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Judikatursammlung

Keine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien

Leitsatz des Gerichts:
I. Die GFK setzt das Vorliegen einer "begründeten Furcht vor Verfolgung" voraus, weshalb ein Fremder zur Begründung des beantragten Asylstatus eine konkrete und gezielt gegen ihn gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität darzutun hat.

II. Die allgemeine Lage in Syrien gestaltet sich nicht derart, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.
- | Online seit - 09.04.2024
3271

Judikatursammlung

Annahme einer besonderen Gefährdungslage für alleinstehende Frauen in Syrien

Leitsatz des Gerichts:
Alleinstehende Frauen unterliegen in Syrien einem besonders hohen Verfolgungsrisiko, wobei das Ausmaß des Risikos vom sozialen Status und der Stellung der Frau oder ihrer Familie abhängt. Unverheiratete, Witwen und Geschiedene sind dabei als besonders gefährdet einzustufen.
- | Online seit - 08.04.2024
3279

Judikatursammlung

Abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erlischt durch Wegzug des Ehepartners aus Österreich

Leitsatz des Gerichts:
I. Als rechtmäßiger Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen iSd (den Art 16 Abs 2 der RL 2004/38/EG umsetzenden) § 54a Abs 1 NAG kann nur ein den Vorgaben der RL 2004/38/EG entsprechender Aufenthalt angesehen werden.

II. Das vom Ehepartner (Unionsbürger) abgeleitete unionsrechtliche Aufenthaltsrecht endet durch dessen Wegzug aus Österreich und bleibt auch (bei einer - wie hier - erst nach dem Wegzug erfolgten Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens) nicht aufgrund einer später erfolgten Scheidung erhalten.

III. Auch der EuGH hat festgehalten, dass das (unionsrechtliche) Aufenthaltsrecht des im Aufnahmemitgliedstaat zurückbleibenden, einem Drittstaat angehörenden Ehegatten bereits mit dem Wegzug des Unionsbürgers erloschen ist, wenn der Unionsbürger vor der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens den Aufnahmemitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat niederzulassen, und dass ein späterer Scheidungsantrag nicht zum Wiederaufleben dieses Rechts führen kann, weil Art 13 der RL 2004/38/EG nur von der "Aufrechterhaltung" eines bestehenden Aufenthaltsrechts spricht.
- | Online seit - 05.04.2024
3270

Judikatursammlung

Notwendige Ermittlungstätigkeit zur Beurteilung der Wirkungen einer im Ausland geschlossenen Ehe

Leitsatz des Gerichts:
I. Ausländisches Recht stellt gemäß der Judikatur des VwGH keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage dar. Der Grundsatz "iura novit curia" gilt in Bezug auf ausländisches Recht nicht, sodass dieses in einem amtswegigen Ermittlungsverfahren festzustellen ist und eine Mitwirkungspflicht der Partei nur soweit erforderlich besteht.

II. Maßgebliches fremdes Recht ist von Amts wegen zu ermitteln und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden, wobei es in erster Linie auf die dort von der Rsp geprägte Anwendungspraxis ankommt.
- | Online seit - 04.04.2024
3269

Judikatursammlung

Abweisung von Säumnisbeschwerden wegen fehlenden Verschuldens der Behörde

Leitsatz des Gerichts:
I. Sind Verzögerungen bei der Entscheidung über Anträge nicht durch die Behörde verschuldet, so sind allfällig erhobene Säumnisbeschwerden grds abzuweisen. Liegt eine außergewöhnliche Belastungssituation, zB angesichts einer massiven Steigerung der Anträge auf internationalen Schutz und eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts für Vertriebene (Krieg in der Ukraine), vor und hat die Behörde bereits Maßnahmen gesetzt, um einer derartigen Situation zeitnah zu begegnen, so ist der Behörde kein überwiegendes Verschulden anzulasten.

II. Bei Maßnahmen, die einen plötzlich auftretenden massiven Mehraufwand eindämmen sollen, ist zu beachten, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst nach einer gewissen Einarbeitungsphase und dem Absolvieren von Schulungen selbstständig im Verfahren eingesetzt werden können, weshalb Personalaufstockungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Auswirkungen zeigen.

III. Eine Säumnisbeschwerde ist abzuweisen, wenn einer meritorischen Entscheidung ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder ein unüberwindbares Hindernis entgegensteht. Ein komplexer Sachverhalt oder eine generelle Überlastung der Behörde ist nicht geeignet, ein unüberwindbares Hindernis darzustellen. Liegen spezifische Ausnahmesituationen vor, wie etwa ein plötzlicher massenhafter Neuanfall von Anträgen, so kann dies sehr wohl ein (kurzfristig) unüberwindbares Hindernis darstellen.
- | Online seit - 03.04.2024
3267

Judikatursammlung

Mutwillensstrafe (§ 35 AVG) nur im Ausnahmefall; Subsidiarität des 7. Hauptstücks des AsylG gegenüber dem NAG

Leitsatz des Gerichts:
I. Damit anlässlich der Beantragung von Aufenthaltstiteln eine Mutwillensstrafe erhoben werden kann (§ 35 AVG), muss der absolute Ausnahmefall des offenkundigen Rechtsmissbrauchs vorliegen.

II. Aus § 58 Abs 9 Z 1 AsylG, wonach Anträge auf Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (7. Hauptstück des AsylG) zurückzuweisen sind, wenn sich der Drittstaatsangehörige in einem Verfahren nach dem NAG befindet, ergibt sich neben der Subsidiarität des 7. Hauptstücks des AsylG gegenüber dem NAG auch ein Ausschluss der Parallelität von Verfahren nach beiden Regimen.
- | Online seit - 02.04.2024
3349

Editorial

zu Jahrgangsband 2023

Leitsatz des Gerichts:
- | Online seit - 29.03.2024
3234

Judikatursammlung

Gegenstandslosigkeit einer aufrechten Rückkehrentscheidung bei zwischenzeitiger Erteilung eines Aufenthaltstitels

Leitsatz des Gerichts:
Der Eintritt der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht der Aufrechterhaltung einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen.

- | Online seit - 28.03.2024
3232

Judikatursammlung

Spannungsverhältnis zwischen Art 18 Massenzustrom-RL und der Zuständigkeitsnorm des Art 19 Dublin III-VO

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Verpflichtungen nach Dublin III-VO gehen gemäß Art 19 leg cit ex lege auf den Mitgliedstaat über, der einem Drittstaatsangehörigen nach Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz einen Aufenthaltstitel erteilt.

II. Dies steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zu Art 18 der Massenzustrom-RL, wonach für die Prüfung eines Asylantrages einer Person, die nach dieser Richtlinie vorübergehenden Schutz genießt, jener Mitgliedstaat zuständig ist, der der Überstellung dieser Person in sein Hoheitsgebiet zugestimmt hat.
- | Online seit - 27.03.2024
3266

Judikatursammlung

Verfristung eines Aufnahmegesuchs und Sicherheitsvermutung

Leitsatz des Gerichts:
I. Wird ein auf Art 13 Abs 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch vom ersuchten Mitgliedstaat ignoriert, so begründet dies aufgrund der Verfristung gemäß Art 22 Abs 7 Dublin III-VO die Verpflichtung des ersuchten Staats, die betroffene Person aufzunehmen.

II. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist nicht aufgrund jeder Grundrechtsverletzung, sondern erst aufgrund systemischer Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber geboten. Eine drohende große Armut und Obdachlosigkeit oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betroffenen Person genügt dafür nicht.

III. Im Falle von Dublin III-Mitgliedstaaten bestehen wesentlich engere Prüfmaßstäbe als bei einer regulären Art 3 EMRK-Prüfung in Bezug auf Nichtmitgliedstaaten. Diese Sicherheitsvermutung des § 5 Abs 3 AsylG, wonach ein Asylwerber im jeweils zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet, ist widerlegbar, was aber jedenfalls das Vorliegen einer realen Gefahr einer Verletzung der Rechte aus Art 3 EMRK erfordert.
- | Online seit - 26.03.2024
3264

Judikatursammlung

Neuerlich zu Hinderungsgründen und anrechenbaren Prüfungen iZm dem Nachweis eines Studienerfolgs

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach der VwGH-Rsp kann von einem unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgrund iSd § 64 Abs 2 letzter Satz NAG nicht die Rede sein, wenn der Hinderungsgrund dauerhaft ist. Von einem dauerhaften Hindernis ist ua bei länger dauernden (im Allgemeinen die Dauer eines Jahres überschreitenden) Erkrankungen auszugehen.

II. Der für die Verlängerung des studentischen Aufenthaltstitels erforderliche Studienerfolgsnachweis ist zu den vom Antragsteller betriebenen Studien in Bezug zu setzen. Der verlangte Studienerfolg muss also dem betriebenen Studium (zu dem ein Antragsteller zugelassen wurde) zurechenbar sein. Es sind nicht jegliche Prüfungen hinreichend, sondern es muss sich um Prüfungen handeln, die nach dem relevanten Curriculum abzulegen sind.
- | Online seit - 25.03.2024
3268

Judikatursammlung

Persönliche Anhörung von Minderjährigen sowie Prüfung des Kindeswohls im Rahmen der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist nicht allein auf die privaten und familiären Interessen eines Minderjährigen abzustellen, sondern es kommt auch den öffentlichen Interessen an der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme - insb gegen im Bundesgebiet aufhältige Fremde, denen nach für sie negativem Abschluss von Asylverfahren kein Aufenthaltsrecht mehr zukommt - maßgeblicher Stellenwert zu.

II. In jüngeren Entscheidungen der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts wurde (implizit) davon ausgegangen, dass die Vernehmung Minderjähriger grundsätzlich zulässig ist. Von der grundsätzlich gegebenen Zulässigkeit der Vernehmung von Minderjährigen in einem gerichtlichen und behördlichen Verfahren als Zeugen geht, wie sich aus den in diversen Gesetzen dazu enthaltenen Normen ableiten lässt, auch der jeweils zuständige Gesetzgeber aus.

III. Bei der Beurteilung, ob und gegebenenfalls in welcher Art und Weise dem Beweisantrag auf Vernehmung eines Minderjährigen nachgekommen oder von Amts wegen dessen Vernehmung angeordnet wird, ist zur Wahrung des Kindeswohls von der Behörde und dem Gericht unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ein strenger Maßstab anzulegen.
- | Online seit - 22.03.2024
3265

Judikatursammlung

Neue Umstände hinsichtlich einer möglichen Aufhebung eines Aufenthaltsverbots?

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Prüfung eines Antrags auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots nach § 69 Abs 2 FPG sind die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen, geänderten Umstände zu beachten. In diesem Zusammenhang kann die Rechtmäßigkeit des Bescheids betreffend die Verhängung des Aufenthaltsverbots jedoch nicht mehr überprüft werden.

II. Bei der Aufhebung eines Aufenthaltsverbots nach § 69 Abs 2 FPG sind Veränderungen der maßgebenden Umstände (sowohl zugunsten als auch zu Lasten der fremden Person) zu berücksichtigen. Ein Gesinnungswandel und damit ein Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von der fremden Person ausgehenden Gefährlichkeit während einer kurzen Zeitspanne (hier: unter zwei Jahren) ist nicht als Veränderung von maßgebenden Umständen zu qualifizieren.
- | Online seit - 21.03.2024
3263

Judikatursammlung

Zum "unmittelbar vorangehenden rechtmäßigen Aufenthalt" iSd § 45 Abs 2 NAG

Leitsatz des Gerichts:
Im Fall eines rechtzeitigen Verlängerungsantrags ist einem Fremden bis zur Entscheidung über diesen Verlängerungsantrag dieselbe Rechtsposition eingeräumt, die er nach dem Inhalt des letzten Aufenthaltstitels innehatte. Das durch die rechtswirksame Erteilung eines Aufenthaltstitels erlangte Aufenthaltsrecht ist somit während des Verfahrens über den Verlängerungsantrag perpetuiert. Der Fremde stellte rechtzeitig einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung als Student. Dieser Antrag wurde erst im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des VwG rechtskräftig abgewiesen. Bis zu diesem Zeitpunkt war daher das durch die rechtswirksame Erteilung der Aufenthaltsbewilligung als Student erlangte Aufenthaltsrecht perpetuiert. Der Zeitraum, in dem der Fremde aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung nach § 8 Abs 1 Z 12 NAG im Bundesgebiet aufhältig war, erweist sich damit als der vom VwG angenommenen Niederlassung des Fremden als "unmittelbar vorangegangen" iSd § 45 Abs 2 NAG.
- | Online seit - 20.03.2024
3262

Judikatursammlung

Unvertretbare Interessenabwägung iZm annähernd zehnjährigem Inlandsaufenthalt

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Rsp des VwGH zur besonderen Bedeutung eines (mehr als) zehnjährigen Inhaltsaufenthalts wurde vom Gerichtshof wiederholt auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren lag.

II. Die Fremde ist unbescholten, verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse, hat enge Beziehungen zu ihrem niederlassungsberechtigten Ehemann sowie zu Freunden und Bekannten aufgebaut und sich durch Nebenbeschäftigungen während des Studiums integriert. Angesichts dieser integrationsbegründenden Umstände iVm dem langjährigen (neuneinhalb Jahre) - überwiegend rechtmäßigen - Inlandsaufenthalt ist die Auffassung des VwG, dass die im Rahmen des § 21 Abs 3 Z 2 bzw des § 11 Abs 3 NAG vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Fremden auszugehen hat, nicht zu teilen.
- | Online seit - 19.03.2024
3261

Judikatursammlung

Einsatz für die Selbstbestimmung der Frau im von den Taliban kontrollierten Afghanistan

Leitsatz des Gerichts:
I. Für den Konventionsgrund der politischen Überzeugung genügt es, wenn diese von den verfolgenden Akteuren zumindest unterstellt wird.

II. Im patriarchalen Herrschaftssystem der Taliban ist davon auszugehen, dass jedermann, der sich für die Selbstbestimmung einer Frau einsetzt, Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung droht. Antragstellern, die ein solches Fluchtvorbringen glaubhaft machen, ist sohin der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen (§ 3 Abs 1 AsylG).
- | Online seit - 18.03.2024
3260

Judikatursammlung

Reisebeschränkungen anlässlich COVID-19 vor dem Hintergrund der Freizügigkeit und des Schengener Grenzkodex

Leitsatz des Gerichts:
I. Die RL 2004/38/EG (Unionsbürger-RL) regelt das Ausreiserecht nicht nur für andere Unionsbürger, sondern auch für die Staatsangehörigen des betreffenden Mitgliedstaats, während sie in Hinblick auf das Einreiserecht bloß Regelungen für andere Unionsbürger enthält.

II. Beschränkungen der Freizügigkeit, konkret des Ausreise- und des Einreiserechts (Art 4 und 5 RL 2004/38/EG) sind bereits in Maßnahmen zu erblicken, welche die Ausübung der Rechte weniger attraktiv machen. Zu nennen sind etwa auch Verpflichtungen, sich bei der Einreise zur Eindämmung von COVID-19 Screeningtests oder Quarantänen zu unterziehen.

III. Beschränkungen dieser Rechte zum Schutz der Gesundheit (Art 27 Abs 1 und Art 29 Abs 1 RL 2004/38/EG) dürfen nicht wirtschaftlich motiviert sein und nur aus Anlass einer übertragbaren Krankheit ergehen.

IV. Weder Art 27 Abs 1 noch Art 29 Abs 1 RL 2004/38/EG steht dem Gebrauch allgemein geltender Rechtsatzformen (in Österreich: Verordnungen iSd Art 18 Abs 2 B-VG) für Beschränkungen der Freizügigkeit entgegen. Auch mittels solcher Rechtsakte verfügte Beschränkungen müssen sich auf Rechtfertigungsebene an den Art 30 bis 32 RL 2004/38/EG messen lassen.

V. Den genannten Art 30 bis 32 RL 2004/38/EG ist neben einer staatsgerichteten Pflicht zur Determinierung und Begründung der Maßnahme sowie der Garantie eines Rechtswegs auch ein Verhältnismäßigkeitsgebot zu entnehmen.

VI. Die Freizügigkeit beschränkende Rechtsakte mit allgemeiner Geltung müssen neben dem amtlichen Kundmachungsmedium über eine amtliche mediale Verlautbarung in der Weise mitgeteilt werden (leicht zugänglich und kostenlos), dass Inhalt und Wirkungen des Rechtsakts, die Begründung sowie Rechtsbehelfe und Fristen zu deren Erhebung konkret genannt werden (vgl Art 30 Abs 1 und 2 RL 2004/38/EG).

VII. Der Rechtsbehelf gegen den Rechtsakt muss wenigstens in Form einer inzidenten Bestreitung der Rechtmäßigkeit anlässlich einer Rechtsstreits, in dem er präjudiziell ist, bestehen (vgl Art 31 RL 2004/38/EG; vgl in Österreich die Möglichkeit der direkten Bekämpfung von COVID-19-Verordnungen anlässlich gerichtlicher Verfahren gemäß Art 144 Abs 1 oder Art 139 Abs 1 Z 4 B-VG).

VIII. Dass andere Mitgliedstaaten eine übertragbare Krankheit mit weniger einschneidenden Mitteln bekämpfen, spricht nicht per se gegen die Verhältnismäßigkeit von Beschränkungen.

IX. Die Mitgliedstaaten müssen, wenn sie beschränkende Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Gesundheit erlassen, in der Lage sein, geeignete Beweise beizubringen, um darzulegen, dass sie tatsächlich eine Untersuchung zur Geeignetheit, Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der fraglichen Maßnahmen durchgeführt haben, und alle sonstigen Nachweise zu erbringen, die ihre Argumentation stützen können. Eine solche Beweislast darf allerdings nicht so weit gehen, dass die zuständigen nationalen Behörden positiv belegen müssten, dass sich das legitime Ziel mit keiner anderen vorstellbaren Maßnahme unter den gleichen Bedingungen erreichen ließe.

X. Bei der Eignungsprüfung ist auch das Vorliegen hinreichender Daten zum Zeitpunkt der Erlassung der Maßnahme zu prüfen.

XI. Bei der Erforderlichkeitsprüfung ist zu berücksichtigen, ob für die Berechtigten wesentliche Reisen erleichtert werden. Das im Gesundheitsschutz anerkannte Vorsorgeprinzip erweitert den Beurteilungsspielraum der Mitgliedstaaten.

XII. Bei der Adäquanzprüfung (Abwägung des Ziels der Verhinderung der Überlastung der Gesundheitssysteme durch COVID-19 insb mit Art 7 und 16 GRC) ist auch zu würdigen, dass die Ausreiseverbote aufgehoben werden, sobald der Zielmitgliedstaat auf der Grundlage einer regelmäßigen Neubewertung seiner Lage nicht mehr als Hochrisikogebiet eingestuft wird.

XIII. Bei der Prüfung, ob eine gegen COVID-19 gerichtete Maßnahme verbotenen Grenzkontrollen iSd Art 23 VO (EU) 2016/399 gleichkommt, sind die folgenden Gesichtspunkte zu berücksichtigen: Lediglich stichprobenartiger Charakter von Kontrollen, Hauptzwecke der Pandemiebekämpfung und nicht der Bekämpfung rechtswidriger Einreisen sowie der gesundheitspolizeilichen Identifizierung und Überwachung Erkrankter, Gefährlichkeit der Krankheit für die Gesundheitssysteme.

XIV. Eine Situation wie die COVID-19-Pandemie mit den Umständen des Jahres 2020 kann als ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung und/oder der inneren Sicherheit iSv Art 25 Abs 1 VO (EU) 2016/399 eingestuft werden, sodass selbst die vorübergehende Wiederaufnahme echter Grenzkontrollen nicht ausgeschlossen erscheint.

XV. Die Prüfung von COVID-19-Reiseregeln am Maßstab der RL 2004/38/EG (Unionsbürger-RL) sowie der VO (EU) 2016/399 (Schengener Grenzkodex) nimmt der EuGH nicht selbst vor, sondern überlässt sie unter Maßgabe der oben geschilderten Parameter den nationalen Gerichten.
- | Online seit - 15.03.2024
3259

Judikatursammlung

Unionsrechtliches Daueraufenthaltsrecht steht "Daueraufenthalt - EU" nicht entgegen

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Antragstellung im Rahmen eines Verlängerungs- oder Zweckänderungsverfahrens ist nicht Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 NAG.

II. § 45 Abs 11 NAG stellt auf Situationen ab, in denen ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" nicht in einem Verlängerungs- oder Zweckänderungsverfahren, sondern unmittelbar anschließend an eine unionsrechtliche Aufenthaltsberechtigung erteilt wird. Weiters ist anhand von § 45 Abs 11 NAG ersichtlich, dass Aufenthaltszeiten, während derer ein Drittstaatsangehöriger über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verfügte, als Zeiten einer rechtmäßigen Niederlassung iSd § 45 Abs 1 NAG zu betrachten sind. Den Gesetzesmaterialien zufolge hat § 45 Abs 11 NAG zudem lediglich klarstellende Funktion.

III. Auch wenn aus §§ 8 und 9 NAG hervorgeht, dass der Gesetzgeber zwischen Aufenthaltstiteln und Dokumentationen unterscheiden wollte, können die §§ 8 und 9 NAG, die Art und Form von Aufenthaltstiteln und Dokumentationen regeln, sowie § 10 NAG, der Vorschriften hinsichtlich der Ungültigkeit und Gegenstandslosigkeit von Aufenthaltstiteln und Dokumentationen enthält, nicht in dem Sinn verstanden werden, dass einer lediglich zu dokumentierenden, ex lege erworbenen unionsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung "Vorrang" gegenüber der konstitutiven Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" zukomme, weshalb die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 NAG nicht in Betracht zu ziehen sei. Aus dem NAG lässt sich somit nicht ableiten, dass dem Antrag eines Fremden auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" infolge seiner auf Art 16 Abs 2 der RL 2004/38/EG und auf den entsprechenden Bestimmungen des NAG basierenden und durch Ausstellung einer Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a NAG dokumentierten, unionsrechtlichen Aufenthaltsberechtigung der Erfolg zu versagen wäre.

IV. Drittstaatsangehörige, denen aufgrund der RL 2004/38/EG ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, fallen in den Anwendungsbereich der RL 2003/109/EG. Auch ein richtlinienkonformes Verständnis der innerstaatlichen Rechtslage gebietet sohin, dass dem Mitbeteiligten die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" gemäß § 45 NAG nicht deshalb verwehrt werden kann, weil er über ein unionsrechtlich begründetes Daueraufenthaltsrecht gemäß Art 16 Abs 2 der RL 2004/38/EG sowie über eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a NAG verfügt.
- | Online seit - 14.03.2024
3258

Judikatursammlung

Gesetzlich vorgesehene Alternative zur Wehrdienstverweigerung als Ausschluss einer Verfolgungsgefahr

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Beurteilung betreffend die Glaubhaftigkeit einer behaupteten Verfolgungsgefahr hat auf der Grundlage positiver Feststellungen zu erfolgen. Derartige positive Feststellungen können nicht getroffen werden, wenn die Angaben der fremden Person aber als unglaubwürdig erachtet werden.

II. Wäre die Ableistung des Wehrdienstes mit zwangsweisen völkerrechtswidrigen Militäraktionen verbunden, so kann im Hinblick auf eine Desertation bzw Wehrdienstverweigerung bereits eine Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen. Besteht jedoch die Möglichkeit, sich rechtsgültig durch die Leistung einer nicht unangemessen hohen Wehrersatzgebühr vom Wehrdienst zu befreien, so ist nicht vom Bestehen einer Verfolgungsgefahr auszugehen.

III. Stellt die Wehrdienstverweigerung, welche die Grundlage einer behaupteten Verfolgung bildet, nicht das einzige Mittel dar, um der Beteiligung an Kriegsverbrechen zu entgehen, so kann die behauptete Verfolgung nicht als Asylgrund herangezogen werden.

IV. Obwohl mehreren Anträgen auf internationalen Schutz ähnliche Sachverhalte zugrunde liegen (hier: zwei Brüder in einer ähnlichen Situation), ist dennoch jeder Fall für sich zu beurteilen und entfaltet die zuerst getroffene Entscheidung keine Bindungswirkung für das darauffolgende Verfahren.

V. Die Teilnahme an einer Kundgebung gegen die Regierung im Heimatstaat (hier: Syrien) führt nicht zu einer Verfolgungsgefahr aufgrund der Annahme einer oppositionellen Gesinnung, wenn die Behörden des Heimatstaats keine Kenntnis von der Teilnahme erlangen.
- | Online seit - 13.03.2024
3255

Judikatursammlung

Zur Prüfung eines "ernsthaften Schadens" und damit subsidiären Schutzes (Art 15 RL 2011/95/EU)

Leitsatz des Gerichts:
I. Anträgen der vorlegenden Gerichte im Vorabentscheidungsverfahren (Art 267 AEUV), im beschleunigten Verfahren zu entscheiden (Art 105 VerfO EuGH), ist durch den Präsidenten des EuGH nicht schon aufgrund der Antragsbegründung stattzugeben, im Asylverfahren mitbetroffene Kinder seien einer starken Unsicherheit ausgesetzt. Gegen das Erfordernis eines beschleunigten Verfahrens spricht auch der Umstand, dass schon das bisherige innerstaatliche Verfahren lange gedauert hat.

II. Art 15 lit b RL 2011/95/EU entspricht im Wesentlichen Art 3 EMRK.

III. Alle drei Alternativen des Art 15 RL 2011/95/EU betreffend den für eine subsidiäre Schutzgewährung erforderlichen ernsthaften Schaden verlangen sowohl die Prüfung aller Umstände der allgemeinen Lage im Herkunftsland als auch der individuellen Umstände beim Antragsteller. Die drei Alternativen stehen zueinander in keinem hierarchischen oder exklusiven Verhältnis.

IV. Der in Art 15 lit b RL 2011/95/EU (= Art 3 EMRK) definierte ernsthafte Schaden setzt stets eine klare Individualisierung voraus. Der geforderte Individualisierungsgrad wird nicht durch eine (noch) höhere Intensität der Gewalt im Herkunftsland herabgesetzt.

V. Art 15 lit c RL 2011/95/EU ist ein autonom unionsrechtlicher Tatbestand. Er umfasst allgemeinere Gefahren. Das Erfordernis der ernsthaften, individuellen Bedrohung des Antragstellers verhält sich umgekehrt proportional zur Außergewöhnlichkeit der Situation im Herkunftsland (in Extremfällen kann es ganz entfallen).
- | Online seit - 12.03.2024