Gebotene Ausübung des Selbsteintrittsrechts nur unter besonderen Voraussetzungen
Leitsätze
I. Im Lichte des Art 4 GRC und Art 3 EMRK sind Überstellungen im Rahmen der Dublin III-VO nur im Falle extremer materieller Not unzulässig. Bloß große Armut oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse genügen für eine Unzulässigkeit nicht, weshalb der Prüfmaßstab hier wesentlich enger anzusetzen ist als bei einer regulären Art 3 EMRK-Prüfung in Bezug auf Nichtmitgliedstaaten.
II. Eine Einschränkung der Grundsätze des gegenseitigen Vertrauens ist nur unter außergewöhnlichen Umständen möglich. Einerseits haben objektiv systemische Mängel im Asylverfahren und in den Aufnahmebedingungen für Asylwerber im Aufnahmemitgliedstaat vorzuliegen und andererseits muss die betroffene Person einer solchen Gefahr auch subjektiv ausgesetzt sein, wobei der Maßstab des "real risk" anzusetzen ist.
III. Wird einem Wiederaufnahmeersuchen eines Mitgliedstaats zugestimmt, so ergibt sich daraus, dass das Asylverfahren in diesem Staat noch nicht abgeschlossen ist, weshalb kein anderer Mitgliedstaat zuständig sein kann und auch ein Folgeantrag in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht möglich ist, solange nicht das noch offene Verfahren abgeschlossen wird. Mit der Zustimmung darf auch darauf vertraut werden, dass der Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat nicht sich selbst überlassen und in eine ausweglose Situation geraten wird.
IV. Solange in dem für das Asylverfahren zuständigen Mitgliedstaat die grundlegenden Versorgungsgarantien und menschenwürdige Bedingungen gewährleistet sind, spielt es im Rahmen des Selbsteintrittsrechts und des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens keine Rolle, wenn die Standards der Unterbringungseinrichtungen im zuständigen Mitgliedstaat unter jenen in Österreich liegen. Es besteht jedenfalls kein Recht darauf, jenen Mitgliedstaat frei zu wählen, von welchem die bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwartet wird.
V. Wird ein Aufenthalt allein durch Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Regeln erwirkt, so kann daraus kein Rechtsanspruch iSd Art 8 EMRK resultieren und wiegt das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung in einem solchen Fall besonders schwer. Diese Rechtsfolge ergibt sich bereits aus der Tatsache, dass eine andere Auffassung zu einer Benachteiligung all jener führen würde, die sich rechtskonform verhalten.