Zu den Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung bei Vorliegen eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaats
Leitsätze
I. Aus einer Zusammenschau von § 52 Abs 6 FPG und Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG ergibt sich, dass ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger, sofern er über einen Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaats verfügt, zuerst zu verpflichten ist, sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Eine Rückkehrentscheidung darf erst ergehen, wenn der zuvor ausgesprochenen Verpflichtung nicht nachgekommen wurde.
II. Wird eine Ausreiseverpflichtung gemäß § 52 Abs 6 FPG iVm Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG im Hinblick auf das Heimatland der betroffenen Person, und nicht auf den Mitgliedstaat, dessen Aufenthaltsberechtigung sie innehat, ausgesprochen, so erfüllt dies nicht die Voraussetzungen des Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG und darf daher eine Rückkehrentscheidung nicht ergehen.
III. Wird gegen einen illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf seinen Heimatstaat erlassen, so bedarf es gemäß § 52 Abs 6 FPG iVm Art 6 Abs 2 RL 2008/115/EG im Falle einer Wiedereinreise einer neuerlichen Rückkehrentscheidung, sofern die betroffene Person mittlerweile über eine Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaats verfügt und ihrer Verpflichtung zur Rückkehr in diesen Mitgliedstaat nicht nachkommt. Diese Rückkehrentscheidung hat sich aber jedenfalls auf den Mitgliedstaat und nicht auf das Heimatland der betroffenen Person zu beziehen.
IV. Ist eine Abschiebung in den Heimatstaat der betroffenen Person gemäß § 52 Abs 6 FPG nicht möglich, weil sie über einen Aufenthaltstitel eines Mitgliedstaats verfügt, so ist auch der Zweck einer allenfalls angeordneten Schubhaft nicht erreichbar. Da die Schubhaft nur in Betracht kommt, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht, ist eine angeordnete Schubhaft in einem solchen Fall rechtswidrig.