Keine Überstellung in Mitgliedstaaten, in denen es zu systemischen Grundrechtsverletzungen kommt
Leitsätze
I. Art 3 Abs 2 UAbs 2 VO (EU) 604/2013 ist dahin auszulegen, dass allein die Tatsache, dass der für die Prüfung des Antrags zuständige Mitgliedstaat pauschale Zurückschiebungen und Inhaftnahmen an seinen Grenzübergangsstellen anwendet, der Überstellung eines Drittstaatsangehörigen in diesen Mitgliedstaat nicht entgegensteht.
II. Die Überstellung ist jedoch ausgeschlossen, wenn es ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme gibt, dass der Antragsteller tatsächlich der Gefahr ausgeliefert würde, solchen Praktiken unterworfen zu werden und dass diese Praktiken geeignet sind, ihn in eine Situation extremer materieller Not zu versetzen, die so schwerwiegend ist, dass sie einer nach Art 4 GRC verbotenen unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung gleichgestellt werden kann.
III. Die Dublin III-VO im Licht von Art 4 GRC ist dahin auszulegen, dass der Mitgliedstaat, der eine Person in einen anderen Mitgliedstaat überstellen möchte, alle ihm zur Verfügung gestellten Informationen berücksichtigen muss, ferner bei der Feststellung der Tatsachen mitwirken und/oder deren Richtigkeit prüfen muss und bei ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründen für die Annahme, dass im Fall einer Überstellung eine tatsächliche Gefahr einer solchen Behandlung besteht, von der Überstellung absehen muss.
IV. Der Mitgliedstaat hat sich diesbezüglich darum zu bemühen, von dem zuständigen Mitgliedstaat individuelle Garantien zu erhalten und kann, wenn solche Garantien gegeben werden und sowohl glaubhaft als auch ausreichend erscheinen, die Überstellung durchführen.