgung durch die Türkei und ihr nahestehende Milizen.
- | Online seit - 24.11.2023
3178

Judikatursammlung

Keine Asylgewährung für staatenlose Palästinenser aus dem Gaza-Streifen bei bestehendem Schutzanspruch durch die UNRWA

Leitsatz des Gerichts:
I. Steht ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter dem Schutz oder erhält Beistand einer Organisation oder Institution der Vereinten Nationen (mit Ausnahme des Hohen Kommissars für Flüchtlinge gemäß Art 1 Abschnitt D GFK), so ist dieser gemäß Art 12 Abs 1 lit a Status-RL von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen. Dies bezieht sich jedoch nicht auch auf einen etwaigen Anspruch auf subsidiären Schutz, sodass diese Voraussetzungen bei einer Antragstellung auf internationalen Schutz unabhängig davon zu prüfen sind.

II. Entfällt der Schutz oder Beistand einer Organisation oder Institution der Vereinten Nationen (hier: UNRWA), aufgrund dessen Bestehens eine Anerkennung als Flüchtling gemäß Art 12 Abs 1 lit a Status-RL ausgeschlossen war, so ist stets zu differenzieren, ob dies von der betroffenen Person selbst veranlasst wurde oder aus nicht von ihr zu kontrollierenden und von ihrem Willen unabhängigen Gründen geschehen ist. Liegt der Entfall des Schutzes bzw Beistandes im Verhalten der betroffenen Person begründet, so ist diese weiterhin von der Anerkennung als Flüchtling ausgeschlossen.
- | Online seit - 23.11.2023
3177

Judikatursammlung

Unzulässigkeit der Revision bei tragfähiger Alternativbegründung

Leitsatz des Gerichts:
I. Eine Revision erweist sich als unzulässig, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht und im Zusammenhang damit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG aufgezeigt wird.

II. Die vollständige Wiedergabe des § 21 Abs 3 NAG stellt eine ausreichende Belehrung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Antragstellung (Zusatzantrag zur Zulassung der Inlandsantragstellung) im behördlichen Verfahren dar.

III. Nach stRsp des VwGH führt selbst eine fehlende Begründung des Ausspruchs über die Zulässigkeit der Revision nicht dazu, dass die Revision iSd Art 133 Abs 4 B-VG allein deshalb zulässig wäre.
- | Online seit - 22.11.2023
3176

Judikatursammlung

Zur Haftungserklärung von Zusammenführenden iSd § 47 Abs 3 NAG

Leitsatz des Gerichts:
Bei der Vorlage einer Haftungserklärung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 47 Abs 3 NAG handelt es sich um eine besondere Erteilungsvoraussetzung, bei deren Fehlen auf die Frage des Vorliegens ausreichender Unterhaltsmittel sowie das Bestehen eines Anspruchs auf Titelerteilung nach Art 8 EMRK nicht mehr eingegangen werden muss.

- | Online seit - 21.11.2023
3175

Judikatursammlung

Asylbehördliches Beweisverfahren, Aufgreifen von Verfahrensvorschriftenverletzungen des Rechtsmittelgerichts und Entscheidungspflicht (nach altem EU-Richtlinienrecht)

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 4 Abs 1 RL 2004/83/EG und Art 8 Abs 2 RL 2005/85/EG belassen einen weiten Spielraum hinsichtlich der Frage, welche Beweismittel die Asylbehörde heranziehen darf. Ein Gutachten, etwa zur psychiatrischen Verfasstheit des Antragstellers, kann eingeholt werden, wenn die Art und Weise der Einholung im Einklang mit der GRC steht (vgl etwa EuGH 25.1.2018, C-473/16 [F], ECLI:EU:C:2018:36). Das Rechtsmittelgericht, das die Entscheidung der Asylbehörde ex nunc überprüfen soll, kann erforderlichenfalls zur Gutachtenseinholung verpflichtet sein.

II. Das Unionsrecht und insb das gemeinsame europäische Asylsystem verlangen nicht die Einräumung eines zweistufigen gerichtlichen Rechtsmittelzugs. Wenn die Mitgliedstaaten einen solchen dennoch zur Verfügung stellen, so ist es ihnen nicht verwehrt, vorzusehen, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das erstinstanzliche Rechtsmittelgericht nur bei Wesentlichkeit für die Entscheidung aufgegriffen wird (vgl in Österreich § 42 Abs 2 Z 3 VwGG). Voraussetzung dafür ist die Einhaltung des Effektivitäts- und des Äquivalenzgrundsatzes.

III. Art 23 Abs 2 und Art 39 Abs 4 RL 2005/85/EG legen den Asylbehörden und Rechtsmittelgerichten der Mitgliedstaaten zwar keine konkreten Entscheidungsfristen auf, wohl aber hat die Asylbehörde gemäß Art 23 Abs 2 RL 2005/85/EG so rasch als möglich und das Rechtsmittelgericht gemäß den Erfordernissen des Art 47 GRC (angemessene Verfahrensdauer) zu entscheiden.

IV. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es auf die Umstände der konkreten Rechtssache an. Dazu zählen legislative Änderungen nicht, sodass sie eine gerichtliche Säumnis nicht zu rechtfertigen vermögen.

V. Die Nichteinhaltung der angemessenen Verfahrensdauer iSd Art 47 GRC führt nicht per se zur Aufhebung der Entscheidung durch eine allfällige zweite gerichtliche Instanz, es sei denn, sie hätte zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte geführt.

VI. Eine (noch im behördlichen Verfahren eingestandene und erläuterte) Falschaussage eines Antragstellers vermag für sich alleine nicht die (beweisentlastende) Feststellung seiner generellen Glaubwürdigkeit (Art 4 Abs 5 RL 2004/83/EG) zur Folge haben.
- | Online seit - 20.11.2023
3174

Judikatursammlung

Abweisung von Säumnisbeschwerden aufgrund exzeptioneller Umstände, die nicht im Einflussbereich der Behörde liegen

Leitsatz des Gerichts:
I. Sind Umstände für die zuständige Behörde (hier: das BFA) weder vorhersehbar noch planbar oder beeinflussbar, wie etwa massiv ansteigende Asylantragszahlen, sonstige Verfahrenszahlen und die Anzahl der Vertriebenen aus der Ukraine, so ist bei einer darauf zurückzuführenden Verfahrensverzögerung kein Verschulden an der Nichteinhaltung der gesetzlichen Entscheidungsfrist (hier: sechs Monate) vorzuwerfen. Da die Verzögerung somit nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist, hat die Abweisung einer allfälligen Säumnisbeschwerde (§ 8 Abs 1 VwGVG iVm Art 130 Abs 1 Z 3 B-VG) zu erfolgen.

II. Liegt eine außergewöhnliche Belastungssituation vor (zB eine Anzahl an Anträgen auf internationalen Schutz, welche jene von 2015 übersteigt, vorübergehendes Aufenthaltsrecht für Vertriebene aufgrund des Kriegs in der Ukraine) und ist die Verletzung der sechsmonatigen Entscheidungsfrist alleine auf diese exzeptionelle Situation zurückzuführen, so ist der Behörde (hier: dem BFA) kein überwiegendes Verschulden an der Verfahrensverzögerung vorzuwerfen. Daraus resultiert, dass eine etwaige Säumnisbeschwerde abzuweisen ist.

III. Wird versucht, eine plötzlich eintretende erhebliche Mehrbelastung für Behörden durch organisatorische Umstrukturierungen und Personalaufstockungen abzufedern, so ist zu beachten, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einige Monate ausgebildet werden müssen und erst mit einer zeitlichen Verzögerung selbstständig im Verfahren eingesetzt werden können. Trotz vorliegender Säumnis ist daher mangels Verschuldens der Behörde eine Säumnisbeschwerde abzuweisen, wenn zwar umgehend auf geänderte Umstände reagiert wird, die Auswirkungen aber erst zu einem späteren Zeitpunkt ersichtlich sind.
- | Online seit - 17.11.2023