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Leitsätze

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3353

Asylrechtlich relevante Verfolgung durch staatliche Strafjustiz

Leitsätze
Wird eine Verfolgung durch die staatliche Strafjustiz behauptet, so ist bei der Prüfung nach § 3 AsylG 2005 zu klären, ob rechtsstaatlich legitime strafrechtliche Verfolgung ("prosecution") vorliegt oder es sich um Verfolgung aus einem der Gründe des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ("persecution") handelt.

Gerichtshof

VfGH / E 3802/2023

Datum der Entscheidung

27.02.2024

Veröffentlicht am: 22.07.2024
3351

Verstärkter Ausweisungsschutz von langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen auch im zweiten EU-Mitgliedstaat

Leitsätze
I. Die RL 2003/109/EG (DaueraufenthaltsRL) ist auch auf Drittstaatsangehörige anwendbar, die – sei es rechtmäßig oder rechtswidrig – im zweiten Mitgliedstaat aufhältig sind, nachdem ihnen der erste Mitgliedstaat die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten zuerkannt hatte.

II. Die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) kommt diesen Drittstaatsangehörigen gegenüber nicht zum Tragen, auch wenn sie im zweiten Mitgliedstaat nicht rechtmäßig aufhältig sind, sei es wegen unterlassener Beantragung eines Aufenthaltstitels innerhalb von drei Monaten ab Einreise, sei es wegen eines bestehenden Einreiseverbots für das Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats. Vielmehr genießen sie den verstärkten Ausweisungsschutz des Art 22 Abs 3 RL 2003/109/EG.

III. Hat der Drittstaatsangehörige die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten im zweiten Mitgliedstaat erlangt, wäre insb im Bereich der Ausweisung Kapitel II der RL 2003/109/EG anwendbar. Der Mitgliedstaat ist zur "Beachtung der Garantien des Artikels 12" dieser Richtlinie verpflichtet. Eine Rückführung darf nur aus "schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Sicherheit" verfügt werden. Wenn der zweite Mitgliedstaat eine solche Rückführung verfügt, ist er verpflichtet, den ersten Mitgliedstaat zu konsultieren und alle geeigneten Maßnahmen zu treffen, um den Beschluss tatsächlich durchzuführen, sowie dem ersten Mitgliedstaat geeignete Informationen bezüglich dieser Durchführung zu übermitteln.

IV. Bei Nicht- oder Fehlumsetzung von Art 12 sowie Art 23 Abs 2 RL 2003/109/EG erfüllen diese Bestimmungen die unionsrechtlichen Voraussetzungen, um sie unmittelbar geltend zu machen.

Gerichtshof

EuGH / C-752/22

Datum der Entscheidung

14.03.2024

Veröffentlicht am: 19.07.2024
3350

Verkürzung der Rechtsmittelfrist im Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten

Leitsätze
Die gemäß § 16 Abs 1 BFA-VG vorgesehene Verkürzung der Beschwerdefrist im Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten setzt die Einhaltung der einmonatigen Entscheidungsfrist des § 7 Abs 2 zweiter Satz AsylG 2005 voraus.

Gerichtshof

VwGH / Ro 2023/14/0004

Datum der Entscheidung

06.03.2024

Veröffentlicht am: 18.07.2024
3348

Zum "überwiegenden Verschulden der Behörde"

Leitsätze
Der Begriff des Verschuldens der Behörde ist nicht iSe Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. In stRsp wird ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin gesehen, dass diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2022/22/0169 ua

Datum der Entscheidung

23.02.2024

Veröffentlicht am: 17.07.2024
3347

Kein Verbesserungsauftrag bei offenkundig aussichtslosem Antrag

Leitsätze
Ein Mängelbehebungsauftrag ist dann nicht erforderlich, wenn der Antrag offenkundig aussichtslos ist.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2023/22/0159

Datum der Entscheidung

20.02.2024

Veröffentlicht am: 16.07.2024
3346

Unanwendbarkeit der nationalen Rechtslage zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei mangelnder Abschiebemöglichkeit

Leitsätze
I. Es steht dem Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen entgegen, wenn feststeht, dass dessen Abschiebung in das Zielland nach dem Grundsatz der Nichtzurückweisung auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen ist.

II. Nationales Recht, das in einer konkreten Konstellation im Widerspruch zum unmittelbar anwendbaren Unionsrecht steht, wird für diese Konstellation in jenem Ausmaß verdrängt, damit ein unionsrechtskonformer Zustand herbeigeführt werden kann.

III. Die Anordnung, wonach die Antragsabweisung, die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten bzw die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden sei, hat unangewendet zu bleiben, um eine unionsrechtskonforme Rechtslage herzustellen.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

19.10.2023

Veröffentlicht am: 15.07.2024
3345

Kein Zuständigkeitsübergang bei ergänzungsbedürftigem Dublin-Konsultationsverfahren

Leitsätze
Im Einzelfall ist es möglich, dass abgelaufene Aufenthaltstitel oder Visa keinen zuständigkeitsbegründenden Charakter mehr besitzen, sofern das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten auch nur kurzfristig verlassen wird. Eine einmalige Ausreise genügt.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

24.01.2024

Veröffentlicht am: 12.07.2024
3343

Hinweispflicht betreffend Vorlage eines aktuellen Lichtbildes

Leitsätze
Im Hinblick auf das Erfordernis der Vorlage eines aktuellen Lichtbildes iSv § 2a Abs 2 NAG-DV ist der Antragsteller gemäß den in § 39 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG festgelegten Grundsätzen für die Führung eines Ermittlungsverfahrens auf seine Verpflichtung zur Beibringung eines solchen Lichtbildes hinzuweisen.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2023/22/0100

Datum der Entscheidung

31.01.2024

Veröffentlicht am: 11.07.2024
3344

Kein Prozesshindernis der entschiedenen Sache bei zumindest glaubhaftem Kern der neu vorgebrachten Beweismittel

Leitsätze
Gelangt das VwG zum Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund der vorliegenden neuen Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages hätte durchführen müssen, so hat es den zurückweisenden Bescheid zu beheben.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

23.01.2024

Veröffentlicht am: 10.07.2024
3342

Einzelfallbeurteilung bei (geringfügiger) Richtsatzunterschreitung

Leitsätze
Nach der Rsp des VwGH hat selbst die Unterschreitung des erforderlichen Richtsatzes nicht in jedem Fall wegen der Annahme, dass der Aufenthalt von Antragstellenden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG führen könnte, die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge. Die Unterschreitung des vorgegebenen Mindesteinkommens darf im Hinblick auf die EuGH-Rsp nicht ohne konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben. Bei der so gebotenen individuellen Prüfung, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreitens der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist, ist der Umstand, dass der Richtsatz nur geringfügig unterschritten wird, ebenso beachtlich wie niedrige Mietkosten. Kann ein Antragsteller nachweisen, dass er trotz einer (geringfügigen) Unterschreitung dieses Referenzbetrags ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems über die nötigen Mittel zur Deckung der Kosten für seinen Unterhalt verfügt, ist das Erfordernis des Nachweises der "nötigen Mittel" als erfüllt anzusehen.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2023/22/0066

Datum der Entscheidung

31.01.2024

Veröffentlicht am: 09.07.2024
3341

Ausstellung von Personalausweisen: Unionsrechtswidrigkeit der Schlechterstellung von eigenen Unionsbürgern mit Hauptwohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat

Leitsätze
I. Zwar ist die Zuständigkeit zur Ausstellung von Reisedokumenten bei den Mitgliedstaaten verblieben. Auch verpflichtet Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG die Mitgliedstaaten nach seinem Wortlaut dazu, ihren Staatsangehörigen gemäß ihren Rechtsvorschriften einen Personalausweis "oder" einen Reisepass auszustellen, der ihre Staatsangehörigkeit angibt, und diese Dokumente zu verlängern. Die Mitgliedstaaten sind also nicht dazu verpflichtet, zwei Reisedokumente auszustellen (Reisepass UND Personalausweis).

II. Trotz seines offenen Wortlauts ist Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG im Lichte von Art 21 AEUV (= Art 45 GRC) auszulegen. Beschränkungen des Rechts der Unionsbürger, sich in der EU frei zu bewegen und aufzuhalten, lassen sich unionsrechtlich nur rechtfertigen, wenn sie auf objektiven, von der Staatsangehörigkeit der Betroffenen unabhängigen Erwägungen des Allgemeininteresses beruhen und in einem angemessenen Verhältnis zum mit dem nationalen Recht legitimer Weise verfolgten Ziel stehen.

III. In nationalen Bestimmungen, den eigenen Staatsbürgern nur dann einen Personalausweis auszustellen, wenn sie ihren Hauptwohnsitz im eigenen Mitgliedstaat haben, nicht jedoch, wenn sie ihn im (EU-)Ausland haben, ist eine Beschränkung des Freizügigkeitsrechts zu erblicken. Schließlich sind gerade Unionsbürger, die einen Freizügigkeitssachverhalt verwirklichen, darauf angewiesen, stets ein Reisedokument innezuhaben. Die genannte Beschränkung lässt sich nicht durch administrative Erwägungen rechtfertigen (leichtere Feststellbarkeit des inländischen Wohnsitzes).

Gerichtshof

EuGH / C-491/21

Datum der Entscheidung

22.02.2024

Veröffentlicht am: 08.07.2024
3338

Neuerlich zu den Rechtswirkungen der Ausfolgung eines Aufenthaltstitels

Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH bewirkt die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels (als Karte) - im Erteilungsfall - idR gleichzeitig den Akt der Zustellung und entsteht die rechtliche Wirkung des Bescheides erst durch diesen Akt. Der bloße Auftrag zur Herstellung einer Aufenthaltstitelkarte bzw deren technische Herstellung selbst entfaltet demgegenüber noch keine Rechtswirkungen. Auch die Mitteilung nach § 23 Abs 2 NAG ist nicht als ein den Aufenthaltstitel erteilender Bescheid anzusehen.

II. Fremde, die nach einer Antragstellung im Ausland mit einem Visum in das Bundesgebiet eingereist sind, sind nicht berechtigt, die Entscheidung über ihren - wenn auch im Ausland gestellten - Antrag über den Ablauf der Gültigkeit des Visums hinaus im Inland abzuwarten. Ein Verbleib im Inland in einer derartigen Konstellation stellt einen Verstoß gegen die Verpflichtung des § 21 Abs 1 zweiter Satz NAG dar.

III. § 21 Abs 1 NAG stellt nur im Hinblick auf türkische Familienangehörige von österreichischen Zusammenführenden eine unzulässige Schlechterstellung iSd Art 13 ARB 1/80 dar. Betreffend den Nachzug von türkischen Staatsangehörigen zu ihren im Bundesgebiet aufhältigen Angehörigen mit türkischer Staatsangehörigkeit liegt hingegen keine Schlechterstellung iSd Art 13 ARB 1/80 vor, wenn die Antragstellenden nach Erhalt eines Visums zur Einreise den beantragten Aufenthaltstitel, auf dessen Ausstellung sie bei Vorliegen sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen einen Rechtsanspruch haben, bei der Niederlassungsbehörde im Inland abzuholen haben und in diesem Zeitpunkt das Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen geprüft wird.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2023/22/0085

Datum der Entscheidung

31.01.2024

Veröffentlicht am: 05.07.2024
3337

Nichtverlängerung Studierendenaufenthalt: Einzelfallbeurteilung und Verhältnismäßigkeit erforderlich

Leitsätze
Gemäß Art 21 Abs 7 der RL (EU) 2016/801 müssen bei jeder Entscheidung über die Entziehung oder Nichtverlängerung von Aufenthaltstiteln die konkreten Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt werden. Es ist somit im Einzelfall zu prüfen, ob es unverhältnismäßig wäre, ungeachtet der Nichterfüllung der nationalen Vorgaben einen ausreichenden Studienerfolg zu verneinen.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2021/22/0112

Datum der Entscheidung

30.01.2024

Veröffentlicht am: 04.07.2024
3336

Schulbesuch in Österreich als Aspekt des Privatlebens nach Art 8 EMRK

Leitsätze
Der Besuch einer Bildungseinrichtung in Österreich kann als Aspekt des Privatlebens iSv Art 8 EMRK zu jenen Umständen zählen, die bei der Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht unverhältnismäßig ist, zu berücksichtigen sind.

Gerichtshof

VwGH / Ro 2022/21/0012

Datum der Entscheidung

30.11.2023

Veröffentlicht am: 03.07.2024
3335

Keine Überstellung innerhalb der Überstellungsfrist des Art 29 Abs 2 Dublin III-VO

Leitsätze
I. Wird einem Wiederaufnahmegesuch vom betreffenden Mitgliedstaat zugestimmt, so hat die Überstellung der fremden Person in diesen Staat nach Art 29 Abs 2 Dublin III-VO innerhalb von sechs Monaten – ab dem Zeitpunkt der Zustimmung – zu erfolgen. Wird die Überstellung innerhalb dieser Frist nicht durchgeführt und kommt es zu keiner Fristverlängerung, so geht die Zuständigkeit auf den ersuchenden Staat über.

II. Ergibt sich für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats (iSd Dublin III-VO), so hat sich das BFA grds mit der Frage auseinanderzusetzen, auf welcher Bestimmung die Zuständigkeit des ersuchten Mitgliedstaats beruht.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

05.10.2023

Veröffentlicht am: 02.07.2024
3334

Übereilte Entscheidung nach Einstellung des Asylverfahrens gemäß § 24 Abs 2 AsylG

Leitsätze
I. Eine Entscheidung des BFA über Anträge auf internationalen Schutz darf ohne Einvernahme nur ergehen, wenn der entscheidungserhebliche Sachverhalt feststeht.

II. Ist der Antragsteller nicht erreichbar und wurde das Asylverfahren deswegen eingestellt (§ 24 Abs 2 AsylG), so darf das BFA nicht in der Folge eine abschließende Entscheidung treffen, in der es sich – obwohl der entscheidungserhebliche Sachverhalt noch nicht feststeht – nur auf die polizeiliche Erstbefragung (§ 19 AsylG) stützt.

III. Erweisen sich Ladungen zur Einvernahme als unzustellbar oder erfolglos, ist das BFA gehalten, es in der Folge unter Androhung von Zwangsfolgen (Ladungsbescheid) erneut zu versuchen.

IV. Hat das BFA ein dergestalt mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt, so ist eine Nachholung desselben durch das BVwG, das dadurch funktionell als erste Entscheidungsinstanz agieren würde, weder im Interesse der Raschheit noch der Kostenersparnis gelegen. Stattdessen ist in einem solchen Fall mit Aufhebung und Zurückverweisung vorzugehen (§ 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG).

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

01.02.2024

Veröffentlicht am: 01.07.2024
3333

Keine menschenunwürdigen Bedingungen für Flüchtlinge in Griechenland

Leitsätze
I. Verfügt die fremde Person zu keinem Zeitpunkt über einen regulären Aufenthaltstitel in Österreich, sondern stützt sie den Aufenthalt von Anfang an nur auf einen unzulässigen Antrag auf internationalen Schutz (etwa weil ihr bereits in einem anderen Staat der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist), so überwiegen idR die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der fremdenrechtlichen Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung die privaten Interessen der fremden Person am Verbleib in Österreich.

II. Eine behauptete Vulnerabilität bloß aufgrund des Umstands, dass die fremde Person eine Frau ist, wird relativiert, wenn sich diese bereits ein Netzwerk aus Bekannten, Freunden sowie dem Lebensgefährten aufgebaut hat und somit nicht auf sich allein gestellt ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass dieses Netzwerk Unterstützung leistet.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

09.11.2023

Veröffentlicht am: 28.06.2024
3332

Neues zur Familienzusammenführung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (Einreise- und Aufenthaltstitel nicht ausschließlich für die Eltern; Nachweispflichten; Fristen)

Leitsätze
I. Damit sich ein Asylberechtigter auf Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG berufen kann (Familienzusammenführung eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings mit seinen Eltern), genügt es, wenn er zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig ist, mag er auch bis zum Ergehen einer Entscheidung volljährig werden.

II. Zwar steht den Migliedstaaten die Einbeziehung weiterer Angehöriger über die Eltern (Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG) und subsidiär einem gesetzlichen Vormund oder anderen Familienangehörigen hinaus (lit b leg cit) in das Regime der Familienzusammenführung mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen hinaus grs frei (Art 10 Abs 2 RL 2003/86/EG). Aus Art 7 iVm Art 24 Abs 2 und 3 GRC kann aber die mitgliedstaatsgerichtete Verpflichtung erwachsen, neben den Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings auch weiteren Personen die Einreise und den Aufenthalt zu gewähren. Dies ist dann der Fall, wenn zwischen diesen Personen und den Eltern ein familiäres Abhängigkeitsverhältnis in der Intensität besteht, dass die Verweigerung ihrer Einreise- und Aufenthaltsberechtigung einer Verunmöglichung des in Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG verbrieften Rechts gleichkäme.

III. Von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen darf nie verlangt werden, dass sie für ihre Eltern, mit denen die Familienzusammenführung begehrt wird, eine ortsübliche Unterkunft, hinreichenden Krankenversicherungsschutz sowie feste und regelmäßige Einkünfte nachweisen. Dabei ist es unerheblich, ob der Antrag vor oder nach Ablauf von drei Monaten nach Zuerkennung des Asylstatus gestellt wird. Art 12 Abs 1 UAbs 3 bzw Art 7 Abs 1 gelten sohin nicht im Rahmen von Familienzusammenführungen nach Art 10 Abs 3 lit a RL 2003/86/EG.

Gerichtshof

EuGH / C-560/20

Datum der Entscheidung

30.01.2024

Veröffentlicht am: 27.06.2024
3275

Unterschiedliche Prüfmaßstäbe bei Desertion aus einer Zwangsrekrutierung durch eine rebellierende Gruppe bzw eines völkerrechtlich anerkannten Staates

Leitsätze
I. Bei der Beurteilung einer drohenden Zwangsrekrutierung durch autonome Streitkräfte ist ins Kalkül zu ziehen, dass eine Zwangsrekrutierung durch eine rebellierende Gruppe im Gegensatz zu jemandem, der sich einer allgemeinen Wehrpflicht seines Heimatstaates durch Desertion entzieht, ihre rechtliche Deckung nicht im grundsätzlichen Recht eines souveränen Staates findet, seine Angehörigen zur Militärdienstleistung zu verpflichten und einzuziehen.

II. Für die Desertion aus einer Zwangsrekrutierung durch rebellierende Gruppen ist daher nicht jener Maßstab anzulegen, der für die Verweigerung der Ableistung eines staatlichen Militärdienstes und etwaigen darauffolgenden drohenden Strafen anzulegen ist.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

23.10.2023

Veröffentlicht am: 26.06.2024
3273

Anspruch auf Ausstellung einer Karte für Geduldete trotz unrechtmäßigem Aufenthalt

Leitsätze
I. Der Aufenthalt von Fremden, deren Abschiebung aus tatsächlichen, vom Fremden nicht zu vertretenen Gründen unmöglich erscheint, ist zu dulden. Die tatsächliche Unmöglichkeit soll naturgemäß nur dann zu einer Duldung führen, wenn die Hinderungsgründe nicht im Einflussbereich des Fremden liegen.

II. Zwar ist mit einer Duldung kein rechtmäßiger Aufenthalt verbunden, jedoch darf der betroffene Fremde wegen dieses unrechtmäßigen Aufenthalts nicht bestraft werden und hat er unter anderem Anspruch auf Ausstellung einer seine Identität dokumentierenden Karte für Geduldete.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

20.09.2023

Veröffentlicht am: 25.06.2024