§ 3 Abs 2 zweiter Satz AsylG teils unionsrechtswidrig
Leitsätze
I. Art 5 Abs 3 RL 2011/95/EU stellt eine Ermächtigung an die Mitgliedstaaten auf, unbeschadet der GFK festzulegen, dass ein Folgeantragsteller idR nicht als Flüchtling anerkannt wird, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die er nach Verlassen des Herkunftslandes selbst geschaffen hat. Da es sich um eine (fakultativ durch die Mitgliedstaaten nutzbare) Ausnahme vom Grundsatz handelt, dass auch subjektive Nachfluchtgründe anzuerkennen sind (Art 5 Abs 2 RL 2011/95/EU) ist die Bestimmung eng auszulegen.
II. Konkret ist Art 5 Abs 3 RL 2011/95/EU dahin auszulegen, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft trotz Vorliegens der Voraussetzungen verweigert werden kann, wenn eine Missbrauchsabsicht festgestellt wird ("Instrumentalisieren" des Verfahrens). Dabei ist die individuelle Folgeantragsprüfung besonders entscheidend.
III. Auch einem Folgeantragsteller, dem die Flüchtlingseigenschaft nur auf Basis des Art 5 Abs 3 RL 2011/95/EU nicht zuerkannt wurde, kommen die gemäß Art 42 GFK vorbehaltlos gewährten Rechte zu, insb das Refoulementverbot (Art 33 GFK).
IV. § 3 Abs 2 zweiter Satz AsylG stellt die österreichische Umsetzungsbestimmung zu Art 5 Abs 3 RL 2011/95/EU dar. Die nicht im Unionsrecht vorgesehene Voraussetzung, dass die Umstände, auf die sich der Folgeantragsteller beruft, Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsland bestehenden Überzeugung sind, geht über die genannte unionsrechtliche Ermächtigung zur Missbrauchsprüfung hinaus und erweist sich folglich als unionsrechtswidrig.
V. Mit Art 5 Abs 3 RL 2011/95/EU im Einklang steht allerdings die dort nicht erwähnte Voraussetzung des § 3 Abs 2 zweiter Satz AsylG, dass die zugrunde liegenden Aktivitäten des Folgeantragstellers, auf denen seine Nachfluchtgründe beruhen, nach österreichischem Recht erlaubt sein müssen. Schließlich erlegt auch Art 2 GFK Flüchtlingen die Beachtung des Rechts des Staates der Antragstellung auf.