Leitsätze
2027
Grundlagen für die Beurteilung einer behaupteten Konversion
Leitsätze
I. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung an. II. Diese ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln.
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Entscheidungsdatum: 21.01.2020
Aufbereitet am: 01.04.2020
2026
Bindung der Verwaltungsbehörde an Nichtigkeitsentscheidungen des Rechtsmittelgerichts
Leitsätze
I. Art 52 Abs 1 RL 2013/32/EU (VerfahrensRL) sieht die Umsetzung der RL bis zum 20.7.2015 vor. Es steht den Mitgliedstaaten aber frei, diese auch schon auf Verfahren anzuwenden, bei denen der zugrunde liegende Antrag auf internationalen Schutz schon vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde. II. Die Rechtsmittelgarantie des Art 46 RL 2013/32/EU (VerfahrensRL) verlangt eine umfassende Rechts- und Tatsachenkognitionsbefugnis des Rechtsmittelgerichts. Daraus folgt aber nicht zwingend eine Reformationsentscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts, vielmehr steht es den Mitgliedstaaten frei, im Falle der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts eine Nichtigerklärung desselben durch das Rechtsmittelgericht iVm einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde zuzugestehen. Nehmen die Mitgliedstaaten diesen Gestaltungsspielraum in Anspruch, so müssen sie aber im Lichte des Art 47 GRC eine umfassende Bindung der Verwaltungsbehörde an die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts vorsehen. Könnte - wie bei den gegenständlichen ungarischen Regelungen - die Verwaltungsbehörde ihre neuerliche Sachentscheidung nach jeder Zurückverweisung ohne Rücksicht auf die Entscheidung des Rechtsmittelgerichts treffen, käme es zu einer ständigen Kassationskaskade und wäre der Rechtsbehelf im Ergebnis wirkungslos. III. Kennt die mitgliedstaatliche Rechtslage bloß eine Nichtigerklärung des Verwaltungsakts und Zurückverweisung ohne Bindung der Verwaltungsbehörde an die Rechtsanschauung des Rechtsmittelgerichts, so hat dieses auf Grund des unionsrechtlichen Anwendungsvorrangs reformatorisch zu entscheiden. Das entgegenstehende nationale Recht hat unangewendet zu bleiben.
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Entscheidungsdatum: 29.07.2019
Aufbereitet am: 31.03.2020
2025
Unionsrechtskonformität der Aberkennung des subsidiären Schutzstatus auch bei nie gegebenen Voraussetzungen für die Zuerkennung
Leitsätze
I. Nationale Regelungen wie § 9 Abs 1 Z 1 erster Fall AsylG 2005 (Aberkennung subsidiären Schutzes wegen von vornherein nicht vorliegender Voraussetzungen) stehen mit dem Unionsrecht im Einklang. Zwar deutet der Wortlaut des Art 19 Abs 3 lit b RL 2011/95/EU (Aberkennung subsidiären Schutzes wegen erschlichener Erlangung) und des Abs 1 leg cit (kein längerer Anspruch auf subsidiären Schutz gemäß Art 16 leg cit) nicht darauf hin, dass Statusaberkennungen auch dann erfolgen können, wenn der Status nur auf Grund von Ermittlungsfehlern der erkennenden Verwaltungsbehörde zuerkannt worden war. Doch ergibt sich das Gebot an die Mitgliedstaaten, auch in Fällen von Fehlern der Behörden oder Gerichte den Status abzuerkennen, aus dem nicht mehr gegebenen Fortbestand einer begründeten Furcht vor einem ernsthaften Schaden iSd Art 15 RL 2011/95/EU, wie sie in Art 16 leg cit verlangt ist. Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis durch eine Interpretation der RL 2011/95/EU im Lichte der GFK; wenngleich diese auf subsidiär Schutzberechtigte keine Anwendung findet, wurde das Regelwerk des subsidiären Schutzes doch jenem des Flüchtlingsstatus nachgebaut. II. Mit der Aberkennung des subsidiären Schutzstatus als solcher ist noch keine Aussage über den Verlust jeglichen Anspruchs auf Aufenthalt im betreffenden Mitgliedstaat und die Zulässigkeit einer Ausweisung in den Herkunftsstaat verbunden.
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Entscheidungsdatum: 23.05.2019
Aufbereitet am: 30.03.2020
2024
Asylberechtigung für Zeugen Jehovas aus der Russischen Föderation
Leitsätze
I. Die aktuellen Länderberichte zeigen, dass die Zeugen Jehovas in der Russischen Föderation als extremistisch angesehen werden, die Ausübung ihrer Religion zieht Freiheitsstrafen von zwei bis zehn Jahren nach sich. Eine öffentliche Religionsausübung wäre dort für Zeugen Jehovas daher nicht möglich, ohne sich der Gefahr asylrelevanter Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK auszusetzen. Nach der klaren Vorgabe des Art 10 Abs 1 lit b RL 2011/95/EU (Status-RL) ist es den Betroffenen auch nicht zuzumuten, ihre Religionsausübung auf ein "Forum Internum" (also kein außenwirksames Praktizieren) zu beschränken. II. Eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 besteht ob der russlandweiten Verfolgung von Zeugen Jehovas in diesem Ausmaß nicht. III. In Fällen wie jenen der beiden gegenständlichen Beschwerdeführer, wo kein Asylausschlussgrund hervorkommt, ist daher gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen und gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass den Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
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Entscheidungsdatum: 02.12.2019
Aufbereitet am: 25.03.2020
2023
Kriterien der unionsrechtlich gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung bei Verlust der Unionsbürgerschaft
Leitsätze
I. Zwar sind die Regelungen über den Erwerb und Verlust der Staatsangehörigkeit grundsätzlich Sache der Mitgliedstaaten, fällt eine Situation (wie der mit Staatsangehörigkeitsverlust verbundene Verlust der Unionsbürgerschaft) aber unter das Unionsrecht, so haben die Mitgliedstaaten dieses zu beachten. IZm der Unionsbürgerschaft verlangt das Unionsrecht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung. II. Es ist ein legitimes Ziel, wenn ein Mitgliedstaat bei der Ausübung seiner Zuständigkeit auf die Intensität der Bindung zwischen ihm und den Staatsangehörigen abstellt und die Einheitlichkeit der Staatsangehörigkeit innerhalb der Familie schützen möchte. Diese Bindung wird etwa durch Bemühungen um Dokumentenerlangung innerhalb eines Zeitraums dokumentiert. III. Die nationalen Vorschriften müssen eine Einzelfallprüfung zulassen, in der die Folgen des Unionsbürgerschaftsverlusts berücksichtigt werden können, etwa daraus folgende Beschränkungen des Rechts, sich im Unionsgebiet frei zu bewegen und aufzuhalten, weiterhin dort einzureisen und Bindungen mit dortigen Familienmitgliedern aufrechtzuerhalten bzw eine berufliche Tätigkeit auszuüben. Auch der Umstand, ob ein Verzicht des Betroffenen auf die Staatsangehörigkeit des Drittstaats möglich gewesen wäre und dieser seine Unionsbürgerschaft zu verlieren droht, weil ein solcher Verzicht nicht möglich war, ist zu würdigen. Auch eine Verschlechterung der Sicherheitslage des Betroffenen im Drittstaat infolge des Verlusts konsularischen Schutzes (Art 20 Abs 2 lit c, Art 23 AEUV) durch einen Mitgliedstaat ist zu würdigen. Auch das in Art 24 GRC anerkannte Kindeswohl ist für betroffene Minderjährige zu berücksichtigen, die Gefahr laufen, dem Staatsbürgerschaftsverlust der Eltern zu folgen.
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Entscheidungsdatum: 12.03.2019
Aufbereitet am: 24.03.2020
2022
Möglichkeit und Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Afghanistan
Leitsätze
Trotz unterschiedlicher Einschätzung der Lage insb zur afghanischen Hauptstadt Kabul betonen sowohl UNHCR als auch EASO übereinstimmend die Notwendigkeit, das Vorhandensein einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative stets nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
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Entscheidungsdatum: 07.02.2020
Aufbereitet am: 23.03.2020
2021
Verlust des abgeleiteten Aufenthaltsrechts
Leitsätze
I. Für den Aufenthaltsrechts-Verlusttatbestand des Art 16 Abs 2 lit a RL 2003/86/EG ist es ohne Belang, wer (Zusammenführender oder Familienangehöriger) eine kausale Täuschungshandlung gesetzt hatte, die zur Erlangung des Aufenthaltsrechts geführt hat. Dies zeigt der Wortlaut, der nicht nach der Person des Täuschenden differenziert, ebenso wie die Gesamtsystematik der RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL). Wenn der Mitgliedstaat von seiner in Art 16 Abs 2 lit a RL 2003/86/EG statuierten Entziehungsermächtigung Gebrauch macht, muss er aber die in Art 17 leg cit vorgeschriebene Interessenabwägung durchführen (Kriterien: Art und die Stärke der familiären Bindungen der betreffenden Person und die Dauer ihres Aufenthalts in dem Mitgliedstaat sowie, insbesondere bei einer den Aufenthaltstitel entziehenden Maßnahme, das Vorliegen familiärer, kultureller oder sozialer Bindungen des Betreffenden zu seinem Herkunftsland) und im Lichte von Art 7 GRC vorgehen. II. Art 9 Abs 1 lit a RL 2003/109/EG ist dahin auszulegen, dass er dem Entzug der Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten nicht entgegensteht, wenn diese durch betrügerische Angaben erlangt wurde, der langfristig Aufenthaltsberechtigte aber nicht wusste, dass diese Angaben betrügerisch waren. Zwar hat die Richtlinie eine Integration der daueraufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen zum Ziel, die Mitgliedstaaten müssen aber wirksam gegen Betrug vorgehen können (Verbot von Betrug als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts). Wie Art 9 Abs 7 RL 2003/109/EG zeigt, führt der Verlust eines Daueraufenthaltsrechts aber nicht automatisch zum Verlust des mit der RL 2003/86/EG (FamilienzusammenführungsRL) erlangten Aufenthaltsrechts, dessen Erhalt nach Art 17 leg cit zu prüfen ist (vgl Ausführungen oben I.).
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Entscheidungsdatum: 14.03.2017
Aufbereitet am: 18.03.2020
2020
Erfordernis einer engeren Bindung zum EU-Mitgliedstaat als zur Türkei als Verletzung der Standstill-Klausel
Leitsätze
I. Nach Inkrafttreten des ARB (Beschluss 1/80 Assoziationsrat EWG - Türkei) von EU-Mitgliedstaaten erlassene Einschränkungen der Familienzusammenführung türkischer Arbeitnehmer sind entsprechend der beibehaltenen stRsp des EuGH "neue Beschränkungen" iSd Art 13 ARB 1/80. II. Neue Beschränkungen, die auf die Bindung von Ehepaaren, denen ein türkischer Arbeitnehmer angehört, an den jeweiligen Mitgliedstaat abstellen, können nicht gemäß Art 13 ARB 1/80 gerechtfertigt werden (zwingender Grund des Allgemeininteresses, Eignung der neuen Beschränkung zur Zielerreichung und kein "Hinausgehen über das zur Zielerreichung Erforderliche"). Zwar ist die Integration Drittstaatsangehöriger ein legitimes Ziel, es fehlt aber an der Eignung zur Zielerreichung: Die Bindung der Antragstellerin zum Herkunftsstaat im Zeitpunkt der Antragstellung sagt nichts darüber aus, ob eine Integration im Mitgliedstaat gelingen könne. Dies wird dadurch untermauert, wenn eine solche mitgliedstaatliche Bestimmung keine konkrete Integrationsmaßnahme vorsieht. III. Eine solche neue Beschränkung fällt auch nicht unter den Rechtfertigungsgrund des Art 14 ARB 1/80 ("Beschränkungen, die aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit gerechtfertigt sind").
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Entscheidungsdatum: 10.07.2019
Aufbereitet am: 17.03.2020
2019
Keine neue Beurteilung eines rechtskräftig entschiedenen Sachverhalts
Leitsätze
Es ist unzulässig, einen rechtskräftig entschiedenen Sachverhalt neu zu beurteilen.
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Entscheidungsdatum: 24.09.2019
Aufbereitet am: 16.03.2020
2018
Zur sicheren Erreichbarkeit des als innerstaatliche Fluchtalternative angenommenen Gebietes
Leitsätze
Durch die fehlende Auseinandersetzung mit der Sicherheit der Verbindungen von Kabul nach Herat und Mazar-e Sharif sowie der mangelnden Berücksichtigung eines aktuellen Berichts des EASO handelt das BVwG willkürlich.
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Entscheidungsdatum: 12.12.2019
Aufbereitet am: 11.03.2020
2017
Schengen-Binnengrenze wird durch vorübergehende Grenzkontrollen nicht zu Schengen-Außengrenze
Leitsätze
I. Die Verfahrensgarantien der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) sind nach der beibehaltenen, am Wortlaut haftenden Rsp des EuGH auf illegal einreisende bzw aufhältige Drittstaatsangehörige, die über eine Schengen-Binnengrenze einreisen und gegen die kein Einreiseverbot vorliegt, vollumfänglich anwendbar (kein Fall des Art 2 Abs 2 lit a RL 2008/115/EG). II. Die Ermächtigung an die Mitgliedstaaten zur Schmälerung des Anwendungsbereichs der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) gemäß deren Art 2 Abs 2 lit a greift auch nicht, wenn an der betreffenden Schengen-Binnengrenze vorübergehend wieder Grenzkontrollen gemäß Art 25 VO (EU) 2016/399 durchgeführt werden (die Binnengrenze wird dadurch nicht zur "Außengrenze" iSd Art 2 Abs 2 lit a RL 2008/115/EG). Neben dem klaren Wortlaut ("Außengrenze") zeigt sich dies auch darin, dass Art 32 VO (EU) 2016/399 im Falle temporärer Grenzkontrollen an den Binnengrenzen bloß die einschlägigen Bestimmungen des Kodex über die Außengrenzen vorsieht, die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) aber unberührt lässt. Dieses Ergebnis wird durch die Bestimmung des Art 13 Abs 1 VO (EU) 2016/399 bestätigt.
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Entscheidungsdatum: 19.03.2019
Aufbereitet am: 10.03.2020
2016
Anforderungen an die Begründung von Entscheidungen
Leitsätze
Die mangelhafte Beweiswürdigung und die unzureichende Auseinandersetzung mit der aktuellen Situation in der Herkunftsregion verletzen den irakischen Beschwerdeführer im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander.
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Entscheidungsdatum: 24.02.2020
Aufbereitet am: 09.03.2020
2015
Zurückweisung von Migranten nach Überwindung des Grenzzauns zu Melilla ohne Durchführung eines Ausweisungsverfahrens
Leitsätze
I. Die Ausübung von Hoheitsgewalt iSv Art 1 EMRK ist Voraussetzung dafür, einen Mitgliedstaat für ihm zuzurechnende Handlungen oder Unterlassungen zur Rechenschaft ziehen zu können. Die Hoheitsgewalt ist primär territorial begrenzt und bezieht sich grundsätzlich auf das gesamte Staatsgebiet. Diese Vermutung kann nur ausnahmsweise widerlegt werden, wenn durch außergewöhnliche Umstände der Staat daran gehindert ist, die effektive Autorität über einen Teil seines Staatsgebiets auszuüben. Die Grenzzäune zwischen der spanischen Enklave Melilla und Marokko wurden auf spanischem Hoheitsgebiet errichtet. Da auch keine besonderen Umstände vorliegen, durch die die spanischen Behörden an der Ausübung ihrer Autorität über dieses Gebiet gehindert werden, fallen die Ereignisse an den Grenzzäunen in die Hoheitsgewalt Spaniens. II. Der Begriff der "Ausweisung" meint auch im Kontext des Art 4 4. ZPEMRK jedes gewaltsame Entfernen eines Fremden aus dem Hoheitsgebiet eines Staates, unabhängig von der Rechtmäßigkeit oder Dauer des Aufenthalts, dem Ort, an dem er festgenommen wurde, seinem Status als Migrant oder Asylwerber und seinem Verhalten beim Überqueren der Grenze. Folglich ist Art 4 4. ZPEMRK auch auf Situationen anwendbar, in denen die Behörden einen Fremden unmittelbar nach dessen unrechtmäßigem Überqueren einer Landgrenze festnehmen und an die Behörden des anderen Staates übergeben. III. Eine Ausweisung ist als "kollektiv" iSv Art 4 4. ZPEMRK anzusehen, wenn sie Fremde als eine Gruppe zum Verlassen eines Landes zwingt, ohne dass dies auf einer vernünftigen und sachlichen Prüfung des spezifischen Falls jedes einzelnen Mitglieds der Gruppe beruht. Die Zahl der von einer bestimmten Maßnahme betroffenen Personen ist für das Vorliegen einer verbotenen Kollektivausweisung irrelevant. IV. Es liegt keine Verletzung von Art 4 4. ZPEMRK vor, wenn das Fehlen einer individuellen Ausweisungsentscheidung auf das eigene Verhalten der betroffenen Personen zurückgeführt werden kann. V. Wenn für Migranten und Schutzsuchende Möglichkeiten zur Verfügung standen, um rechtmäßig einzureisen und diese wirklich und wirksam zugänglich waren, ist es gerechtfertigt, wenn die Behörden Migranten nach deren illegalem Grenzübertritt ohne individuelle Prüfung zurückschieben, sofern keine zwingenden, in die Verantwortung dieses Staates fallenden Gründe vorlagen, welche die betroffenen Personen daran hinderten, Gebrauch von den zur Verfügung stehenden rechtmäßigen Verfahren zur Einreise zu machen. VI. Da für Migranten und Schutzsuchende die wirkliche und wirksame Möglichkeit besteht, an Grenzübergängen zwischen Marokko und der spanischen Enklave Melilla oder bei einer spanischen Botschaft oder einem Konsulat ein Visum zu beantragen und gegen eine Ausweisung sprechende Gründe vorzubringen, begründet die Zurückschiebung von Migranten nach einer illegalen Überquerung der Grenze ohne individuelle Entscheidungen keine Verletzung von Art 4 4. ZPEMRK.
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Entscheidungsdatum: 13.02.2020
Aufbereitet am: 04.03.2020
2014
Fehlende Qualifikation eines universitären Bescheides als Aufnahmebestätigung iSd NAG-DV
Leitsätze
I. Die Formulierung, dass die Fremde "das Recht" habe, unmittelbar zum Vorstudienlehrgang als außerordentliche Studierende "zugelassen zu werden", stellt keine Zulassung dar. II. Die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung muss dieser Partei nicht vor der Erlassung des Erkenntnisses zur Kenntnis gebracht werden. III. Für einen Kurzaufenthalt zur Absolvierung einer Aufnahmeprüfung für ein kapazitätsmäßig beschränktes Studium ist es nicht erforderlich, einen - grundsätzlich zwölf Monate geltenden - Aufenthaltstitel zu erteilen; dafür genügt ein Visum.
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Entscheidungsdatum: 10.12.2019
Aufbereitet am: 03.03.2020
2013
Aufenthaltsrecht des Familienzusammenführenden keine Vorfrage, sondern Tatbestandsvoraussetzung
Leitsätze
I. § 38 AVG ist gemäß § 17 VwGVG auch im Verfahren vor dem VwG maßgeblich. § 38 AVG erfasst nur Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären. II. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Familienzusammenführung setzt voraus, dass der Zusammenführende über ein in § 46 Abs 1 NAG näher konkretisiertes Aufenthaltsrecht verfügt. Die Frage, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, kann aber schon keine Aussetzung nach § 38 AVG nach sich ziehen, wenn das LVwG selbst feststellte, dass der Vater der Fremden über keinen Aufenthaltstitel verfügt; es wurde auch kein anderer Familienangehöriger namhaft gemacht, der die Voraussetzungen nach § 46 Abs 1 NAG erfüllt. Für die Beurteilung nach dieser Bestimmung ist nicht relevant, ob dem zusammenführenden Vater allenfalls in der Zukunft ein solcher Aufenthaltstitel erteilt werden könnte. Folglich sind die Voraussetzungen für ein Aussetzen des Verfahrens gemäß § 38 AVG nicht gegeben.
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Entscheidungsdatum: 10.12.2019
Aufbereitet am: 02.03.2020
2012
Sichtvermerksabkommen Österreich - Republik Korea und Niederlassungsrecht
Leitsätze
I. Ein Fremder, der sich in Österreich niederlassen will, benötigt einen Aufenthaltstitel. Dies gilt auch für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zu einem bestimmten Zweck. Die Fremde stellte während ihres erstmaligen Aufenthalts in Österreich einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Studierende". Daraus ergibt sich, dass sie jedenfalls ab diesem Zeitpunkt beabsichtigte, sich in Österreich zum Zweck eines Studiums länger als sechs Monate im Bundesgebiet aufhalten zu wollen. Sie benötigt daher einen Aufenthaltstitel. II. An dem Erfordernis eines Aufenthaltstitels und an der daraus abzuleitenden Rechtswidrigkeit des Aufenthalts der Staatsangehörigen Koreas in Österreich nach Ablauf der Frist von neunzig Tagen können auch (kurzfristige) Unterbrechungen des inländischen Aufenthalts nichts ändern. Daraus ergibt sich, dass sich die Fremde nur insoweit auf das zwischenstaatliche Abkommen von 1979 berufen kann, als der visumfreie Aufenthalt von neunzig Tagen nicht überschritten wird, wobei bloß kurzfristige Auslandsaufenthalte die Berechnung der Aufenthaltsdauer im Inland nicht unterbrechen. Eine Konstellation, in der ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zulässigerweise im Inland gestellt worden ist, fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des § 21 Abs 1 und 3 NAG, allerdings ist der Versagungsgrund nach § 11 Abs 1 Z 5 NAG verwirklicht, wenn die Fremde den Antrag noch zulässigerweise im Inland gestellt, dann aber die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes überschritten hat.
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Entscheidungsdatum: 14.11.2019
Aufbereitet am: 26.02.2020
2011
Zur Prüfung der Verletzung der von Art 3 EMRK geschützten Rechte
Leitsätze
Es liegt eine Verkennung der Rechtslage vor, wenn die Prüfung der Verletzung der von Art 3 EMRK geschützten Rechte auf Akteure oder einen bewaffneten Konflikt eingeschränkt wird.
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Entscheidungsdatum: 04.12.2019
Aufbereitet am: 25.02.2020
2010
Gemeinnützige Hilfstätigkeiten von Asylwerbern
Leitsätze
§ 7 Abs 3 Z 2 GVG-B 2005 erfordert, dass die geleisteten Hilfstätigkeiten gemeinnützig zu sein haben. Beide Voraussetzungen - das Erbringen der Leistungen für die Gebietskörperschaft und die Gemeinnützigkeit der Hilfstätigkeiten - müssen kumulativ vorliegen.
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Entscheidungsdatum: 19.11.2019
Aufbereitet am: 24.02.2020
2009
Geringfügige Unterschreitung des Haushaltsrichtsatzes erfordert Einzelfallprüfung
Leitsätze
I. Bei einem geplanten gemeinsamen Haushalt ist unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG erreicht. II. Eine geringfügige Unterschreitung des erforderlichen Richtsatzes hat nicht jedenfalls zur Folge, dass der Aufenthalt der Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft iSd § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG 2005 führen könnte. III. Die Unterschreitung des vorgegebenen Mindesteinkommens darf nach der EuGH-Rsp nicht ohne konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben. Bei der so gebotenen individuellen Prüfung, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreitens der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist, ist der Umstand, dass der Richtsatz nur geringfügig unterschritten wird, ebenso beachtlich wie niedrige Mietkosten. IV. Einem Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltsrecht auch dann einzuräumen, wenn ansonsten ein (sich aktuell nicht im Gebiet der EU aufhaltender) Unionsbürger daran gehindert wäre, seinen Aufenthalt im Gebiet der Union zu nehmen.
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Entscheidungsdatum: 08.10.2019
Aufbereitet am: 19.02.2020
2008
Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel nicht anrüchig
Leitsätze
I. Bei einer gemeinsamen Haushaltsführung von Ehegatten ist nach stRsp zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG erreicht. Die Existenz des zusammenführenden Ehegatten ist dabei gesichert, wenn dem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaar der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG zur Verfügung steht. II. Einer Fremden kann nicht zur Last gelegt werden, wenn sie sich um die Erfüllung der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen bemüht und für den Nachweis der Unterhaltsmittel eine Erwerbstätigkeit aufnimmt. III. Bei Fehlen einer allgemeinen Erteilungsvoraussetzung ist - auch im Fall eines Zweckänderungsantrages - nach § 25 NAG vorzugehen.
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Entscheidungsdatum: 08.10.2020
Aufbereitet am: 18.02.2020