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3257

Judikatursammlung

Versagung der Ausstellung eines Fremdenpasses vs Recht auf Ausreisefreiheit

Leitsatz des Gerichts:
I. Verfügt die fremde Person über einen gültigen Aufenthaltstitel (hier: "Daueraufenthalt-EU") und ist daher zum unbefristeten Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, so ist ihr ein Fremdenpass auszustellen, wenn dies im Interesse der Republik Österreich gelegen ist und es der fremden Person nicht möglich ist, bei den Vertretungsbehörden ihres Herkunftsstaats ein Reisedokument zu erhalten (§ 88 Abs 1 Z 2 FPG).

II. Bei der Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses ist zu prüfen, ob dadurch ein unverhältnismäßiger Eingriff in das durch Art 2 4. ZPEMRK gewährleistete Recht auf Ausreisefreiheit erfolgt. Dh im Hinblick auf die Ausstellung eines Fremdenpasses ist eine Interessenabwägung und damit eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Diesfalls ist insb zu prüfen, ob es Anhaltspunkte gibt, die darauf hindeuten, dass die fremde Person den Fremdenpass für die Verwirklichung von illegalen Aktivitäten benützen würde oder durch den Aufenthalt im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet wäre.

III. Bei der Ausstellung eines Fremdenpasses ist grds ein restriktiver Maßstab anzulegen, da die Republik Österreich mit der Ausstellung dieses Dokuments der fremden Person die Möglichkeit zu reisen eröffnet und damit auch eine Verpflichtung gegenüber Gastländern übernimmt.
- | Online seit - 11.03.2024
3256

Judikatursammlung

Zum Schulerfolgsnachweis bei modularen Ausbildungssystemen

Leitsatz des Gerichts:
I. Unter einem Schulerfolg iSd § 63 Abs 3 NAG kann idR nur ein positives Jahreszeugnis verstanden werden. Allerdings ist für den Fall, dass einzelne Gegenstände negativ (oder vorerst nicht) beurteilt wurden, auch dann von einem Schulerfolg auszugehen, wenn ein Schüler zum Aufstieg berechtigt ist und sich auf diese Weise ohne Verzögerung der abschließenden Prüfung zu nähern vermag. Von einem Schulerfolg ist aber dann nicht auszugehen, wenn ein Schüler ein Semester wiederholt, da in einem solchen Fall von einem Aufstieg iSd VwGH-Rsp nicht die Rede sein kann. Ein Schulerfolg liegt insb auch dann nicht vor, wenn ein Schüler, für den - da er sich nach dem System der Ausbildung bereits deren Ende nähert - ein Aufstieg nicht mehr in Betracht kommt, sondern nur mehr die abschließende Prüfung vorgesehen ist, ein Semester wiederholt, anstatt die Prüfung ungesäumt abzulegen.

II. Die Annahme eines Schulerfolgs setzt jedenfalls eine Berechtigung zum Aufstieg bzw am Ende der Ausbildung die Ablegung der abschließenden Prüfung voraus. Dies hat zur Folge, dass sich der Schüler auf diese Weise dem Abschluss der Ausbildung ohne Verzögerung annähern kann. Soweit die Rsp diesen Umstand besonders hervorhebt, wird kein zusätzliches (eigenständiges) Beurteilungskriterium aufgestellt, sondern bloß die genannte Folge (Wirkung) der Berechtigung zum Aufstieg bzw der abschließenden Prüfung hervorgekehrt.

III. Der Telos des SchUG-BKV besteht nicht darin, von berufstätigen bzw erwachsenen Schülern weniger Schulerfolg zu verlangen, sondern darin, einen Erfolg nur nicht in der (für Schüler an dem SchUG unterliegenden Schulen maßgeblichen) kontinuierlichen Weise zu verlangen.

IV. Bei der Prüfung gemäß § 63 Abs 3 NAG ist das Vorliegen eines Schulerfolgs zwar in einem bestimmten (zuletzt abgeschlossenen) Schuljahr zu beurteilen. Dies ändert aber nichts daran, dass die für die Beurteilung des Schulerfolgs nach dem hier maßgeblichen SchUG-BKV entscheidende Frage, ob sich ein Schüler dem Abschluss der Ausbildung ohne Verzögerung annähert und damit ein Abschluss der Ausbildung innerhalb der vorgesehenen Ausbildungsdauer möglich ist, zwangsläufig einen Bezug zur vorgesehenen Gesamtdauer der Ausbildung aufweist.

V. Die Beurteilung des Schulerfolgs iSe verzögerungsfreien Annäherung an den Abschluss der Ausbildung bestimmt sich mangels eigenständiger Regelungen im NAG anhand der einschlägigen schulunterrichtsrechtlichen Normen - hier dem SchUG-BKV. Das SchUG-BKV setzt jedoch (ua) eine Berechtigung zum Aufstieg voraus. Kommt eine solche nicht mehr in Betracht, ist im Hinblick darauf aber jedenfalls vom Fehlen des erforderlichen Studienerfolgs auszugehen.
- | Online seit - 08.03.2024
3254

Judikatursammlung

Rückkehrentscheidung niemals während offener erstinstanzlicher Asylverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Das vorübergehende Aufenthaltsrecht von Asylwerbern iSd Art 9 Abs 1 RL 2013/32/EU schließt die Anwendbarkeit der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Asylverfahrens aus.

II. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor dem erstinstanzlichen Asylverfahrensabschluss ist daher in Ermangelung eines illegalen Aufenthalts (vgl Art 2 Abs 1, Art 3 Z 2 und Art 6 RL 2008/115/EG) stets rechtswidrig, egal, auf welchen Zeitraum in der Rückkehrentscheidung Bezug genommen wird.
- | Online seit - 07.03.2024
3253

Judikatursammlung

Scheinarbeitsverhältnis begründet kein Freizügigkeitsrecht

Leitsatz des Gerichts:
Nicht jede auch noch so geringfügige Ausübung des Freizügigkeitsrechts entfaltet Relevanz. Vielmehr ist es erforderlich, dass mit einer gewissen Nachhaltigkeit von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht wird. Was die Festlegung der Nachhaltigkeitsgrenze anlangt, liegt es nahe, auf die Rsp des EuGH zum Arbeitnehmerbegriff abzustellen. Der EuGH verlangt für die Qualifikation als Arbeitnehmer iSv Art 45 AEUV jenseits des Erfordernisses einer abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt in einem anderen Mitgliedstaat einschränkend eine "tatsächliche und echte Tätigkeit", die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt. Dieser Maßstab lässt sich allgemein dergestalt auf alle Freizügigkeitsrechte übertragen, dass eine "tatsächliche und effektive" Ausübung derselben vorliegen muss. In seiner Rsp zum Arbeitnehmerbegriff hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer erhält, ebenso wenig von alleiniger Bedeutung ist wie das Ausmaß der Arbeitszeit und die Dauer des Dienstverhältnisses.
- | Online seit - 06.03.2024
3252

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Neuerlich zum Nachweis eines Krankenversicherungsschutzes

Leitsatz des Gerichts:
Gemäß dem eindeutigen Wortlaut von § 11 Abs 2 Z 3 NAG iVm § 7 Abs 1 Z 5 NAG-DV kann der bloße Verweis auf einen beabsichtigten Versicherungsabschluss nach Einreise nach Österreich die Nachweispflicht nicht substituieren. Auch die für Studierende bestehende Möglichkeit der Selbstversicherung gemäß § 16 Abs 2 ASVG ändert daran nichts, solange nicht tatsächlich ein ausreichender Krankenversicherungsschutz für die gesamte Dauer des Aufenthalts abgeschlossen wurde.
- | Online seit - 05.03.2024
3251

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Unzureichende Ermittlungen zur Rückkehrsituation von aus der Ukraine stammenden russischen Staatsangehörigen

Leitsatz des Gerichts:
Eine mündliche Verhandlung kann nur unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.
- | Online seit - 04.03.2024
3250

Judikatursammlung

Auch im Fall einer Amtsrevision keine Klärung abstrakt-theoretischer Rechtsfragen durch den VwGH

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein Einstellungsfall wegen Gegenstandslosigkeit gemäß § 33 Abs 1 VwGG liegt insb auch dann vor, wenn der Revisionswerber - infolge Änderung maßgeblicher Umstände - kein rechtliches Interesse mehr an einer Sachentscheidung hat und somit materiell klaglos gestellt wurde. Dies gilt auch für Fälle einer Amtsrevision.

II. Ein Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (aufgrund der geänderten Umstände) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird, bzw wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Der VwGH ist nicht zu einer abstrakten Prüfung der Rechtmäßigkeit einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung berufen. Dies gilt auch für Fälle einer Amtsrevision.
- | Online seit - 01.03.2024
3249

Judikatursammlung

Neuerlich zur Wiederaufnahme von Aufenthaltstitelverfahren und zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsbefugnis

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei amtswegigen Wiederaufnahmen mehrerer Verfahren und den anschließenden Entscheidungen über die betreffenden Anträge handelt es sich um voneinander trennbare Spruchpunkte. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist auch die Zulässigkeit der Revision getrennt zu prüfen.

II. Nach stRsp des VwGH ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruchs der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des VwG ist daher die "Sache" des bekämpften Bescheids; entscheidet das VwG in einer Angelegenheit, die noch nicht oder nicht in der vom VwG in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des VwG und ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet.

III. Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 1 AVG ist, soweit der Bescheid durch gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt wurde, unabhängig davon erfüllt, ob die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigende gerichtlich strafbare Handlung von der dadurch begünstigten Partei gesetzt oder veranlasst wurde, oder ob sie zumindest davon Kenntnis hatte. Es kommt nicht darauf an, ob und gegebenenfalls welche Rolle die begünstigte Partei bei der strafbaren Handlung gespielt hat.

IV. IZm Wiederaufnahmeverfahren betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln geht es nicht darum, den Kindern das Eingehen einer Aufenthaltsehe durch einen Elternteil anzulasten, sondern darum, ob ihnen ein Erschleichen des Bescheids durch den Elternteil (im Wege des Berufens auf eine Aufenthaltsehe) zugerechnet werden kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die erteilten Aufenthaltstitel vom gesetzlichen Vertreter erwirkt wurden, sodass sein Verschweigen der Aufenthaltsehe als "Erschleichen" iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG in den Verfahren der Kinder gewertet und diesen zugerechnet werden kann.
- | Online seit - 29.02.2024
3248

Judikatursammlung

Berücksichtigung des Kindeswohls

Leitsatz des Gerichts:
Infolge der fehlenden Auseinandersetzung mit den aktuellen Umständen, dem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" der Ehefrau, der Beziehung zu seinem Sohn und den Auswirkungen einer Übersiedlung der gesamten Familie auf das Kindeswohl, wird der Beschwerdeführer im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.
- | Online seit - 28.02.2024
3247

Judikatursammlung

Zu den Kriterien für einen Schutz von Palästinensern ipso facto nach der Status-RL

Leitsatz des Gerichts:
I. Gemäß Art 12 Abs 1 lit a zweiter Satz RL 2011/95/EU genießen Personen ipso facto den Schutz dieser RL, wenn ein zuvor bestehender (vom Flüchtlingsschutz ausschließender [Art 1 Abschnitt D Abs 1 GFK]) Schutz oder Beistand einer UN-Institution bzw -Organisation, insb des UNRWA, nicht mehr gewährt wird.

II. Ein Ende der Schutzgewährung einer UN-Institution bzw -Organisation kann nicht nur durch einen dahingehenden Willensakt oder eine Auflösung zustande kommen, sondern auch durch eine faktische Verunmöglichung der Aufgabenwahrnehmung.

III. Ein Ende der Schutzgewährung durch das UNRWA ist nicht schon darin zu erblicken, dass die Versorgungslage, insb in medizinischer Hinsicht, in der EU im Allgemeinen besser ist als im UNRWA-Einsatzgebiet. Vielmehr kommt es auf eine Unmöglichkeit an, seitens der Institution bzw Organisation die für den Gesundheitszustand erforderliche Versorgung bereitgestellt zu bekommen, sodass eine tatsächliche unmittelbare Lebensgefahr oder die tatsächliche Gefahr einer ernsten, raschen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung besteht.
- | Online seit - 27.02.2024
3246

Judikatursammlung

Behebung einer Entscheidung, die eine Trennung der Mutter von ihrem einjährigen Kind zur Folge hatte

Leitsatz des Gerichts:
I. Zwar ist beim Kindeswohl keine absolute Priorisierung gefordert, jedoch ist es bei allen – Kinder betreffende – Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen vorrangig zu beachten. So greift eine Entscheidung in das Kindeswohl – selbst dann, wenn sich diese nicht direkt gegen das Kind richtet – ein, wenn die Entscheidung eine Trennung des (hier: einjährigen) Kindes von dessen Mutter zur Folge hat.

II. Hat eine Entscheidung die Trennung einer Mutter von ihrem kleinen Kind (und ihrem in Österreich lebenden, asylberechtigten Ehemann) zur Folge, so haben die öffentlichen Interessen an einem geordneten Asylsystem im Rahmen der Interessenabwägung zurückzutreten.
- | Online seit - 26.02.2024
3245

Judikatursammlung

Offenkundige Versehen berechtigen nicht zur Beschwerdezurückweisung

Leitsatz des Gerichts:
I. Der VwGH hat in seiner Rsp zu § 63 Abs 3 AVG festgehalten, dass die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (nur) in der Weise zu erfolgen hat, die es ermöglicht, unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB den angefochtenen Bescheid zu erkennen und jede Verwechslung darüber auszuschließen; keinesfalls sollte damit ein übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden. Gleiches gilt sinngemäß für § 9 Abs 1 Z 1 VwGVG.

II. Bei der Angabe der im Hinblick auf eine fehlende Ziffer falschen Geschäftszahl handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, welches eine eindeutige Zuordnung der Beschwerde zum bekämpften Bescheid nicht hindert.

III. Wenn aus dem Inhalt einer Beschwerde erschließbar ist, welcher konkrete Bescheid bekämpft werden soll, ist auch eine Bezugnahme auf einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel als offenkundiges Versehen zu werten.

IV. Selbst wenn das LVwG Zweifel an der Zuordenbarkeit der Beschwerde haben hätte können, wäre eine Zurückweisung ohne vorhergehende Verbesserungsmöglichkeit gemäß § 13 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG nicht rechtmäßig gewesen, weil das LVwG lediglich bei eindeutigen Prozesserklärungen an diese gebunden ist.
- | Online seit - 23.02.2024
3244

Judikatursammlung

Anspruch auf Pflegegeld für Vertriebene

Leitsatz des Gerichts:
Personen, die vorübergehenden Schutz nach der Massenzustrom-RL genießen, zählen zu dem gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfassten Personenkreis und haben daher bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Pflegegeld.
- | Online seit - 22.02.2024
3243

Judikatursammlung

Kein Recht auf Unterhaltsvorschuss für lange vor Kriegsausbruch aufhältiges ukrainisches Kind

Leitsatz des Gerichts:
Ein minderjähriges Kind mit Staatsangehörigkeit eines Staates, in dem derzeit Krieg herrscht, hat keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gemäß § 2 Abs 1 UVG, wenn es seinen Wohnsitz bereits lange vor Kriegsausbruch in Österreich hatte und es im Beurteilungszeitpunkt über einen aufrechten Aufenthaltstitel nach § 8 Abs 1 Z 2 iVm § 41a NAG ("Rot-Weiß-Rot-Karte plus") verfügt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine Rückkehrabsicht in das im Kriegszustand befindliche Heimatland bestanden hätten.
- | Online seit - 21.02.2024
3242

Judikatursammlung

Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren in Bulgarien?

Leitsatz des Gerichts:
I. Werden der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz ausführliche und aktuelle Feststellungen zum Asylsystem eines Staats (Länderberichte) zugrunde gelegt, so ist davon auszugehen, dass es sich dabei um verlässliche und unzweifelhafte Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen handelt. Die für die Erstellung der Staatendokumentation zuständigen Stellen sind zur Objektivität verpflichtet und unterliegen der Beobachtung eines Beirats.

II. Eine Versorgung und Unterbringung von Asylwerbern auf einem niedrigen Niveau lassen nicht per se auf systemische Mängel im Asylsystem schließen.

III. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Außerlandesbringung sind stets aktuelle Länderberichte heranzuziehen. Äußert etwa ein Höchstgericht Bedenken betreffend den Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren oder das Risiko einer Kettenabschiebung (hier: VfGH 15.3.2023, E2944/2022 zum bulgarischen Asylsystem mit Bezug auf die Länderberichte vom 13.6.2022), so sind bei Vorhandensein neue, aktuelle Länderberichte einer Entscheidung zugrunde zu legen (zu Bulgarien: Länderberichte vom 17.5.2023) und es ist zu ermitteln, ob derartige Bedenken weiterhin bestehen oder ob diese in der Zwischenzeit bereits ausgeräumt werden konnten.
- | Online seit - 20.02.2024
3241

Judikatursammlung

Verhältnismäßigkeit der Schubhaft wegen Missachtung der Meldeverpflichtung

Leitsatz des Gerichts:
I. Kommt eine fremde, illegal aufhältige Person ihrer Meldeverpflichtung nicht nach und ignoriert sie zB einen Ladungsbescheid, so ist aus diesem Verhalten abzuleiten, dass die Gefahr des Untertauchens besteht. In einer derartigen Konstellation erfüllen gelindere Mittel iSd § 77 FPG grds nicht den gleichen Zweck wie eine angeordnete Schubhaft.

II. Die Verhinderung von Schwarzarbeit stellt ein derartig großes öffentliches Interesse dar, dass bereits die Ausübung von Schwarzarbeit durch einen illegal aufhältigen Fremden die Notwendigkeit der Schubhaftverhängung zur Sicherung eines voraussichtlich zu verhängenden Aufenthaltsverbots begründen kann.
- | Online seit - 19.02.2024
3240

Judikatursammlung

Keine Bedenken gegen § 88 FPG (Voraussetzungen für die Ausstellung von Fremdenpässen)

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 2 4. ZPEMRK (Freizügigkeit rechtmäßig aufhältiger Fremder) verpflichtet die Vertragsstaaten nicht allgemein zur Ausstellung bestimmter Dokumente, mit denen Auslandsreisen unternommen werden können.

II. Folglich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 88 FPG mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten für die Ausstellung von Fremdenpässen.
- | Online seit - 16.02.2024
3239

Judikatursammlung

Nichtbescheid wegen fehlender charakteristischer Merkmale der Unterschrift

Leitsatz des Gerichts:
Damit einem als "Bescheid" bezeichneten Schriftstück auch Bescheidqualität zukommt, hat die Unterschrift – neben den weiteren Voraussetzungen betreffend einen Bescheid – bestimmte Merkmale aufzuweisen. Sie muss ein Buchstabengebilde und damit einen individuellen Schriftzug in einer üblichen Schrift darstellen, aus welchem Dritte, die den Namen des Unterzeichneten kennen, den Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen können. Ein völlig abstrakter, schlaufen- und wellenförmiger Schriftzug oder eine Paraphe ist nicht als Unterschrift zu qualifizieren.
- | Online seit - 15.02.2024
3238

Judikatursammlung

Aberkennung des subsidiären Schutzes und Unzulässigkeit der Abschiebung

Leitsatz des Gerichts:
I. Im Falle eines illegalen Aufenthalts einer fremden Person ist selbst dann, wenn die Abschiebung per se unzulässig ist, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Bei Änderung der relevanten Sachlage betreffend die (Un-)Zulässigkeit einer Abschiebung ist von der Behörde ein neuer Bescheid (Rückkehrentscheidung mit Ausspruch der Zulässigkeit nach § 52 Abs 9 FPG) zu erlassen. Durch diese neue Feststellung erlischt das Verbot der Abschiebung. Damit wird dem Ziel der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) – wirksame Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen – entsprochen.

II. Wird von einer fremden Person ein Tatbestand iSd § 9 AsylG (zB rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens) verwirklicht, so hat von Amts wegen eine Aberkennung des Status der subsidiären Schutzberechtigung zu erfolgen. Zudem ist diese Aberkennung nach § 9 Abs 4 AsylG mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden.

III. Vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung hat eine Interessenabwägung stattzufinden. Geht von einer fremden Person eine Gefahr aus (zB da diese Person bereits mehrmals rechtskräftig verurteilt wurde), so ist das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung erheblich erhöht. In einem derartigen Fall ist eine Rückkehrentscheidung grds auch dann gerechtfertigt, wenn die fremde Person bereits einen mehrjährigen (zum Teil rechtmäßigen) Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann.
- | Online seit - 14.02.2024
3237

Judikatursammlung

Missbräuchliche Stellung eines Asylantrages als Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit; zweijährig befristetes Einreiseverbot

Leitsatz des Gerichts:
I. § 53 Abs 2 FPG enthält eine bloß beispielhafte Aufzählung an Umständen, derentwegen die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Fremde angenommen werden kann.

II. Ein rechtswidriger Aufenthalt alleine kann ein Einreiseverbot nicht rechtfertigen, solange nicht qualifizierte Verstöße gegen das Fremdenrecht, etwa gegen die Ausreiseverpflichtung, hinzukommen.

III. Jedoch kann eine rechtsmissbräuchlich erfolgte Asylantragstellung sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe von zwei Jahren ein Einreiseverbot rechtfertigen. Für diese Beurteilung sind die Umstände der Antragstellung einer Einzelfallbeurteilung zu unterziehen.
- | Online seit - 13.02.2024