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Judikatursammlung

Unionsrechtswidrigkeit einer bloß dreitägigen Rechtsmittelfrist in einem beschleunigten Asylverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Art 46 Abs 1 und 4 RL 2013/32/EU trägt den Mitgliedstaaten auf, in Asylsachen einen gerichtlichen Rechtsbehelf auszugestalten, insb hinsichtlich der Fristen, wobei dessen Inanspruchnahme weder verunmöglicht noch übermäßig erschwert werden darf.

II. Eine bloß dreitägige Ausschlussfrist, bei der Feiertage bloß ablaufhemmend wirken, ansonsten aber einzurechnen sind, vermag diesem Erfordernis effektiven Rechtsschutzes nicht Rechnung zu tragen.
- | Online seit - 08.05.2024
3297

Judikatursammlung

Keine Ausstellung eines Konventionsreisepasses nach einer Verurteilung wegen Suchtgiftdelikten

Leitsatz des Gerichts:
I. Auch wenn bei Straftaten nach dem SMG auf den ersten Blick kein internationaler Bezug erkennbar ist (zB weil der Tatort im Inland liegt), wohnt Suchtgiftdelikten ein latenter Auslandsbezug (großteils werden Suchtgifte aus dem Ausland importiert) inne. Ebenso ist von einer besonders hohen Wiederholungsgefahr auszugehen.

II. Der inländische Drogenmarkt und -handel ist vorwiegend mit Suchtgiftimporten aus dem Ausland verknüpft, weshalb davon auszugehen ist, dass ein (Konventions-)Reisepass einen (weiteren) Handel mit Suchtgift für die fremde Person jedenfalls erleichtern würde.
- | Online seit - 07.05.2024
3296

Judikatursammlung

Zum Deutschnachweis durch ausländisches Reifezeugnis

Leitsatz des Gerichts:
Liegt ein ausländisches Abschlusszeugnis vor, das nach ENIC NARIC AUSTRIA einen Nachweis der allgemeinen Universitätsreife darstellt, gilt dieses idR auch als Nachweis von ausreichenden Deutschkenntnissen iSd § 21a Abs 3 Z 1 NAG (iVm § 9 Abs 4 Z 3 IntG und § 64 UG).
- | Online seit - 06.05.2024
3295

Judikatursammlung

Zur örtlichen Zuständigkeit bei Wohnsitzwechsel des Zusammenführenden

Leitsatz des Gerichts:
I. Nach stRsp des VwGH haben die Behörden ihre (ua) örtliche Zuständigkeit gemäß § 6 Abs 1 AVG von Amts wegen wahrzunehmen. Im Fall einer Änderung der Sach- und Rechtslage im Laufe des Verfahrens, dh vor Erlassung des Bescheides, welche eine Änderung der Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde bewirkt, ist das Verfahren von der nach der neuen Situation zuständigen Behörde weiterzuführen, weil dem Verwaltungsverfahren eine "perpetuatio fori" fremd ist.

II. Im Revisionsfall hat das VwG die örtliche Zuständigkeit der belangten Behörde nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu beurteilen. Bezogen auf diesen Zeitpunkt ist somit vom VwG, was im Übrigen in gleicher Weise die von Amts wegen wahrzunehmende Aufgabe der belangten Behörde (gewesen) wäre, gemäß § 4 Abs 1 erster Satz zweiter Fall NAG zu prüfen und gegebenenfalls näher zu ermitteln, wo die Aufenthaltstitelwerbenden beabsichtigten, im Inland ihren Wohnsitz zu begründen.

III. Der Amtswegigkeitsgrundsatz hinsichtlich der Feststellung der örtlichen Zuständigkeit gilt auch dann, wenn sich aus den Verfahrensakten keine konkreten Anhaltspunkte betreffend den von den Aufenthaltstitelwerbenden beabsichtigten Wohnsitz gewinnen lassen.

IV. Soweit eine Rechtsansicht auf § 13 Abs 7 und § 8 AVG verweist und vermeint, dass es bei einer Antragsänderung oder -zurückziehung auf deren Einlangen bei der Behörde ankomme, was dafür spreche, dass auch eine Änderung des beabsichtigten Wohnsitzes iSv § 4 Abs 1 erster Satz zweiter Fall NAG der Behörde gegenüber zum Ausdruck gebracht werden müsse, ist festzuhalten, dass die Frage, wo die Aufenthaltstitelwerbenden zum Entscheidungszeitpunkt der Behörde beabsichtigten, ihren Wohnsitz zu nehmen, eine für die örtliche Zuständigkeit der Behörde ausschlaggebende und von ihr von Amts wegen zu ermittelnde Tatsache, aber keine prozessuale Willenserklärung oder Prozesshandlung darstellt.
- | Online seit - 03.05.2024
3294

Judikatursammlung

Prüfung der Intensität künstlerischer Tätigkeit

Leitsatz des Gerichts:
I. Gefordert gemäß § 43a Abs 1 Z 2 NAG sind die - vom Antragsteller nachzuweisende - Deckung des Unterhalts durch Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit sowie die überwiegende Bestimmtheit der Tätigkeit durch Aufgaben der künstlerischen Gestaltung.

II. Hinsichtlich der Deckung des Unterhalts verweist § 43a Abs 1 Z 2 NAG nicht auf § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG; diese Regelungen verfolgen vielmehr unterschiedliche Ziele, das Erfordernis der Unterhaltsdeckung iSd § 43a Abs 1 Z 2 NAG ist daher unabhängig von § 11 Abs 5 NAG zu beurteilen.

III. Das aus künstlerischer Tätigkeit erwirtschaftete Einkommen muss iSd § 43a Abs 1 Z 2 NAG grundsätzlich geeignet sein, den Unterhalt des Drittstaatsangehörigen zu decken, es ist jedoch nicht an den Richtwerten des § 293 ASVG zu messen und eröffnet einen Spielraum, um allenfalls eine ungleiche Intensität der künstlerischen Tätigkeit aus besonderen Gründen - etwa krankheitsbedingt oder infolge unverschuldeter externer Bedingungen wie beispielsweise der Situation infolge von COVID-19 - berücksichtigen zu können.

IV. Auch wenn die Frage der Unterhaltsdeckung gemäß § 43a Abs 1 Z 2 NAG nicht an den Richtwerten des § 293 ASVG zu messen und insoweit ein Spielraum eröffnet ist, ist die vorliegend angestellte Prognosebeurteilung, wonach die aus der künstlerischen Tätigkeit erwirtschafteten Einkünfte (im Ausmaß von weniger als der Hälfte der nach § 11 Abs 5 NAG erforderlichen Unterhaltsmittel) auch grundsätzlich nicht geeignet seien, den Unterhalt iSd § 43a Abs 1 Z 2 NAG zu decken, im Ergebnis fallbezogen nicht als unvertretbar anzusehen.
- | Online seit - 02.05.2024
3292

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Ausstellung eines Fremdenpasses für jemenitischen Staatsbürger

Leitsatz des Gerichts:
Werden von einer Botschaft nur Reisepässe zur Erneuerung abgelaufener oder als Ersatz für verlorene oder beschädigte Pässe bzw für Kinder ausgestellt und ist es der betroffenen Person etwa im Verlustfall nicht möglich, eine Kopie samt Verlustbestätigung der Polizei vorzulegen, so hat bei Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 88 Abs 2a FPG die Ausstellung eines Fremdenpasses zu erfolgen.
- | Online seit - 30.04.2024
3291

Judikatursammlung

Zur Situation von Asylberechtigten in Griechenland

Leitsatz des Gerichts:
I. Bei der Interessenabwägung iSd Art 8 EMRK fällt im Rahmen eines Asylverfahrens eine zumindest zweifache Missachtung der österreichischen Einreise- und Einwanderungsbestimmungen zugunsten des Schutzes der öffentlichen Ordnung schwer ins Gewicht. Es stellt sich die fortgesetzte Befassung der Asylbehörden mit einem neuerlichen Asylantrag als in besonderem Maße rechtsmissbräuchlich dar – insb, wenn bereits in einem Mitgliedstaat der EU der Status eines Asylberechtigten zuerkannt worden ist.

II. Die maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Rechte des Art 3 EMRK lässt sich grds nicht durch den mentalen Stress, der bei einer Abschiebung bestehen kann, begründen.

III. Es ist unerheblich, ob die Standards von Unterbringungseinrichtungen für Schutzberechtigte in einem Mitgliedstaat jenen von österreichischen Einrichtungen entsprechen. Von Relevanz ist bloß, ob im betreffenden Staat die grundlegende Versorgung gewährleistet wird.
- | Online seit - 29.04.2024
3293

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Dreijährige Wartefrist für Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten (§ 35 AsylG 2005)

Leitsatz des Gerichts:
Keine Bedenken gegen die Anordnung einer dreijährigen Wartefrist für den Familiennachzug bei subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 35 AsylG 2005.

- | Online seit - 26.04.2024
3290

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Dublin-System: Pro Asylantrag ein Merkblatt und ein Gespräch; Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens in der EU

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Art 4 und 5 Dublin III-VO sowie Art 29 Eurodac-VO beinhalten Verfahrensvorschriften, die der Wahrnehmung der Rechte von Antragstellern dienen, gegen die eine Dublinüberstellungsentscheidung ergehen soll. Konkret sind den Antragstellern Informationen in Form eines Merkblattes auszuhändigen und es ist mit ihnen ein persönliches Gespräch zu führen.

II. Die geschilderten Verfahrensvorschriften (II.) kommen nicht nur beim ersten Antrag in einem EU-Mitgliedstaat, sondern auch bei einem weiteren Antrag auf internationalen Schutz und in den Fällen des Art 17 Abs 1 Eurodac-VO (Abgleich von Fingerabdrücken illegal Aufhältiger) zum Tragen.

III. Soweit das Unionsrecht nicht selbst die Rechtsfolgen einer Verletzung seiner Verfahrensgarantien vorgibt, müssen diese vom Mitgliedstaat unter Beachtung des Effektivitätsgrundsatzes festgelegt werden.

IV. Art 27 Abs 1 Dublin III-VO (Anspruch auf einen gerichtlichen Rechtsbehelf) ist dahin auszulegen, dass damit sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeiten bei der Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats als auch die Verletzung von Verfahrensvorschriften gerügt werden können müssen, inklusive der genannten Informations- und Anhörungspflichten. Hinsichtlich ihrer Verletzung ist zu differenzieren: Ein Vorenthalten des persönlichen Gesprächs (Art 5 Dublin III-VO) muss zur Nichtigerklärung der Überstellungsentscheidung durch das Rechtsbehelfsgericht führen, es sei denn, nach nationalem Recht besteht die Möglichkeit des Antragstellers, im Rechtsbehelfsverfahren alle seine Argumente gegen die Überstellungsentscheidung persönlich vorzubringen, und diese Argumente sind dazu geeignet, etwas an der Überstellungsentscheidung zu ändern. Fand hingegen ein persönliches Gespräch statt, wurden jedoch in dessen Vorfeld die nach Art 4 Dublin III-VO gebotenen Informationen (Formblätter) vorenthalten, so hat das Rechtsbehelfsgericht die Nichtigkeit der Überstellungsentscheidung nur dann auszusprechen, wenn dieser Verfahrensfehler für ihr Zustandekommen wesentlich war.

V. Aufgrund des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten gilt die Rechtsvermutung, dass Asylanträge in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit GFK und EMRK behandelt werden.

VI. Aufgrund der Bedeutung und der Reichweite des Rechtsbehelfs iSd Art 27 Abs 1 Dublin III-VO ist das Gericht verpflichtet, auf Basis objektiver, zuverlässiger, genauer und gebührend aktualisierter Angaben und im Lichte der Grundrechte zu prüfen, ob entweder systemische oder allgemeine oder aber bestimmte Personengruppen betreffende Schwachstellen vorliegen.

VII. Antragsteller können sich auch auf das Refoulementverbot (insb Art 4 GRC) berufen, wenn keine systematischen Schwachstellen im ersuchten Mitgliedstaat, sondern nur hinsichtlich ihres Falls die Gefahr einer diesem Verbot widerstreitenden Behandlung vorliegt. Das Rechtsbehelfsgericht hat aber nur systematische Schwachstellen wahrzunehmen, diese liegen aber nicht schon deshalb vor, weil die Refoulementgefahr abweichend vom ersuchten Mitgliedstaat beurteilt wird. Solange keine systematischen Schwachstellen im ersuchten Mitgliedstaat vorliegen, darf das Rechtsbehelfsgericht den ersuchenden Mitgliedstaat auch nicht zum Selbsteintritt (Art 17 Abs 1 Dublin III-VO) zwingen.
- | Online seit - 25.04.2024
3288

Judikatursammlung

Unzureichende Interessenabwägung durch mangelnde Berücksichtigung der Situation des minderjährigen Beschwerdeführers

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Prüfung der Auswirkungen der aufenthaltsbeendenden Maßnahme auf das Kindeswohl bedarf es einer eingehenden Aufarbeitung und Auseinandersetzung mit der Situation des minderjährigen Drittstaatsangehörigen.

II. Der bloße Verweis auf die gemeinsame Rückkehr der Kernfamilie ist jedenfalls nicht ausreichend.
- | Online seit - 24.04.2024
3284

Judikatursammlung

Rückführung schwerkranker minderjähriger Personen in ihren Herkunftsstaat

Leitsatz des Gerichts:
Dem jungen Alter und der sich daraus ergebenden besonderen Vulnerabilität kommt für die Beurteilung der Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK im Zusammenhang mit der Rückführung schwerkranker Minderjähriger besondere Bedeutung zu.

- | Online seit - 23.04.2024
3278

Judikatursammlung

Keine hinreichende gesetzliche Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung und -vertretung

Leitsatz des Gerichts:
I. Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und des Rechts auf einen effektiven Rechtsschutz wegen fehlender hinreichender gesetzlicher Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung und -vertretung.

II. Die nicht hoheitliche, privatrechtsförmige Aufgabenwahrnehmung der Rechtsberatung und -vertretung durch die BBU GmbH stellt keine funktionell staatliche Verwaltungsführung iSd Art 20 Abs 1 B-VG dar.
- | Online seit - 22.04.2024
3287

Judikatursammlung

Unzulässigkeit der Schubhaft unmittelbar nach einer Strafhaft

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Schubhaft darf stets nur die "ultima ratio" sein, dh es hat im Fall der beabsichtigten Abschiebung einer fremden Person die Vorgangsweise nach Möglichkeit so gewählt zu werden, dass die Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Befindet sich die fremde Person zB in Strafhaft, so sind währenddessen vom BFA bereits alle Vorkehrungen zu treffen, damit die Abschiebung zeitnah nach der Entlassung aus der Strafhaft stattfinden kann.

II. Ist die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und die anschließende Abschiebung einer sich in Strafhaft befindenden fremden Person geplant, so ist das BFA angehalten, etwa ein Aufenthaltsverbot und eine Flugbuchung für die Abschiebung zum absehbaren Ende der Strafhaft hin rasch zu organisieren. Werden nicht zügig alle Vorkehrungen für die Abschiebung getroffen, so ist die angeordnete Schubhaft als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

III. Befindet sich die fremde Person bereits in Strafhaft und wird die Schubhaft (§ 76 Abs 4 FPG) gegen sie angeordnet, so hat dies mittels eines Bescheids – und nicht wie sonst üblich iSd § 57 AVG (Mandatsbescheid) – zu erfolgen. Dies hat den Hintergrund, dass wegen der Strafhaft keine Gefahr im Verzug dahingehend vorliegt, dass sich die fremde Person etwa ihrer Abschiebung entziehen könnte.
- | Online seit - 19.04.2024
3286

Judikatursammlung

Neuerlich zum Familienangehörigenbegriff

Leitsatz des Gerichts:
I. Der Gesetzeswortlaut von § 2 Abs 1 Z 9 iVm § 47 Abs 2 bzw 3 NAG ist klar und eindeutig. Ein davon abweichender Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar. Eine planwidrige Lücke, die die Möglichkeit einer analogen Anwendung verwandter Rechtsvorschriften eröffnen würde, liegt nicht vor.

II. In bestimmten Konstellationen ist zur Erzielung eines dem Art 8 EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff des Familienangehörigen in § 47 Abs 2 NAG von der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzukoppeln und ist in einem solchen Fall auch der betreffende Angehörige als Familienangehöriger, dem ein Anspruch auf Familiennachzug zukommt, erfasst. Von einer solchen besonderen Konstellation kann jedoch nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Umstände, wie vor allem bei Bestehen eines besonderen familiären Betreuungsbedarfs erheblich schutzbedürftiger (etwa kranker) Personen oder bei Bestehen besonders enger familiärer Beziehungen bzw Bindungen (vor allem von Kindern) zu im Aufnahmestaat verfestigt aufhältigen Bezugspersonen (vor allem Eltern) ausgegangen werden.

III. Die freiwillige Unterstützung der Kindesmutter und die Unterhaltsleistung an das 2014 geborene gemeinsame Kind durch den Drittstaatsangehörigen, der im Übrigen über ein finnisches Daueraufenthaltsrecht verfügt und hauptsächlich in der Schweiz berufstätig ist, machen eine Aufenthaltstitelerteilung iSd Rsp des EuGH (und diesem folgend des VwGH) zu Art 20 AEUV nicht erforderlich. Die im Bundesgebiet in geordneten Verhältnissen lebende Kindesmutter ist die Hauptbezugsperson des gemeinsamen Kindes, ein derartiges Abhängigkeits- bzw Naheverhältnis zum drittstaatsangehörigen Vater, sodass bei Versagung des Aufenthaltstitels das Kind und die Mutter Österreich verlassen müssten oder zumindest eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls zu erwarten wäre, besteht nicht.
- | Online seit - 18.04.2024
3283

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Mangelnde Ermittlungstätigkeit zur "Integrationsverfestigung" zweier Minderjähriger

Leitsatz des Gerichts:
I. Im vorliegenden Fall erweist sich die Ermittlungstätigkeit des BVwG in Bezug auf die Aspekte des Kindeswohls als unzureichend, zumal die damals zehn- bzw zwölfjährigen Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht zu ihrer Situation befragt wurden und auch die Mutter zu diesem Thema nur mangelhaft befragt wurde.

II. Auf Grund dieser mangelhaften Ermittlungstätigkeit ist es nicht nachvollziehbar, wie das BVwG das Maß der Integration der minderjährigen Beschwerdeführer, das in der nach Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, beurteilen konnte.
- | Online seit - 17.04.2024
3285

Judikatursammlung

Zur Bedeutung der Möglichkeit einer Befreiungsgebühr von der Wehrpflicht im Asylverfahren

Leitsatz des Gerichts:
I. Die Furcht vor einer zwangsweisen Ableistung des Wehrdienstes oder einer aufgrund der Wehrdienstverweigerung drohenden Bestrafung stellt per se keinen Asylgrund dar. Ist die Verweigerung aber in einem Konventionsgrund begründet oder geht der Wehrdienst mit dem Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen einher, kann eine asylrelevante Verfolgung vorliegen.

II. Ist mit der Ableistung des Wehrdienstes ein Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen verbunden, so stellt dies keinen Asylgrund dar, wenn durch die nationale Rechtsordnung eine Möglichkeit vorgesehen wird (wie etwa eine angemessene Befreiungsgebühr), um der Wehrpflicht zu entgehen.

III. Besteht eine legale Möglichkeit, sich der Wehrpflicht, und damit allenfalls der Pflicht zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Handlungen, zu entziehen, so liegt jedenfalls kein Asylgrund vor, auch wenn die Alternative (etwa eine finanzielle Unterstützung der Armee) aus moralischen Gründen von der betroffenen Person nicht gutgeheißen wird.

IV. Stellt sich die Versorgungslage in der Heimatregion eines Asylantragstellers unter anderem aufgrund einer Lebensmittelknappheit als prekär dar, so spricht die persönliche Situation des Betroffenen gegen die Notwendigkeit subsidiären Schutzes, wenn dieser aus einer wohlhabenden Familie stammt, die ihn unterstützen kann, er gesund und arbeitsfähig ist und über einen Universitätsabschluss sowie Berufserfahrung verfügt.

V. Ein Bescheid kommt erst mit dessen Erlassung, somit durch rechtsgültige Zustellung oder Ausfolgung, zustande. Ist der erstbehördliche Bescheid aufgrund eines Zustellmangels nie rechtsgültig zustande gekommen, so liegt kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vor, weshalb die Rechtsmittelinstanz nicht meritorisch entscheiden darf und eine dagegen gerichtete Beschwerde zurückzuweisen ist.
- | Online seit - 16.04.2024
3281

Judikatursammlung

Für die Durchführung eines Familienverfahrens wird vorausgesetzt, dass die Ehe bereits vor der Einreise bestand

Leitsatz des Gerichts:
I. Für die Anwendung des § 34 Abs 2 und 5 AsylG ist auf Legaldefinition des Begriffs Familienangehörige (§ 2 Abs 1 Z 22 lit b AsylG) abzustellen.

II. Voraussetzung für die Durchführung eines Familienverfahrens zugunsten eines Ehepartners ist das Bestehen einer gültigen Ehe vor der Einreise in das Bundesgebiet.
- | Online seit - 15.04.2024
3280

Judikatursammlung

Sozialleistungen für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern und deren Aufenthaltsrecht

Leitsatz des Gerichts:
I. Auch wenn das vorlegende Gericht im Vorabentscheidungsersuchen nicht explizit darauf Bezug genommen hat, sieht sich der EuGH nicht gehindert, alle für die Entscheidung im Anlassfall dienlichen Hinweise zu geben.

II. Dass ein Unionsbürger, nachdem er von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hatte, zusätzlich zur Staatsangehörigkeit des Herkunftsmitgliedstaats auch jene des Aufnahmemitgliedstaates erlangt hat, hindert ihn nicht daran, sich weiterhin auf das Freizügigkeitsrecht (Art 21 AEUV, RL 2004/38/EG [Unionsbürger-RL]) zu berufen, weil dieses ansonsten in seiner praktischen Wirksamkeit eingeschränkt würde. Eine Behandlung dieses Falls gleich einem rein innerstaatlichen Sachverhalt verbietet sich sohin.

III. Art 7 Abs 1 lit d RL 2004/38/EG verleiht Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für über drei Monate, wenn diese Familienangehörige sind, die einen Unionsbürger, der die Voraussetzungen der lit a, b oder c leg cit erfüllt, begleiten oder ihm nachziehen. Für den Angehörigenbegriff ist Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG maßgebend. Soweit der Angehörigenbegriff des Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG die Gewährung von Unterhalt verlangt, etwa für die Eltern (lit d), muss diese Voraussetzung vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts (Art 16 ff der RL) durch diese Familienangehörigen vorliegen.

IV. Wanderarbeitnehmer genießen in Hinblick auf die sozialen Vergünstigungen im Aufnahmemitgliedstaat eine umfassende Gleichstellung mit dort heimischen Arbeitnehmern (Art 45 Abs 2 AEUV iVm Art 7 Abs 2 VO [EU] 492/2011). Dies trifft auch auf den Zugang zu Sozialleistungen für Familienangehörige iSd Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG zu, denen definitionsgemäß Unterhalt gewährt wird. Diese Angehörigeneigenschaft wird sohin durch die Inanspruchnahme einer Sozialleistung nicht in Frage gestellt.
- | Online seit - 12.04.2024
3277

Judikatursammlung

Keine parallelen Mitwirkungspflichten des Fremden bei bereits eingeleiteter amtswegiger Einholung eines Heimreisezertifikats

Leitsatz des Gerichts:
I. Es bestehen keine parallelen Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs 2 FPG und § 46 Abs 2a FPG.

II. Soweit die Behörde von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs 2a FPG Gebrauch macht und der Fremde seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachkommt, so besteht keine zusätzliche Verpflichtung des Fremden, iSd § 46 Abs 2 FPG aus Eigenem an die jeweilige Vertretungsbehörde heranzutreten.
- | Online seit - 11.04.2024
3276

Judikatursammlung

Abweisung der Säumnisbeschwerde bei mitverschuldeter Verzögerung des Verfahrens

Leitsatz des Gerichts:
I. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde an der Verfahrensverzögerung wird dann angenommen, wenn die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlassen werden oder grundlos mit diesen zugewartet wird. Ein solches überwiegendes Verschulden ist jedoch zu verneinen, wenn die Behörde bemüht war, das Verfahren zügig zu betreiben.

II. Ein Asylwerber hat dem BFA bzw BVwG alle ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind. Soweit solche Informationen der Behörde vorenthalten werden, verletzt der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht.
- | Online seit - 10.04.2024