Leitsätze
2834
Zur Ermittlungs- versus Mitwirkungspflicht iZm fraglicher Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit
Leitsätze
I. Nach stRsp verlangt § 27 Abs 1 StbG nicht eine "hundertprozentige Sicherheit" für die Feststellung des (Wieder-)Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit aufgrund des Antrags, der Erklärung oder der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs 1 StbG verpflichtet, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist auf den mit § 45 Abs 2 AVG normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hinzuweisen, wonach die Behörde bzw iVm § 17 VwGVG das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat. II. Es ist keinesfalls unvertretbar, wenn das Verwaltungsgericht angesichts der türkischen Rechtslage, wonach die (Wieder-)Einbürgerung eines Antrags des (Wieder-)Einzubürgernden bedarf, davon ausging, dass der Verleihung ein Antrag des Revisionswerbers zugrunde lag. III. Der VwGH hat bereits vielfach auf die offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, und die sich daraus ergebende Mitwirkungspflicht des Betroffenen durch Vorlage entsprechender Auszüge bzw Aktenabschriften hingewiesen. Die Mitwirkungspflicht der Partei ist gegenüber der Pflicht zur amtswegigen Erforschung des gemäß § 27 Abs 1 StbG maßgeblichen Sachverhalts umso größer, als es der Behörde bzw dem Verwaltungsgericht unmöglich ist, personenbezogene Auskünfte über einen Betroffenen zu erhalten, und es deshalb der Mitwirkung des Betroffenen bedarf.
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Entscheidungsdatum: 04.05.2023
Aufbereitet am: 04.10.2023
2833
Eheschließung "auch" zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels bzw einer Aufenthaltskarte schadet grundsätzlich nicht
Leitsätze
Alleine der Umstand, dass eine Ehe "auch" zum Zweck der Erlangung eines Aufenthaltstitels geschlossen wird, begründet nicht das Vorliegen einer Aufenthaltsehe. Gemäß § 30 Abs 1 NAG ist eine "Aufenthaltsehe" vielmehr durch das Nichtvorliegen eines gemeinsamen Familienlebens iSd Art 8 EMRK gekennzeichnet. Liegt daher ein solches Familienleben im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt vor, kommt die Annahme einer der Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw einer Aufenthaltskarte entgegenstehenden Aufenthaltsehe nicht in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 11.05.2023
Aufbereitet am: 03.10.2023
2832
Fall analog Ruiz Zambrano, obwohl sich der minderjährige Unionsbürger schon außerhalb der EU befindet?
Leitsätze
I. Die Mitgliedstaaten sind gemäß Art 20 AEUV dazu verpflichtet, drittstaatsangehörigen Familienangehörigen von Unionsbürgern ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht zu erteilen, wenn anderenfalls ein faktischer Zwang auf den Unionsbürger ausgeübt würde, das Unionsgebiet zu verlassen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat (stRsp seit EuGH 8.3.2011, C-34/09 [Ruiz Zambrano] ECLI:EU:C:2011:124). II. Hingegen kommen Drittstaatsangehörigen aus dem Institut der Unionsbürgerschaft keine originären Rechte zu. III. Kein faktischer Zwang entgegen der stRsp seit "Ruiz Zambrano" wird auf einen Unionsbürger durch Ausweisung eines Drittstaatsangehörigen ausgeübt, wenn sich Ersterer schon außerhalb des Unionsgebiets befindet. Diese Judikatur kann allenfalls wieder relevant werden, wenn der Unionsbürger in Begleitung seiner drittstaatsangehörigen Bezugsperson in das Unionsgebiet einzureisen und sich dort aufzuhalten gedenkt. IV. Die Mitgliedstaaten dürfen einen Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf ein abgeleitetes Aufenthaltsrecht iSd Art 20 AEUV nicht mit der Begründung ablehnen, dass der Umzug in diesen Mitgliedstaat, der mit der Ausübung der Rechte des Kindes als Unionsbürger einhergeht, nicht im tatsächlichen oder glaubhaft erscheinenden Interesse des Kindes liege. Widrigenfalls würde das allgemeine Freizügigkeitsrecht, dem ein absolutes Einreiserecht des Unionsbürgers innewohnt, unzulässigerweise unter einen Vorbehalt gestellt. V. Für die Frage eines aus Art 20 AEUV zwingend abgeleiteten Aufenthaltsrechts kommt es einzig auf das Bestehen eines Abhängigkeitsverhältnisses des Unionsbürgers zum Drittstaatsangehörigen an. Dieses kann sich in rechtlicher, finanzieller und/oder affektiver Sorge äußern, wobei es auf die Umstände des Einzelfalls ankommt. VI. Da bei der Prüfung eines Abhängigkeitsverhältnisses alle Umstände des Einzelfalls zu würdigen sind, ist ein solches nicht stets schon dann ausgeschlossen, wenn der drittstaatsangehörige Elternteil nicht immer die tägliche Sorge für den minderjährigen Unionsbürger wahrgenommen hat.
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Entscheidungsdatum: 22.06.2023
Aufbereitet am: 02.10.2023
2831
Zum Wegfall des Aufenthaltstitels eines Drittstaatsangehörigen nach der Scheidung von einer EWR-Bürgerin
Leitsätze
I. Das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen nach der Scheidung von EWR-Bürgern bleibt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 oder 2 NAG erhalten, sofern zusätzlich einer der taxativ aufgezählten Tatbestände des § 54 Abs 5 NAG erfüllt wird. II. Steht die fremde Person in ihrem Herkunftsstaat mit den dort lebenden Familienangehörigen (zB Kinder und Enkelkinder) in Kontakt und hat sie etwa auch ein in ihrem Eigentum stehendes Haus im Heimatstaat, so können die Bindungen zu diesem Staat grds (insb wenn die fremde Person in Österreich weder arbeitet noch sonst integriert ist) als wesentlich größer als jene zu Österreich qualifiziert werden.
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Entscheidungsdatum: 05.12.2022
Aufbereitet am: 29.09.2023
2830
Zur Inlandsantragstellung im familiären Kontext
Leitsätze
I. Für die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzung des § 21 Abs 3 Z 2 NAG ist die VwGH-Rsp zur Interessenabwägung nach § 11 Abs 3 NAG bzw Art 8 EMRK maßgeblich. II. Eine Unvertretbarkeit der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben nach Art 8 EMRK – und damit eine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG – liegt vor, wenn das LVwG den in der Rsp des VwGH wiederholt zum Ausdruck gebrachten Grundsatz nicht hinreichend beachtet, dass der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner und ein gemeinsames Kind (hier: ebenfalls österreichischer Staatsbürgerschaft) im Rahmen der Abwägung nach Art 8 EMRK große Bedeutung zukommt.
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Entscheidungsdatum: 11.05.2023
Aufbereitet am: 28.09.2023
2829
Diversionelle Einstellung des Strafverfahrens kein Beweis für Scheinehe: mündliche Verhandlung erforderlich
Leitsätze
I. Bei der Klärung der nach § 30 Abs 1 NAG relevanten Frage, ob Ehegatten ein gemeinsames Familienleben iSd Art 8 EMRK führen oder nicht, kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks besondere Bedeutung zu. II. Weder aus dem auf der Anwendung der §§ 198, 199 und 200 Abs 5 StPO beruhenden, keine Bindungswirkung entfaltenden Einstellungsbeschluss des Bezirksgerichts noch aus dem Umstand, dass der Revisionswerber – aus welchen Gründen auch immer – die Diversion als Mittel der Erledigung des gegen ihn auf Grundlage des § 117 Abs 1 FPG geführten Strafverfahrens hingenommen hat, lässt ohne Weiteres auf die Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs (Eingehen einer Aufenthaltsehe) schließen.
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Entscheidungsdatum: 11.05.2023
Aufbereitet am: 27.09.2023
2828
Engagement für Selbstbestimmung der Tochter in Afghanistan als (unterstellte) politische Überzeugung
Leitsätze
I. Ein Engagement eines Mannes für ein selbstbestimmtes Leben einer Frau (Ermöglichung des Studiums und der selbständigen Berufsausübung, Ablehnung einer Zwangseheschließung) führt im Taliban-kontrollierten Afghanistan zum Verfolgungsgrund einer asylrelevanten unterstellten politischen bzw religiösen Gesinnung. II. Verfolgung auf Grund politischer bzw religiöser Überzeugung droht auch ehemaligen Sicherheitskräften, ungeachtet des Umstands oder der Dauer von deren Pensionierung.
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Entscheidungsdatum: 02.05.2023
Aufbereitet am: 26.09.2023
2827
Neuerlich zur Unterhaltsberechnung
Leitsätze
I. Bei der Berechnung des vorhandenen Einkommens iSd § 11 Abs 5 NAG sind auch Sonderzahlungen anteilig zu berücksichtigen. II. Monatliche Zahlungen aufgrund eines Bausparvertrags sind nicht als Belastungen iSd § 11 Abs 5 NAG zu berücksichtigen – und zwar schon deshalb nicht, weil ein Bausparvertrag auch vorzeitig gekündigt werden kann. III. Nur über die gewöhnliche Lebensführung hinausgehende regelmäßige finanzielle Belastungen (wie zB im Fall einer besonders hohen Miete) sollen zu einer Schmälerung der regelmäßig zur Verfügung stehenden festen Einkünfte führen. Dies trifft etwa auf Rundfunkgebühren nicht zu. Derartige finanzielle Belastungen bewegen sich weder ihrer Art noch ihrer Höhe nach außerhalb des Rahmens der bei einer Durchschnittsbetrachtung zu erwartenden Lebensführungskosten.
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Entscheidungsdatum: 03.03.2023
Aufbereitet am: 25.09.2023
2826
Antragszurückweisung wegen Aufenthaltsehe: meritorische Entscheidung im Beschwerdeverfahren unzulässig
Leitsätze
I. Nach stRsp des VwGH ist dann, wenn die Behörde den verfahrenseinleitenden Antrag zurückgewiesen hat, das Verwaltungsgericht lediglich befugt, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist. II. In Fällen des § 54 Abs 7 NAG ist gemäß dem vorletzten Satz des § 55 Abs 3 NAG nicht nach dieser Bestimmung vorzugehen. Sonst aber wäre, wenn die Voraussetzungen für die Ausstellung der beantragten Aufenthaltskarte nicht gegeben sind, die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehene Vorgangsweise einzuhalten, wobei es vor dem Hintergrund des Inhalts des § 51 NAG für die Beurteilung eines Aufenthaltsrechts nach dieser Bestimmung nicht ausreicht, nur auf die Sozialversicherungsdaten abzustellen.
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Entscheidungsdatum: 11.05.2023
Aufbereitet am: 22.09.2023
2825
Diskriminierung iSd Art 3 GFK aufgrund des alleinigen Abstellens auf die Herkunft bei der Zurückweisung eines Asylantrags
Leitsätze
I. Das österreichische Asylrecht differenziert nicht zwischen Anträgen auf internationalen Schutz von Unionsbürgern und jenen von Drittstaatsangehörigen. Folglich besteht auch keine Befugnis zur Antragszurückweisung alleine aufgrund der Herkunft einer asylwerbenden Person aus einem Mitgliedstaat der EU. Das bloße Abstellen auf die Herkunft bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Antrags ist zudem im Hinblick auf das Diskriminierungsverbot des Art 3 GFK problematisch. II. Eine Zurückweisung, alleinig gestützt auf das Asylprotokoll, ist ohne jegliche inhaltliche Prüfung (obwohl prima facie keiner der in lit a–d Asylprotokoll aufgezählten Ausnahmefälle vorliegt) mit Rechtswidrigkeit behaftet.
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Entscheidungsdatum: 31.01.2023
Aufbereitet am: 21.09.2023
2824
Zum Sozialhilfebezugsrecht dauerhaft niedergelassener Fremder
Leitsätze
I. § 4 Abs 1 erster Satz Sozialhilfe-GrundsatzG wurde durch § 4 Abs 2 Z 2 Sbg SozialunterstützungsG (welcher inhaltlich § 5 Abs 1 OÖ Sozialhilfe-AusführungsG entspricht) umgesetzt. Das darin normierte Erfordernis der "Dauerhaftigkeit" bezieht sich sowohl auf einen tatsächlichen wie auch auf einen rechtmäßigen mindestens fünfjährigen Aufenthalt des "dauerhaft niedergelassenen Fremden". II. In Bezug auf einen allfälligen Sozialhilfeanspruch Fremder wird in § 4 Abs 1 Sozialhilfe-GrundsatzG auf einen – durch eine fünfjährige "Wartefrist" näher bestimmten – "dauerhaften rechtmäßigen Aufenthalt" des Fremden im Inland abgestellt, ohne das Erfordernis bestimmter Aufenthaltstitel zu normieren. Fremde mit einem Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" zählen nicht "bereits alleine deshalb" zu dem nach § 4 Abs 1 Sozialhilfe-GrundsatzG (bzw § 4 Abs 2 Z 2 Sbg SozialunterstützungsG) bezugsberechtigten Personenkreis. Die dahingehende Rsp des VwGH ist auf § 5 Abs 1 OÖ Sozialhilfe-AusführungsG übertragbar. III. Der Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot – Karte plus" gemäß § 8 Abs 1 Z 2 NAG, der zu einer befristeten Niederlassung in Österreich berechtigt, ist nicht von vornherein ungeeignet, die Voraussetzungen nach § 5 Abs 1 OÖ Sozialhilfe-AusführungsG zu erfüllen. Liegen mehrere aufeinanderfolgende befristete Aufenthaltstitel nach § 8 Abs 1 Z 2 NAG vor, die in Summe die fünfjährige "Wartefrist" abdecken, kann nicht gesagt werden, der Betreffende sei nicht als gemäß § 5 Abs 1 OÖ Sozialhilfe-AusführungsG "dauerhaft niedergelassener Fremder", der sich "seit mindestens fünf Jahren dauerhaft, tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet" aufhält, anzusehen. IV. Weder der Wortlaut des § 4 Abs 1 Sozialhilfe-GrundsatzG noch jener des § 5 Abs 1 OÖ Sozialhilfe-AusführungsG lassen erkennen, dass damit – ausschließlich – auf einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt – EU" iSd § 45 NAG Bezug genommen würde.
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Entscheidungsdatum: 20.04.2023
Aufbereitet am: 20.09.2023
2823
Mitteilungspflicht in § 20 Abs 4 NAG auch vor (und nach) den COVID-19-Sonderregelungen nur relativ
Leitsätze
I. Zur vorherigen Mitteilung an die Behörde iSd § 20 Abs 4 zweiter Satz NAG in der bis zum Inkrafttreten der Novelle BGBl I 110/2021 - und aktuell wieder ab 30.9.2023 - geltenden Fassung ist festzuhalten, dass diese, soll der Zweck des zweiten Satzes des § 20 Abs 4 NAG (Schaffung einer - wie in Art 9 Abs 2 der RL 2003/109/EG vorgesehen - günstigeren Norm für langfristig Aufenthaltsberechtigte durch die Einräumung der Möglichkeit zur Geltendmachung berücksichtigungswürdiger Gründe) nicht partiell leerlaufen, nur unter der Voraussetzung als erforderlich erachtet werden kann, dass dem Fremden (insb mit Rücksicht auf die von ihm geltend gemachten Abwesenheitsgründe) eine rechtzeitige Mitteilung überhaupt möglich ist. Nur wenn ihm eine solche Mitteilung möglich gewesen wäre, kann sein Daueraufenthalt ex lege erlöschen. II. Dafür, dass ungeachtet eines allfälligen Hindernisses, das dem Fremden die vorherige Mitteilung von besonders berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erlaubt, eine rechtzeitige Mitteilung an die Behörde dennoch ausnahmslos notwendig wäre, um das Erlöschen eines Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt – EU" bei mehr als zwölfmonatiger, aber nicht länger als 24-monatiger Abwesenheitsdauer zu verhindern, bieten auch die Materialien zu § 20 Abs 4 NAG in der vor der Novelle BGBl I 110/2021 geltenden Fassung keinerlei Anhaltspunkte (vgl RV 952 BlgNR 22. GP 129). III. Mit der Novelle BGBl I 110/2021 entfiel vorübergehend das Mitteilungserfordernis in § 20 Abs 4 zweiter Satz NAG aufgrund der weltweiten Krisensituation in Zeiten der COVID-19-Pandemie generell (also auch dann, wenn ihr im Einzelfall entsprochen werden könnte). IV. Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie herrschten von deren Beginn im Jahr 2020 an bis Ende Juni 2021 in zumindest ebenso gravierender Weise vor wie in der Zeit ab Inkrafttreten der Novelle BGBl I 110/2021 mit 1.7.2021 (entsprechend der aktuellen Befristung bis 30.9.2023).
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Entscheidungsdatum: 16.03.2023
Aufbereitet am: 19.09.2023
2822
Abschiebung vor dem Ergehen der gerichtlichen Entscheidung betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Asylverfahren unzulässig
Leitsätze
I. Wurde gegen eine erlassene Rückkehrentscheidung Beschwerde eingebracht, so ist die Beschwerdevorlage an das BVwG als fristauslösender Zeitpunkt (vgl § 16 Abs 4 BFA-VG) anzusehen. Ist bei Ablauf der Frist gemäß § 16 Abs 4 BFA-VG noch keine Entscheidung über die aufschiebende Wirkung ergangen, so verlängert sich die gesetzlich angeordnete Wartepflicht bis zur tatsächlichen Entscheidung des BVwG über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und sind die Wirkungen der Rückkehrentscheidung jedenfalls bis dahin ausgesetzt. II. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts ist davon auszugehen, dass sich die gesetzlich angeordnete Wartepflicht (Art 46 Abs 5, 6 und 8 RL 2013/32/EU) bis zur tatsächlichen gerichtlichen Entscheidung des BVwG über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verlängert. Die österreichische Rechtslage betreffend § 16 Abs 4 BFA-VG erweist sich in diesem Zusammenhang als unionsrechtswidrig und ist daher nicht anzuwenden.
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Entscheidungsdatum: 31.08.2022
Aufbereitet am: 18.09.2023
2821
Automatische Zulässigkeit eines Folgeantrages nach Rückkehr in den Herkunftsstaat?
Leitsätze
I. Der alleinige Umstand, dass ein Folgeantragsteller seit der Erstentscheidung in den Herkunftsstaat zurückgekehrt ist und dort gelebt hat, bedeutet noch nicht, dass seinem nunmehrigen Folgeantrag automatisch neue Elemente oder Umstände (Art 33 Abs 2 lit d bzw Art 40 Abs 2 und 3 RL 2013/32/EU) innewohnen. II. Der genannte Umstand alleine hindert die Mitgliedstaaten also noch nicht daran, auf Folgeanträge den Unzulässigkeitstatbestand der res iudicata (Art 33 Abs 2 lit d RL 2013/32/EU) anzuwenden. III. Von Art 33 Abs 2 lit d RL 2013/32/EU dürfen die Mitgliedstaaten auch Gebrauch machen, wenn in der Erstentscheidung zwar nicht die Voraussetzungen für subsidiären Schutz geprüft worden waren, wenigstens aber die Kriterien des Art 15 RL 2011/95/EU (Refoulementverbot) bei der Prüfung von Abschiebungshindernissen maßstäblich waren (nach österreichischem Recht also, wenn wenigstens eine Prüfung gemäß § 50 Abs 1 FPG stattgefunden hatte). IV. Ein "Folgeantrag" iSd Art 2 lit q, Art 33 Abs 2 lit d und Art 40 RL 2013/32/EU ist von einem "neuen Antrag" iSd Art 19 Abs 3 UAbs 2 Dublin III-VO streng zu unterscheiden. Eine Übernahme der zur Dublin III-VO (604/2013) ergangenen Judikatur verbietet sich sohin.
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Entscheidungsdatum: 25.05.2023
Aufbereitet am: 15.09.2023
2820
Kein Auslösen von Rechtswirkungen bei späterer, neuerlicher Zustellung eines Bescheids
Leitsätze
Eine im Anschluss an die rechtswirksame Zustellung eines behördlichen Schriftstückes erneute, spätere Zustellung löst gemäß § 6 ZustellG keine Rechtsfolgen mehr aus.
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Entscheidungsdatum: 24.01.2023
Aufbereitet am: 14.09.2023
2819
Keine asylrechtlich relevante Verfolgung bei bloßer Furcht zur Ableistung des Militärdienstes bzw Bestrafung im Verweigerungsfall ohne Hinzutreten weiterer Umstände
Leitsätze
Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung stellt im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar.
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Entscheidungsdatum: 21.02.2023
Aufbereitet am: 13.09.2023
2818
Überwiegen der Interessen am weiteren Verbleib in Österreich bei bestehendem Familienleben mit einem österreichischen Staatsangehörigen
Leitsätze
I. Wird durch eine Ausweisung in das Privat- oder Familienleben eines Fremden eingegriffen, so ist sie gemäß § 66 Abs 1 FPG nur dann zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. II. Bei der Beurteilung ist eine Gegenüberstellung der öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung mit dem persönlichen Interesse der Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich vorzunehmen.
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Entscheidungsdatum: 21.02.2022
Aufbereitet am: 12.09.2023
2817
Zurückweisung einer Säumnisbeschwerde bei mangelnder Bescheinigung der erfolgten Antragstellung
Leitsätze
I. Unter dem Begriff "Glaubhaftmachung" versteht die Verwaltungsrechtsordnung die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Tatsache. II. Der Zweck der Glaubhaftmachung gemäß § 9 Abs 5 VwGVG besteht darin, dass sich für eine Prüfung a limine die Säumigkeit bereits aus dem Vorbringen in der Beschwerde selbst oder den der Beschwerdeschrift beigefügten Bescheinigungsmitteln ergibt.
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Entscheidungsdatum: 23.12.2022
Aufbereitet am: 11.09.2023
2816
Kein Verfolgungsgrund der Wehrdienstverweigerung bzw Zwangsrekrutierung aufgrund Minderjährigkeit
Leitsätze
I. Die Gefahr einer wegen Wehrdienstverweigerung drohenden Bestrafung kann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt. II. Eine Verfolgungshandlung ist nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, soweit diesen Asylrelevanz zukommt.
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Entscheidungsdatum: 19.07.2022
Aufbereitet am: 08.09.2023
2815
Mitteilung über mögliche künftige Zulassung zum Studium unter Bedingungen ist keine Aufnahmebestätigung
Leitsätze
I. Universitäre "Bescheide" mit dem Inhalt, dass der/die Betreffende unter näher genannten Bedingungen - die noch vor der tatsächlichen Zulassung zu erfüllen seien - zu einem späteren Zeitpunkt zum Studium zugelassen werden könne und die dann geltende Rechtslage maßgeblich sei, sind nach stRsp nicht als Aufnahmebestätigung, sondern als (bloße) Information zu erachten und stellen damit keinen Nachweis für die Erfüllung der besonderen Erteilungsvoraussetzungen iSd § 64 Abs 1 NAG iVm § 8 Z 8 lit a NAG-DV dar. II. Das LVwG hat vor der Erteilung eines Aufenthaltstitels die Erfüllung sämtlicher Erteilungsvoraussetzungen zu prüfen, nicht nur jener, die im behördlichen Verfahren als nicht vorliegend erachtet wurden. Dem steht auch das Neuerungsverbot nicht entgegen, stellt doch die Frage, ob in dem hier vorgelegten "Bescheid" der Universität Wien eine aufrechte Bestätigung über die Zulassung zum Studium zu erblicken ist, keine Tatsachenfrage, sondern letztlich eine Frage der rechtlichen Würdigung eines von Anfang an durch eine vorgelegte Urkunde bekannten Sachverhalts dar.
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Entscheidungsdatum: 04.05.2023
Aufbereitet am: 07.09.2023