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Leitsätze

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3284

Rückführung schwerkranker minderjähriger Personen in ihren Herkunftsstaat

Leitsätze
Dem jungen Alter und der sich daraus ergebenden besonderen Vulnerabilität kommt für die Beurteilung der Gefahr einer Verletzung von Art 3 EMRK im Zusammenhang mit der Rückführung schwerkranker Minderjähriger besondere Bedeutung zu.

Gerichtshof

VfGH / E883/2022 ua

Datum der Entscheidung

04.10.2023

Veröffentlicht am: 23.04.2024
3278

Keine hinreichende gesetzliche Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung und -vertretung

Leitsätze
I. Verletzung des Rechtsstaatsprinzips und des Rechts auf einen effektiven Rechtsschutz wegen fehlender hinreichender gesetzlicher Absicherung der Unabhängigkeit der Rechtsberatung und -vertretung.

II. Die nicht hoheitliche, privatrechtsförmige Aufgabenwahrnehmung der Rechtsberatung und -vertretung durch die BBU GmbH stellt keine funktionell staatliche Verwaltungsführung iSd Art 20 Abs 1 B-VG dar.

Gerichtshof

VfGH / G 328-335/2022- 47

Datum der Entscheidung

14.12.2023

Veröffentlicht am: 22.04.2024
3287

Unzulässigkeit der Schubhaft unmittelbar nach einer Strafhaft

Leitsätze
I. Die Schubhaft darf stets nur die "ultima ratio" sein, dh es hat im Fall der beabsichtigten Abschiebung einer fremden Person die Vorgangsweise nach Möglichkeit so gewählt zu werden, dass die Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Befindet sich die fremde Person zB in Strafhaft, so sind währenddessen vom BFA bereits alle Vorkehrungen zu treffen, damit die Abschiebung zeitnah nach der Entlassung aus der Strafhaft stattfinden kann.

II. Ist die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und die anschließende Abschiebung einer sich in Strafhaft befindenden fremden Person geplant, so ist das BFA angehalten, etwa ein Aufenthaltsverbot und eine Flugbuchung für die Abschiebung zum absehbaren Ende der Strafhaft hin rasch zu organisieren. Werden nicht zügig alle Vorkehrungen für die Abschiebung getroffen, so ist die angeordnete Schubhaft als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

III. Befindet sich die fremde Person bereits in Strafhaft und wird die Schubhaft (§ 76 Abs 4 FPG) gegen sie angeordnet, so hat dies mittels eines Bescheids – und nicht wie sonst üblich iSd § 57 AVG (Mandatsbescheid) – zu erfolgen. Dies hat den Hintergrund, dass wegen der Strafhaft keine Gefahr im Verzug dahingehend vorliegt, dass sich die fremde Person etwa ihrer Abschiebung entziehen könnte.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

26.01.2023

Veröffentlicht am: 19.04.2024
3286

Neuerlich zum Familienangehörigenbegriff

Leitsätze
I. Der Gesetzeswortlaut von § 2 Abs 1 Z 9 iVm § 47 Abs 2 bzw 3 NAG ist klar und eindeutig. Ein davon abweichender Wille des Gesetzgebers ist nicht erkennbar. Eine planwidrige Lücke, die die Möglichkeit einer analogen Anwendung verwandter Rechtsvorschriften eröffnen würde, liegt nicht vor.

II. In bestimmten Konstellationen ist zur Erzielung eines dem Art 8 EMRK gemäßen Ergebnisses der Begriff des Familienangehörigen in § 47 Abs 2 NAG von der Legaldefinition des § 2 Abs 1 Z 9 NAG abzukoppeln und ist in einem solchen Fall auch der betreffende Angehörige als Familienangehöriger, dem ein Anspruch auf Familiennachzug zukommt, erfasst. Von einer solchen besonderen Konstellation kann jedoch nur ausnahmsweise bei Vorliegen ganz besonderer Umstände, wie vor allem bei Bestehen eines besonderen familiären Betreuungsbedarfs erheblich schutzbedürftiger (etwa kranker) Personen oder bei Bestehen besonders enger familiärer Beziehungen bzw Bindungen (vor allem von Kindern) zu im Aufnahmestaat verfestigt aufhältigen Bezugspersonen (vor allem Eltern) ausgegangen werden.

III. Die freiwillige Unterstützung der Kindesmutter und die Unterhaltsleistung an das 2014 geborene gemeinsame Kind durch den Drittstaatsangehörigen, der im Übrigen über ein finnisches Daueraufenthaltsrecht verfügt und hauptsächlich in der Schweiz berufstätig ist, machen eine Aufenthaltstitelerteilung iSd Rsp des EuGH (und diesem folgend des VwGH) zu Art 20 AEUV nicht erforderlich. Die im Bundesgebiet in geordneten Verhältnissen lebende Kindesmutter ist die Hauptbezugsperson des gemeinsamen Kindes, ein derartiges Abhängigkeits- bzw Naheverhältnis zum drittstaatsangehörigen Vater, sodass bei Versagung des Aufenthaltstitels das Kind und die Mutter Österreich verlassen müssten oder zumindest eine erhebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls zu erwarten wäre, besteht nicht.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2020/22/0135

Datum der Entscheidung

21.11.2023

Veröffentlicht am: 18.04.2024
3283

Mangelnde Ermittlungstätigkeit zur "Integrationsverfestigung" zweier Minderjähriger

Leitsätze
I. Im vorliegenden Fall erweist sich die Ermittlungstätigkeit des BVwG in Bezug auf die Aspekte des Kindeswohls als unzureichend, zumal die damals zehn- bzw zwölfjährigen Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung nicht zu ihrer Situation befragt wurden und auch die Mutter zu diesem Thema nur mangelhaft befragt wurde.

II. Auf Grund dieser mangelhaften Ermittlungstätigkeit ist es nicht nachvollziehbar, wie das BVwG das Maß der Integration der minderjährigen Beschwerdeführer, das in der nach Art 8 Abs 2 EMRK gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, beurteilen konnte.

Gerichtshof

VfGH / E 1487/2022 ua

Datum der Entscheidung

14.12.2022

Veröffentlicht am: 17.04.2024
3285

Zur Bedeutung der Möglichkeit einer Befreiungsgebühr von der Wehrpflicht im Asylverfahren

Leitsätze
I. Die Furcht vor einer zwangsweisen Ableistung des Wehrdienstes oder einer aufgrund der Wehrdienstverweigerung drohenden Bestrafung stellt per se keinen Asylgrund dar. Ist die Verweigerung aber in einem Konventionsgrund begründet oder geht der Wehrdienst mit dem Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen einher, kann eine asylrelevante Verfolgung vorliegen.

II. Ist mit der Ableistung des Wehrdienstes ein Zwang zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen verbunden, so stellt dies keinen Asylgrund dar, wenn durch die nationale Rechtsordnung eine Möglichkeit vorgesehen wird (wie etwa eine angemessene Befreiungsgebühr), um der Wehrpflicht zu entgehen.

III. Besteht eine legale Möglichkeit, sich der Wehrpflicht, und damit allenfalls der Pflicht zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Handlungen, zu entziehen, so liegt jedenfalls kein Asylgrund vor, auch wenn die Alternative (etwa eine finanzielle Unterstützung der Armee) aus moralischen Gründen von der betroffenen Person nicht gutgeheißen wird.

IV. Stellt sich die Versorgungslage in der Heimatregion eines Asylantragstellers unter anderem aufgrund einer Lebensmittelknappheit als prekär dar, so spricht die persönliche Situation des Betroffenen gegen die Notwendigkeit subsidiären Schutzes, wenn dieser aus einer wohlhabenden Familie stammt, die ihn unterstützen kann, er gesund und arbeitsfähig ist und über einen Universitätsabschluss sowie Berufserfahrung verfügt.

V. Ein Bescheid kommt erst mit dessen Erlassung, somit durch rechtsgültige Zustellung oder Ausfolgung, zustande. Ist der erstbehördliche Bescheid aufgrund eines Zustellmangels nie rechtsgültig zustande gekommen, so liegt kein tauglicher Anfechtungsgegenstand vor, weshalb die Rechtsmittelinstanz nicht meritorisch entscheiden darf und eine dagegen gerichtete Beschwerde zurückzuweisen ist.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

06.10.2023

Veröffentlicht am: 16.04.2024
3281

Für die Durchführung eines Familienverfahrens wird vorausgesetzt, dass die Ehe bereits vor der Einreise bestand

Leitsätze
I. Für die Anwendung des § 34 Abs 2 und 5 AsylG ist auf Legaldefinition des Begriffs Familienangehörige (§ 2 Abs 1 Z 22 lit b AsylG) abzustellen.

II. Voraussetzung für die Durchführung eines Familienverfahrens zugunsten eines Ehepartners ist das Bestehen einer gültigen Ehe vor der Einreise in das Bundesgebiet.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

16.02.2023

Veröffentlicht am: 15.04.2024
3280

Sozialleistungen für Familienangehörige von Wanderarbeitnehmern und deren Aufenthaltsrecht

Leitsätze
I. Auch wenn das vorlegende Gericht im Vorabentscheidungsersuchen nicht explizit darauf Bezug genommen hat, sieht sich der EuGH nicht gehindert, alle für die Entscheidung im Anlassfall dienlichen Hinweise zu geben.

II. Dass ein Unionsbürger, nachdem er von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hatte, zusätzlich zur Staatsangehörigkeit des Herkunftsmitgliedstaats auch jene des Aufnahmemitgliedstaates erlangt hat, hindert ihn nicht daran, sich weiterhin auf das Freizügigkeitsrecht (Art 21 AEUV, RL 2004/38/EG [Unionsbürger-RL]) zu berufen, weil dieses ansonsten in seiner praktischen Wirksamkeit eingeschränkt würde. Eine Behandlung dieses Falls gleich einem rein innerstaatlichen Sachverhalt verbietet sich sohin.

III. Art 7 Abs 1 lit d RL 2004/38/EG verleiht Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht für über drei Monate, wenn diese Familienangehörige sind, die einen Unionsbürger, der die Voraussetzungen der lit a, b oder c leg cit erfüllt, begleiten oder ihm nachziehen. Für den Angehörigenbegriff ist Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG maßgebend. Soweit der Angehörigenbegriff des Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG die Gewährung von Unterhalt verlangt, etwa für die Eltern (lit d), muss diese Voraussetzung vom Zeitpunkt der Antragstellung bis zur Erlangung eines Daueraufenthaltsrechts (Art 16 ff der RL) durch diese Familienangehörigen vorliegen.

IV. Wanderarbeitnehmer genießen in Hinblick auf die sozialen Vergünstigungen im Aufnahmemitgliedstaat eine umfassende Gleichstellung mit dort heimischen Arbeitnehmern (Art 45 Abs 2 AEUV iVm Art 7 Abs 2 VO [EU] 492/2011). Dies trifft auch auf den Zugang zu Sozialleistungen für Familienangehörige iSd Art 2 Z 2 RL 2004/38/EG zu, denen definitionsgemäß Unterhalt gewährt wird. Diese Angehörigeneigenschaft wird sohin durch die Inanspruchnahme einer Sozialleistung nicht in Frage gestellt.

Gerichtshof

EuGH / C-488/21

Datum der Entscheidung

21.12.2023

Veröffentlicht am: 12.04.2024
3277

Keine parallelen Mitwirkungspflichten des Fremden bei bereits eingeleiteter amtswegiger Einholung eines Heimreisezertifikats

Leitsätze
I. Es bestehen keine parallelen Mitwirkungspflichten nach § 46 Abs 2 FPG und § 46 Abs 2a FPG.

II. Soweit die Behörde von der Ermächtigung zur Führung eines amtswegigen Verfahrens zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nach § 46 Abs 2a FPG Gebrauch macht und der Fremde seiner diesbezüglichen Mitwirkungspflicht nachkommt, so besteht keine zusätzliche Verpflichtung des Fremden, iSd § 46 Abs 2 FPG aus Eigenem an die jeweilige Vertretungsbehörde heranzutreten.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

24.10.2023

Veröffentlicht am: 11.04.2024
3276

Abweisung der Säumnisbeschwerde bei mitverschuldeter Verzögerung des Verfahrens

Leitsätze
I. Ein überwiegendes Verschulden der Behörde an der Verfahrensverzögerung wird dann angenommen, wenn die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlassen werden oder grundlos mit diesen zugewartet wird. Ein solches überwiegendes Verschulden ist jedoch zu verneinen, wenn die Behörde bemüht war, das Verfahren zügig zu betreiben.

II. Ein Asylwerber hat dem BFA bzw BVwG alle ihm zur Verfügung stehenden Beweismittel unverzüglich zu übergeben, soweit diese für das Verfahren relevant sind. Soweit solche Informationen der Behörde vorenthalten werden, verletzt der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

24.10.2023

Veröffentlicht am: 10.04.2024
3274

Keine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten aufgrund der allgemeinen Lage in Syrien

Leitsätze
I. Die GFK setzt das Vorliegen einer "begründeten Furcht vor Verfolgung" voraus, weshalb ein Fremder zur Begründung des beantragten Asylstatus eine konkrete und gezielt gegen ihn gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität darzutun hat.

II. Die allgemeine Lage in Syrien gestaltet sich nicht derart, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

21.08.2023

Veröffentlicht am: 09.04.2024
3271

Annahme einer besonderen Gefährdungslage für alleinstehende Frauen in Syrien

Leitsätze
Alleinstehende Frauen unterliegen in Syrien einem besonders hohen Verfolgungsrisiko, wobei das Ausmaß des Risikos vom sozialen Status und der Stellung der Frau oder ihrer Familie abhängt. Unverheiratete, Witwen und Geschiedene sind dabei als besonders gefährdet einzustufen.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

24.08.2023

Veröffentlicht am: 08.04.2024
3279

Abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erlischt durch Wegzug des Ehepartners aus Österreich

Leitsätze
I. Als rechtmäßiger Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen iSd (den Art 16 Abs 2 der RL 2004/38/EG umsetzenden) § 54a Abs 1 NAG kann nur ein den Vorgaben der RL 2004/38/EG entsprechender Aufenthalt angesehen werden.

II. Das vom Ehepartner (Unionsbürger) abgeleitete unionsrechtliche Aufenthaltsrecht endet durch dessen Wegzug aus Österreich und bleibt auch (bei einer - wie hier - erst nach dem Wegzug erfolgten Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens) nicht aufgrund einer später erfolgten Scheidung erhalten.

III. Auch der EuGH hat festgehalten, dass das (unionsrechtliche) Aufenthaltsrecht des im Aufnahmemitgliedstaat zurückbleibenden, einem Drittstaat angehörenden Ehegatten bereits mit dem Wegzug des Unionsbürgers erloschen ist, wenn der Unionsbürger vor der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens den Aufnahmemitgliedstaat verlässt, um sich in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat niederzulassen, und dass ein späterer Scheidungsantrag nicht zum Wiederaufleben dieses Rechts führen kann, weil Art 13 der RL 2004/38/EG nur von der "Aufrechterhaltung" eines bestehenden Aufenthaltsrechts spricht.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2022/22/0122

Datum der Entscheidung

21.11.2023

Veröffentlicht am: 05.04.2024
3270

Notwendige Ermittlungstätigkeit zur Beurteilung der Wirkungen einer im Ausland geschlossenen Ehe

Leitsätze
I. Ausländisches Recht stellt gemäß der Judikatur des VwGH keine Rechtsfrage, sondern eine Tatfrage dar. Der Grundsatz "iura novit curia" gilt in Bezug auf ausländisches Recht nicht, sodass dieses in einem amtswegigen Ermittlungsverfahren festzustellen ist und eine Mitwirkungspflicht der Partei nur soweit erforderlich besteht.

II. Maßgebliches fremdes Recht ist von Amts wegen zu ermitteln und wie in seinem ursprünglichen Geltungsbereich anzuwenden, wobei es in erster Linie auf die dort von der Rsp geprägte Anwendungspraxis ankommt.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

21.08.2023

Veröffentlicht am: 04.04.2024
3269

Abweisung von Säumnisbeschwerden wegen fehlenden Verschuldens der Behörde

Leitsätze
I. Sind Verzögerungen bei der Entscheidung über Anträge nicht durch die Behörde verschuldet, so sind allfällig erhobene Säumnisbeschwerden grds abzuweisen. Liegt eine außergewöhnliche Belastungssituation, zB angesichts einer massiven Steigerung der Anträge auf internationalen Schutz und eines vorübergehenden Aufenthaltsrechts für Vertriebene (Krieg in der Ukraine), vor und hat die Behörde bereits Maßnahmen gesetzt, um einer derartigen Situation zeitnah zu begegnen, so ist der Behörde kein überwiegendes Verschulden anzulasten.

II. Bei Maßnahmen, die einen plötzlich auftretenden massiven Mehraufwand eindämmen sollen, ist zu beachten, dass neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erst nach einer gewissen Einarbeitungsphase und dem Absolvieren von Schulungen selbstständig im Verfahren eingesetzt werden können, weshalb Personalaufstockungen erst zu einem späteren Zeitpunkt Auswirkungen zeigen.

III. Eine Säumnisbeschwerde ist abzuweisen, wenn einer meritorischen Entscheidung ein schuldhaftes Verhalten der Partei oder ein unüberwindbares Hindernis entgegensteht. Ein komplexer Sachverhalt oder eine generelle Überlastung der Behörde ist nicht geeignet, ein unüberwindbares Hindernis darzustellen. Liegen spezifische Ausnahmesituationen vor, wie etwa ein plötzlicher massenhafter Neuanfall von Anträgen, so kann dies sehr wohl ein (kurzfristig) unüberwindbares Hindernis darstellen.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

30.05.2023

Veröffentlicht am: 03.04.2024
3267

Mutwillensstrafe (§ 35 AVG) nur im Ausnahmefall; Subsidiarität des 7. Hauptstücks des AsylG gegenüber dem NAG

Leitsätze
I. Damit anlässlich der Beantragung von Aufenthaltstiteln eine Mutwillensstrafe erhoben werden kann (§ 35 AVG), muss der absolute Ausnahmefall des offenkundigen Rechtsmissbrauchs vorliegen.

II. Aus § 58 Abs 9 Z 1 AsylG, wonach Anträge auf Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (7. Hauptstück des AsylG) zurückzuweisen sind, wenn sich der Drittstaatsangehörige in einem Verfahren nach dem NAG befindet, ergibt sich neben der Subsidiarität des 7. Hauptstücks des AsylG gegenüber dem NAG auch ein Ausschluss der Parallelität von Verfahren nach beiden Regimen.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

02.10.2023

Veröffentlicht am: 02.04.2024
3234

Gegenstandslosigkeit einer aufrechten Rückkehrentscheidung bei zwischenzeitiger Erteilung eines Aufenthaltstitels

Leitsätze
Der Eintritt der Rechtmäßigkeit des Aufenthalts steht der Aufrechterhaltung einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

24.08.2023

Veröffentlicht am: 28.03.2024
3232

Spannungsverhältnis zwischen Art 18 Massenzustrom-RL und der Zuständigkeitsnorm des Art 19 Dublin III-VO

Leitsätze
I. Die Verpflichtungen nach Dublin III-VO gehen gemäß Art 19 leg cit ex lege auf den Mitgliedstaat über, der einem Drittstaatsangehörigen nach Stellung seines Antrags auf internationalen Schutz einen Aufenthaltstitel erteilt.

II. Dies steht jedoch in einem Spannungsverhältnis zu Art 18 der Massenzustrom-RL, wonach für die Prüfung eines Asylantrages einer Person, die nach dieser Richtlinie vorübergehenden Schutz genießt, jener Mitgliedstaat zuständig ist, der der Überstellung dieser Person in sein Hoheitsgebiet zugestimmt hat.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

20.07.2023

Veröffentlicht am: 27.03.2024
3266

Verfristung eines Aufnahmegesuchs und Sicherheitsvermutung

Leitsätze
I. Wird ein auf Art 13 Abs 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch vom ersuchten Mitgliedstaat ignoriert, so begründet dies aufgrund der Verfristung gemäß Art 22 Abs 7 Dublin III-VO die Verpflichtung des ersuchten Staats, die betroffene Person aufzunehmen.

II. Die Ausübung des Selbsteintrittsrechts ist nicht aufgrund jeder Grundrechtsverletzung, sondern erst aufgrund systemischer Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber geboten. Eine drohende große Armut und Obdachlosigkeit oder eine starke Verschlechterung der Lebensverhältnisse der betroffenen Person genügt dafür nicht.

III. Im Falle von Dublin III-Mitgliedstaaten bestehen wesentlich engere Prüfmaßstäbe als bei einer regulären Art 3 EMRK-Prüfung in Bezug auf Nichtmitgliedstaaten. Diese Sicherheitsvermutung des § 5 Abs 3 AsylG, wonach ein Asylwerber im jeweils zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet, ist widerlegbar, was aber jedenfalls das Vorliegen einer realen Gefahr einer Verletzung der Rechte aus Art 3 EMRK erfordert.

Gerichtshof

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Datum der Entscheidung

04.10.2023

Veröffentlicht am: 26.03.2024
3264

Neuerlich zu Hinderungsgründen und anrechenbaren Prüfungen iZm dem Nachweis eines Studienerfolgs

Leitsätze
I. Nach der VwGH-Rsp kann von einem unabwendbaren oder unvorhersehbaren Hinderungsgrund iSd § 64 Abs 2 letzter Satz NAG nicht die Rede sein, wenn der Hinderungsgrund dauerhaft ist. Von einem dauerhaften Hindernis ist ua bei länger dauernden (im Allgemeinen die Dauer eines Jahres überschreitenden) Erkrankungen auszugehen.

II. Der für die Verlängerung des studentischen Aufenthaltstitels erforderliche Studienerfolgsnachweis ist zu den vom Antragsteller betriebenen Studien in Bezug zu setzen. Der verlangte Studienerfolg muss also dem betriebenen Studium (zu dem ein Antragsteller zugelassen wurde) zurechenbar sein. Es sind nicht jegliche Prüfungen hinreichend, sondern es muss sich um Prüfungen handeln, die nach dem relevanten Curriculum abzulegen sind.

Gerichtshof

VwGH / Ra 2020/22/0057

Datum der Entscheidung

23.10.2023

Veröffentlicht am: 25.03.2024