Leitsätze
1930
Abbau von Hemmschwellen durch Einvernahme durch Organwalter desselben Geschlechts zur umfassenden Sachverhaltsermittlung
Leitsätze
I. Wenn eine Beschwerdeführerin vorbringt, vergewaltigt worden zu sein, ist sie von einer Organwalterin einzuvernehmen. Allgemein sind Vergewaltigungsopfer von einem Organwalter desselben Geschlechts einzuvernehmen, es sei denn der Asylwerber verlangt es anders. Von dieser Möglichkeit ist der Asylwerber nachweislich in Kenntnis zu setzen. II. Die Einvernahme durch einen Organwalter desselben Geschlechts soll den Abbau von Hemmschwellen bei der Schilderung von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung bewirken und damit eine umfassende Ermittlung des Sachverhalts gewährleisten.
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Entscheidungsdatum: 28.08.2015
Aufbereitet am: 26.09.2019
1929
Freizügigkeit für Angehörige von österreichischem Staatsbürger?
Leitsätze
I. Das BFA hat im fortgesetzten Verfahren festzustellen, ob der Ehegatte der Beschwerdeführerin - aufgrund seiner Tätigkeit in Ungarn - sein Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat und somit auch bei einer Rückkehr in das bzw einem Aufenthalt im Bundesgebiet dieses der Ehegattin samt Kinder zugute kommt und sie sich somit rechtmäßig aufhalten. Wäre dies der Fall, dann wäre die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig. II. Das Fehlen eines Aufenthaltstitels kann keinesfalls als Argument für die Verneinung eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK herangezogen werden.
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Entscheidungsdatum: 03.04.2019
Aufbereitet am: 25.09.2019
1928
Homosexualität in der Russischen Föderation
Leitsätze
Es ist zu prognostizieren, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in die Russische Föderation als Person, der eine staatsfeindliche Gesinnung unterstellt wird und die bereits in der Vergangenheit deshalb eingesperrt und iVm ihrer Homosexualität körperlich misshandelt worden ist, mit hoher Wahrscheinlichkeit Eingriffen von erheblicher Intensität ausgesetzt sein wird.
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Entscheidungsdatum: 03.04.2019
Aufbereitet am: 24.09.2019
1927
Lange Verfahrensdauer rechtfertigt keine Beschaffung von Ersatzreisedokumenten schon vor der rechtskräftigen Aufenthaltsbeendigung
Leitsätze
Der pauschale Hinweis auf die generell lange Dauer eines Verfahrens zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist kein einzelfallbezogener Grund, der dem grundsätzlich gebotenen Abwarten des rechtskräftigen Verfahrensausgangs entgegensteht.
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Entscheidungsdatum: 04.04.2019
Aufbereitet am: 23.09.2019
1926
Ausstellung eines Heimreisezertifikates nicht absehbar – Schubhaft unzulässig
Leitsätze
Kann vom BFA seit 2009, und trotz laufender Urgenzen, weder ein Interviewtermin vor einer Delegation der marokkanischen Vertretungsbehörde, noch die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer erreicht werden, so ist von der Unzulässigkeit einer Schubhaftnahme auszugehen. Bei einer Verfahrensdauer von fast 10 Jahren ist nicht absehbar, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer die Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgen wird.
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Entscheidungsdatum: 16.05.2019
Aufbereitet am: 19.09.2019
1925
Verfahren betreffend mehrere Familienangehörige gemäß § 34 Abs 4 AsylG 2005 sind nicht zwingend gemeinsam zu führen
Leitsätze
Es besteht keine Pflicht zur Führung eines gemeinsamen Verfahrens bei sich in unterschiedlichen Stadien befindlichen Verfahren von Familienangehörigen, wenn eine zeitliche Nähe der verschiedenen Verfahren gewährleistet ist.
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Entscheidungsdatum: 07.03.2019
Aufbereitet am: 18.09.2019
1924
Ungültigkeit einer im Ausland geschlossenen Ehe, die in Widerspruch zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung steht
Leitsätze
I. Entsprechend der Judikatur des EGMR besteht keine Verpflichtung, Eheschließungen auf Grundlage fremder Rechtsordnungen anzuerkennen, soweit diese den Grundwerten der nationalen Rechtsordnung widersprechen. II. Da das Vorliegen einer Kinderehe eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung widerspricht, hat diese Ehe in Österreich keinen Rechtsbestand und somit keine Gültigkeit.
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Entscheidungsdatum: 22.05.2019
Aufbereitet am: 17.09.2019
1923
Rechtmäßigkeit der Schubhaft bei manifestierter mangelnder Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers
Leitsätze
Die offenkundige, mehrfach manifestierte mangelnde Kooperationsbereitschaft lässt den Schluss zu, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden kann und stattdessen das für die Verhängung der Schubhaft notwendige Kriterium der ultima ratio gegeben ist.
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Entscheidungsdatum: 20.05.2019
Aufbereitet am: 16.09.2019
1922
Verletzung der Sorgfaltspflicht mangels Vorliegens eines wirksamen Kontrollsystems innerhalb der Organisation der Rechtsvertretung
Leitsätze
I. Ein Rechtsvertreter hat durch entsprechende Kontrollen dafür vorzusorgen, dass Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind. II. Der Vertreter verstößt demnach gegen die ihm obliegende Sorgfaltspflicht, wenn er weder im Allgemeinen noch im Besonderen (wirksame) Kontrollsysteme vorgesehen hat, die geeignet sind, im Falle menschlichen Versagens Fristversäumungen auszuschließen.
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Entscheidungsdatum: 23.05.2019
Aufbereitet am: 12.09.2019
1921
Mangelnde Angehörigeneigenschaft aufgrund mit dem ordre public-Grundsatz unvereinbarer Umstände der Eheschließung (zB gefälschte Dokumente)
Leitsätze
I. Die im syrischen Eherecht vorgesehene rückwirkende Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung verstößt für sich gesehen nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung. II. Traditionell-muslimisch geschlossene syrische Ehen, die nachfolgend registriert werden, sind daher grundsätzlich rückwirkend als rechtsgültig anzusehen, sofern keine sonstigen, dem ordre public widersprechenden Umstände, gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen.
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Entscheidungsdatum: 24.05.2019
Aufbereitet am: 11.09.2019
1920
Unverhältnismäßigkeit der Festnahme zur Sicherung der Außerlandesbringung bei fortdauernder Unterbringung nach den Bestimmungen des UbG
Leitsätze
Sämtliche Ermächtigungen zur Festnahme nach § 34 BFA-VG sind im Hinblick auf die Bestimmungen des PersFrBVG nur unter der Bedingung der Notwendigkeit für die Rechtsdurchsetzung und -sicherung auszuüben, wobei im konkreten Einzelfall überdies die Verhältnismäßigkeit zu wahren bleibt.
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Entscheidungsdatum: 23.01.2019
Aufbereitet am: 10.09.2019
1919
Rechtmäßige Einreise: Aufenthalts- und Reisedokumente eines anderen Mitgliedstaats nur eine von mehreren Voraussetzungen
Leitsätze
Art 21 Abs 1 SDÜ 1990, dessen "Geltung" im Zusammenhang mit § 31 Abs 1 Z 3 FPG ausdrücklich angeordnet wird, ist bei der Auslegung dieser Bestimmung einzubeziehen. Einem Fremden als Inhaber eines Aufenthaltstitels eines (anderen) Mitgliedsstaates und Inhaber eines gültigen Reisepapieres kommt nur unter den weiteren Voraussetzungen des Art 21 Abs 1 SDÜ 1990 ein Einreise- und Aufenthaltsrecht in Österreich zu.
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Entscheidungsdatum: 07.03.2019
Aufbereitet am: 09.09.2019
1918
Subsidiärer Schutz bei Art 3 EMRK-Verletzung ohne Akteur
Leitsätze
Dem nationalen Gesetzgeber ist es - auch unter Berufung auf Art 3 der Status-RL - verboten, Bestimmungen zu erlassen oder beizubehalten, die einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuerkennen.
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Entscheidungsdatum: 21.05.2019
Aufbereitet am: 04.09.2019
1917
Zur Interessenabwägung bei untauglicher Haftungserklärung
Leitsätze
I. Für die Frage der Existenzsicherung eines Zusammenführenden, der eine Haftungserklärung nach § 47 Abs 3 NAG abgibt, ist bei einer gemeinsamen Haushaltsführung von Ehegatten zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG erreicht; auf das Existenzminimum des § 291a EO ist in einer solchen Konstellation nicht Bedacht zu nehmen. II. Die Existenz des zusammenführenden Ehegatten ist gesichert, wenn dem im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehepaar der Richtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit aa ASVG zur Verfügung steht und das restliche Haushaltseinkommen zur Unterhaltsleistung an den Nachziehenden - dem der Einzelrichtsatz nach § 293 Abs 1 lit a sublit bb ASVG zur Verfügung stehen muss - verwendet wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass als Zusammenführender ein Ehegatte allein fungiert und nur dieser nach § 47 Abs 3 letzter Satz NAG eine Haftungserklärung abzugeben hatte, sofern es keine Anhaltspunkte gibt, dass kein Konsens zwischen den Ehegatten bestehen könnte, mit dem den "Haushaltsrichtsatz" übersteigenden Einkommen den Nachziehenden zu unterstützen. III. Die Ersparnisse sind auf jenen Zeitraum anzurechnen, für den der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen ist, verleiht doch das NAG - mit Ausnahme des Aufenthaltstitels "Daueraufenthalt - EU" - nur befristete Rechtspositionen, bei denen die Neubewertung der jeweiligen finanziellen Situation in einem allfälligen Verlängerungsverfahren möglich ist. Folglich ist für die aliquote Anrechnung der Ersparnisse mit Blick auf § 20 Abs 1 NAG auf einen Beurteilungszeitraum von zwölf Monaten abzustellen und nicht auf die im § 2 Abs 1 Z 15 NAG vorgesehene Gültigkeitsdauer der Haftungserklärung von fünf Jahren. IV. Bei der Prüfung der Tragfähigkeit einer Haftungserklärung handelt es sich um eine Prüfung des Vorhandenseins ausreichender Unterhaltsmittel iSd § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG. Folglich ist eine Interessenabwägung nach § 11 Abs 3 NAG sehr wohl vorzunehmen, wenn die Antragsabweisung (ungeachtet der Bezugnahme allein auf das in § 47 Abs 3 NAG normierte Erfordernis des Vorliegens einer Haftungserklärung) der Sache nach auf § 11 Abs 2 Z 4 iVm Abs 5 NAG - danach bestimmt sich allein die Tragfähigkeit der Haftungserklärung - gestützt wird.
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Entscheidungsdatum: 01.04.2019
Aufbereitet am: 03.09.2019
1916
Zur Berücksichtigung der Minderjährigkeit bei der Bewertung der Rückkehrsituation
Leitsätze
Im Hinblick auf die Beurteilung der Rückkehrsituation hat eine Berücksichtigung der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers zu erfolgen. Tätigt die Behörde keine spezifischen Ermittlungen vor diesem Hintergrund, sondern nimmt lediglich allgemeine, wenig konsistente Ausführungen in den Bescheid auf, so ist von einer Mangelhaftigkeit iSd § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 11.04.2019
Aufbereitet am: 02.09.2019
1915
Familienbeihilfe ist nicht in die Berechnung der "ausreichenden finanziellen Mittel" einzubeziehen
Leitsätze
I. Bei einem geplanten gemeinsamen Haushalt ist unter Berücksichtigung der zu versorgenden Personen zu prüfen, ob das Haushaltsnettoeinkommen den "Haushaltsrichtsatz" nach § 293 Abs 1 ASVG erreicht. In solchen Fällen ist auf das Existenzminimum des § 291a EO nicht Bedacht zu nehmen. II. Die Familienbeihilfe ist als Betreuungshilfe gedacht, die ausschließlich für jene Person, für die sie bezahlt wird, zu verwenden ist. Über die Familienbeihilfe kann daher nicht frei verfügt werden, sondern sie ist den Kindern für deren Unterhalt bzw Pflege zuzuwenden. Der mit dem FamLAG 1967 verfolgte Zweck liegt in einem Beitrag zu den mit der Versorgung, Erziehung und Berufsausbildung von Kindern verbundenen Lasten durch die öffentliche Hand. III. Das Kinderbetreuungsgeld ist als ein bei der Berechnung des "Haushaltseinkommens" nach § 11 Abs 5 NAG 2005 zu berücksichtigender Einkommensbestandteil zu qualifizieren - was damit zu begründen ist, dass es jenen Eltern(teilen) zustehen soll, die bereit sind, die Berufstätigkeit im Hinblick auf die Kinderbetreuung einzuschränken oder ganz aufzugeben; diese Begründung ist jedoch nicht auf die Familienbeihilfe, die andere Zwecke verfolgt, übertragbar. Die Familienbeihilfe hat vielmehr bei der Prüfung des Nachweises ausreichender Unterhaltsmittel für einen Fremden außer Betracht zu bleiben. IV. Der EuGH (4.4.2020, C-578/08, Chakroun) hat entschieden, dass die Unterschreitung eines vorgegebenen Mindesteinkommens nicht ohne konkrete fallbezogene Prüfung der Situation des einzelnen Antragstellers die Ablehnung der Familienzusammenführung zur Folge haben darf. Es ist daher eine individuelle Prüfung im jeweiligen Einzelfall dahingehend geboten, ob der Lebensunterhalt trotz Unterschreitens der gesetzlich normierten Richtsätze gesichert ist. Dabei ist insb auch beachtlich, wenn der maßgebliche Richtsatz nur geringfügig unterschritten wird (vgl VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0186; 2009/21/0002; 19.11.2014, 2013/22/0009).
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Entscheidungsdatum: 29.03.2019
Aufbereitet am: 28.08.2019
1914
Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt schließt für türkische Staatsbürger Aufenthaltsrecht der Kinder ein
Leitsätze
I. Familienangehörige eines türkischen Arbeitnehmers können gemäß Art 7 Abs 1 ARB 1/80 zunächst die Genehmigung erhalten, zum Zweck der Familienzusammenführung zu dem Arbeitnehmer zu ziehen; Kinder, die bereits im Aufnahmemitgliedstaat geboren wurden und stets dort lebten, sind ebenfalls vom Anwendungsbereich des Art 7 ARB 1/80 erfasst, ohne dass sie eine Erlaubnis benötigen, um zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen (vgl EuGH 11.11.2004, C-467/02, Cetinkaya). II. Das System des schrittweisen Erwerbs von Rechten nach Art 7 Abs 1 ARB 1/80 dient einem doppelten Zweck. Erstens sollen nach der genannten Vorschrift bis Ablauf des ersten Zeitraums von drei Jahren Familienangehörige des Wanderarbeitnehmers die Möglichkeit erhalten, bei diesem zu leben, um so durch Familienzusammenführung die Beschäftigung und den Aufenthalt des türkischen Arbeitnehmers, der sich bereits ordnungsgemäß in den Aufnahmemitgliedstaat integrierte, zu begünstigen. Zweitens soll diese Vorschrift eine dauerhafte Eingliederung der Familie des türkischen Wanderarbeitnehmers im Aufnahmemitgliedstaat fördern, indem dem betroffenen Familienangehörigen nach drei Jahren ordnungsgemäßen Wohnsitzes selbst der Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglicht wird (vgl EuGH 22.12.2010, C-303/08, Bozkurt). III. Die ordnungsgemäßen Wohnsitzzeiten von bestimmter Dauer iSd Art 7 ARB 1/80 setzen zwangsläufig voraus, dass die Familienangehörigen eines türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, im Aufnahmemitgliedstaat zu ihm ziehen, während dieser Zeiten ein Aufenthaltsrecht haben; denn mit der Verweigerung eines solchen Rechts würde die den Betroffenen eröffnete Möglichkeit, im Gebiet des Mitgliedstaats ihren Wohnsitz zu haben, gerade verneint. Außerdem wäre die den betroffenen Familienangehörigen gewährte Genehmigung, im Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu dem türkischen Arbeitnehmer zu ziehen, ohne Aufenthaltsrecht völlig wirkungslos (vgl EuGH 17.4.1997, C-351/95, Kadiman). IV. Eine Familienzusammenführung ist ein unerlässliches Mittel zur Ermöglichung des Familienlebens türkischer Erwerbstätiger, die dem Arbeitsmarkt der Mitgliedstaaten angehören, und sowohl zur Verbesserung der Qualität ihres Aufenthalts als auch zu ihrer Integration in diesen Staaten beiträgt. Auf die Entscheidung eines türkischen Staatsangehörigen, sich in einem Mitgliedstaat niederzulassen, um dort dauerhaft einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, kann es sich nämlich negativ auswirken, wenn die Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats die Familienzusammenführung erschweren oder unmöglich machen und sich der türkische Staatsangehörige deshalb unter Umständen zu einer Entscheidung zwischen seiner Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat und seinem Familienleben in der Türkei gezwungen sehen kann (vgl EuGH 10.7.2014, C-138/13, Dogan). V. Die sozialen Bestimmungen des ARB 1/80, zu denen Art 7 Abs 1 gehört, bilden einen weiteren durch die Art 45 AEUV, 46 AEUV und 47 AEUV geleiteten Schritt zur Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer. Es müssen daher die im Rahmen dieser Artikel geltenden Grundsätze so weit wie möglich auf die türkischen Arbeitnehmer, die die in diesem Beschluss eingeräumten Rechte besitzen, übertragen werden (vgl EuGH 19.7.2012, C-451/11, Dülger; EuGH 23.1.1997, C-171/95, Tetik; EuGH 17.4.1997, C-351/95, Kadiman).
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Entscheidungsdatum: 31.01.2019
Aufbereitet am: 27.08.2019
1913
"Ipso facto"-Schutz infolge Wegfalls des Beistands der UNRWA
Leitsätze
Der "ipso-facto" Schutz nach der StatusRL bewirkt insofern eine Privilegierung, als für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten keine Verfolgung aus den in Art 1 Abschnitt A GFK genannten Gründen glaubhaft zu machen ist, sondern nur, dass sie erstens unter dem Schutz der UNRWA gestanden sind und zweitens, dass dieser Beistand aus "irgendeinem Grund" weggefallen ist.
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Entscheidungsdatum: 24.09.2018
Aufbereitet am: 27.08.2019
1912
Teilnahme bzw aktive Beteiligung an einer Veranstaltung der Gruppe "IMAN"
Leitsätze
Alleine die Tatsache, dass der Beschwerdeführer an angemeldeten Versammlungen der "IMAN" teilnahm und im Zuge dieser Versammlungen Flyer verteilte, reicht für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes iSd § 67 Abs 1 FPG 2005 nicht aus. Es gilt zu ermitteln, ob der Beschwerdeführer bei den Versammlungen selbst zu Gewalt aufrief oder durch hetzerische Aufforderungen die nationale Sicherheit gefährdete oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigte oder dafür geworben hat. Erst anhand der Ergebnisse dieser Ermittlungen kann geprüft werden, ob der Beschwerdeführer aufgrund seines persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdete.
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Entscheidungsdatum: 15.03.2019
Aufbereitet am: 26.08.2019
1911
Unterstellte Fluchtgefahr trotz bisherigen Wohlverhaltens
Leitsätze
I. Das BFA begründet die angenommene Fluchtgefahr im Kern mit zwei Kriterien (Missachtung der Ausreiseverpflichtung und Kenntnis vom Abschiebetermin), die für diese Einschätzung entsprechend der geltenden Rechtslage und der Judikatur des VwGH nicht herangezogen werden dürfen. II. Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, dh das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. III. Dass das BFA seine (nicht haltbare) Annahme des Vorliegens "massivster" Fluchtgefahr auf die fehlende Ausreisewilligkeit und die Kenntnis vom Abschiebetermin stützt, ergibt sich auch daraus, dass das Bundesamt eine Abschiebung des Beschwerdeführers erst vier Monate nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise in Aussicht genommen und ursprünglich keinerlei Notwendigkeit einer Sicherungsmaßnahme gesehen hat. IV. Darüber hinaus stellt es anders als in der Bescheidbegründung angegeben keine fehlende "Kooperation im Verfahren" dar, wenn einer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen wird. Immerhin ist das Verfahren zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen. Noch weniger trifft es zu, wenn sich die betroffene Person in dieser Zeit stets im zugewiesenen Quartier aufhält und ohnehin für allfällige Maßnahmen problemlos greifbar ist. Damit kann auch ein Umgehen oder Behindern der Abschiebung nicht vorliegen. V. Wenn sich der Fremde bis zuletzt stets wohlverhalten und bis zu seiner Festnahme im zugewiesenen Quartier der Grundversorgung aufgehalten hat, nirgendwo ein Fehlverhalten verzeichnet ist und der Fremde ausdrücklich erklärt, er wolle lediglich die Zeit bis zur Abschiebung wieder in seinem Quartier verbringen, muss im Zweifel von einem fortgesetzten Wohlverhalten des Fremden ausgegangen und das geringe Risiko eines Untertauchens in Kauf genommen werden. VI. Die Berücksichtigung des Vorverhaltens ist keine "Einbahnstraße". Es ist daher auch positives Vorverhalten entsprechend zu berücksichtigen und nicht mit Floskeln oder Unterstellungen vom Tisch zu wischen.
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Entscheidungsdatum: 08.07.2019
Aufbereitet am: 23.08.2019