Leitsätze
2931
Behebung einer Entscheidung, die eine Trennung der Mutter von ihrem einjährigen Kind zur Folge hatte
Leitsätze
I. Zwar ist beim Kindeswohl keine absolute Priorisierung gefordert, jedoch ist es bei allen – Kinder betreffende – Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen vorrangig zu beachten. So greift eine Entscheidung in das Kindeswohl – selbst dann, wenn sich diese nicht direkt gegen das Kind richtet – ein, wenn die Entscheidung eine Trennung des (hier: einjährigen) Kindes von dessen Mutter zur Folge hat. II. Hat eine Entscheidung die Trennung einer Mutter von ihrem kleinen Kind (und ihrem in Österreich lebenden, asylberechtigten Ehemann) zur Folge, so haben die öffentlichen Interessen an einem geordneten Asylsystem im Rahmen der Interessenabwägung zurückzutreten.
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Entscheidungsdatum: 30.06.2023
Aufbereitet am: 26.02.2024
2930
Offenkundige Versehen berechtigen nicht zur Beschwerdezurückweisung
Leitsätze
I. Der VwGH hat in seiner Rsp zu § 63 Abs 3 AVG festgehalten, dass die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (nur) in der Weise zu erfolgen hat, die es ermöglicht, unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB den angefochtenen Bescheid zu erkennen und jede Verwechslung darüber auszuschließen; keinesfalls sollte damit ein übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden. Gleiches gilt sinngemäß für § 9 Abs 1 Z 1 VwGVG. II. Bei der Angabe der im Hinblick auf eine fehlende Ziffer falschen Geschäftszahl handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, welches eine eindeutige Zuordnung der Beschwerde zum bekämpften Bescheid nicht hindert. III. Wenn aus dem Inhalt einer Beschwerde erschließbar ist, welcher konkrete Bescheid bekämpft werden soll, ist auch eine Bezugnahme auf einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel als offenkundiges Versehen zu werten. IV. Selbst wenn das LVwG Zweifel an der Zuordenbarkeit der Beschwerde haben hätte können, wäre eine Zurückweisung ohne vorhergehende Verbesserungsmöglichkeit gemäß § 13 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG nicht rechtmäßig gewesen, weil das LVwG lediglich bei eindeutigen Prozesserklärungen an diese gebunden ist.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 23.02.2024
2929
Anspruch auf Pflegegeld für Vertriebene
Leitsätze
Personen, die vorübergehenden Schutz nach der Massenzustrom-RL genießen, zählen zu dem gemäß § 3a Abs 2 Z 1 BPGG erfassten Personenkreis und haben daher bei Erfüllung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen einen Anspruch auf Pflegegeld.
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Entscheidungsdatum: 22.08.2023
Aufbereitet am: 22.02.2024
2928
Kein Recht auf Unterhaltsvorschuss für lange vor Kriegsausbruch aufhältiges ukrainisches Kind
Leitsätze
Ein minderjähriges Kind mit Staatsangehörigkeit eines Staates, in dem derzeit Krieg herrscht, hat keinen Anspruch auf Unterhaltsvorschüsse gemäß § 2 Abs 1 UVG, wenn es seinen Wohnsitz bereits lange vor Kriegsausbruch in Österreich hatte und es im Beurteilungszeitpunkt über einen aufrechten Aufenthaltstitel nach § 8 Abs 1 Z 2 iVm § 41a NAG ("Rot-Weiß-Rot-Karte plus") verfügt, ohne dass konkrete Anhaltspunkte für eine Rückkehrabsicht in das im Kriegszustand befindliche Heimatland bestanden hätten.
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Entscheidungsdatum: 22.08.2023
Aufbereitet am: 21.02.2024
2927
Zugang zu einem rechtsstaatlichen Asylverfahren in Bulgarien?
Leitsätze
I. Werden der Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz ausführliche und aktuelle Feststellungen zum Asylsystem eines Staats (Länderberichte) zugrunde gelegt, so ist davon auszugehen, dass es sich dabei um verlässliche und unzweifelhafte Quellen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen handelt. Die für die Erstellung der Staatendokumentation zuständigen Stellen sind zur Objektivität verpflichtet und unterliegen der Beobachtung eines Beirats. II. Eine Versorgung und Unterbringung von Asylwerbern auf einem niedrigen Niveau lassen nicht per se auf systemische Mängel im Asylsystem schließen. III. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer Außerlandesbringung sind stets aktuelle Länderberichte heranzuziehen. Äußert etwa ein Höchstgericht Bedenken betreffend den Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren oder das Risiko einer Kettenabschiebung (hier: VfGH 15.3.2023, E2944/2022 zum bulgarischen Asylsystem mit Bezug auf die Länderberichte vom 13.6.2022), so sind bei Vorhandensein neue, aktuelle Länderberichte einer Entscheidung zugrunde zu legen (zu Bulgarien: Länderberichte vom 17.5.2023) und es ist zu ermitteln, ob derartige Bedenken weiterhin bestehen oder ob diese in der Zwischenzeit bereits ausgeräumt werden konnten.
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Entscheidungsdatum: 27.07.2023
Aufbereitet am: 20.02.2024
2926
Verhältnismäßigkeit der Schubhaft wegen Missachtung der Meldeverpflichtung
Leitsätze
I. Kommt eine fremde, illegal aufhältige Person ihrer Meldeverpflichtung nicht nach und ignoriert sie zB einen Ladungsbescheid, so ist aus diesem Verhalten abzuleiten, dass die Gefahr des Untertauchens besteht. In einer derartigen Konstellation erfüllen gelindere Mittel iSd § 77 FPG grds nicht den gleichen Zweck wie eine angeordnete Schubhaft. II. Die Verhinderung von Schwarzarbeit stellt ein derartig großes öffentliches Interesse dar, dass bereits die Ausübung von Schwarzarbeit durch einen illegal aufhältigen Fremden die Notwendigkeit der Schubhaftverhängung zur Sicherung eines voraussichtlich zu verhängenden Aufenthaltsverbots begründen kann.
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Entscheidungsdatum: 31.07.2023
Aufbereitet am: 19.02.2024
2925
Keine Bedenken gegen § 88 FPG (Voraussetzungen für die Ausstellung von Fremdenpässen)
Leitsätze
I. Art 2 4. ZPEMRK (Freizügigkeit rechtmäßig aufhältiger Fremder) verpflichtet die Vertragsstaaten nicht allgemein zur Ausstellung bestimmter Dokumente, mit denen Auslandsreisen unternommen werden können. II. Folglich bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 88 FPG mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten für die Ausstellung von Fremdenpässen.
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Entscheidungsdatum: 02.10.2023
Aufbereitet am: 16.02.2024
2924
Nichtbescheid wegen fehlender charakteristischer Merkmale der Unterschrift
Leitsätze
Damit einem als "Bescheid" bezeichneten Schriftstück auch Bescheidqualität zukommt, hat die Unterschrift – neben den weiteren Voraussetzungen betreffend einen Bescheid – bestimmte Merkmale aufzuweisen. Sie muss ein Buchstabengebilde und damit einen individuellen Schriftzug in einer üblichen Schrift darstellen, aus welchem Dritte, die den Namen des Unterzeichneten kennen, den Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen können. Ein völlig abstrakter, schlaufen- und wellenförmiger Schriftzug oder eine Paraphe ist nicht als Unterschrift zu qualifizieren.
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Entscheidungsdatum: 07.09.2023
Aufbereitet am: 15.02.2024
2923
Aberkennung des subsidiären Schutzes und Unzulässigkeit der Abschiebung
Leitsätze
I. Im Falle eines illegalen Aufenthalts einer fremden Person ist selbst dann, wenn die Abschiebung per se unzulässig ist, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Bei Änderung der relevanten Sachlage betreffend die (Un-)Zulässigkeit einer Abschiebung ist von der Behörde ein neuer Bescheid (Rückkehrentscheidung mit Ausspruch der Zulässigkeit nach § 52 Abs 9 FPG) zu erlassen. Durch diese neue Feststellung erlischt das Verbot der Abschiebung. Damit wird dem Ziel der Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) – wirksame Rückführung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen – entsprochen. II. Wird von einer fremden Person ein Tatbestand iSd § 9 AsylG (zB rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens) verwirklicht, so hat von Amts wegen eine Aberkennung des Status der subsidiären Schutzberechtigung zu erfolgen. Zudem ist diese Aberkennung nach § 9 Abs 4 AsylG mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. III. Vor der Erlassung einer Rückkehrentscheidung hat eine Interessenabwägung stattzufinden. Geht von einer fremden Person eine Gefahr aus (zB da diese Person bereits mehrmals rechtskräftig verurteilt wurde), so ist das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung erheblich erhöht. In einem derartigen Fall ist eine Rückkehrentscheidung grds auch dann gerechtfertigt, wenn die fremde Person bereits einen mehrjährigen (zum Teil rechtmäßigen) Aufenthalt im Bundesgebiet vorweisen kann.
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Entscheidungsdatum: 03.01.2023
Aufbereitet am: 14.02.2024
2922
Missbräuchliche Stellung eines Asylantrages als Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit; zweijährig befristetes Einreiseverbot
Leitsätze
I. § 53 Abs 2 FPG enthält eine bloß beispielhafte Aufzählung an Umständen, derentwegen die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung durch Fremde angenommen werden kann. II. Ein rechtswidriger Aufenthalt alleine kann ein Einreiseverbot nicht rechtfertigen, solange nicht qualifizierte Verstöße gegen das Fremdenrecht, etwa gegen die Ausreiseverpflichtung, hinzukommen. III. Jedoch kann eine rechtsmissbräuchlich erfolgte Asylantragstellung sowohl dem Grunde nach als auch in der Höhe von zwei Jahren ein Einreiseverbot rechtfertigen. Für diese Beurteilung sind die Umstände der Antragstellung einer Einzelfallbeurteilung zu unterziehen.
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Entscheidungsdatum: 01.09.2023
Aufbereitet am: 13.02.2024
2921
Rückkehrentscheidung ohne aktuellen Aufenthalt im Bundesgebiet
Leitsätze
I. Ein aktueller Aufenthalt im Bundesgebiet stellt keine Voraussetzung für eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 FPG dar. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt festgestellt, ist die Rückkehrentscheidung auch anzuordnen, wenn sich der Drittstaatsangehörige bereits wieder außer Landes befindet und ein entsprechendes Verfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde. Andernfalls könnte eine, grundsätzlich 18 Monate ab Ausreise gültige, Rückkehrentscheidung (wie auch ein daran anknüpfendes Einreiseverbot) durch eine kurzfristige Ausreise vor Bescheiderlassung verhindert werden. II. Kann ein illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger kein gültiges Reisedokument vorlegen, so ist davon auszugehen, dass auch die Einreise unrechtmäßig erfolgte, weshalb die Einhaltung der Voraussetzungen des § 31 Abs 1 Z 1 FPG (Befristungen und Bedingungen des Einreisetitels oder Visumfreiheit) unerheblich ist. III. Wird ein Einreiseverbot auf § 53 Abs 2 Z 3 FPG gestützt, so genügt eine Anzeige wegen unrechtmäßigen Aufenthalts per se nicht für eine Erfüllung dieses Tatbestands. Vielmehr ist das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung oder eine entsprechende Gefährdungsprognose erforderlich. IV. Im Zusammenhang mit einem auf § 53 Abs 2 Z 7 FPG gestützten Einreiseverbot reicht allein der Fund von Arbeitsaufzeichnungen, einer Arbeitsweste oder Bargeld in der Wohnung des Drittstaatsangehörigen nicht aus, um von einem Verstoß gegen das AuslBG auszugehen.
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Entscheidungsdatum: 04.07.2023
Aufbereitet am: 12.02.2024
2920
Muss eine behauptete politische Überzeugung "grundlegend" sein?
Leitsätze
I. Eine "politische Überzeugung" iSd Art 10 Abs 1 lit e RL 2011/95/EU kann sich nicht nur in einer artikulierten "Meinung", sondern auch einer "Überzeugung" oder "Grundhaltung" manifestieren. II. Ausschlaggebend ist vor allem die Wahrnehmung der Verfolger, weniger die persönlichen Beweggründe des Antragstellers (Art 10 Abs 2 RL 2011/95/EU). Folglich kommt es nicht auf einen zu erreichenden Grad an Überzeugung an, etwa ob die Überzeugung "grundlegend" ist. Stattdessen genügt es, wenn der Antragsteller behauptet, er bringe diese Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung zum Ausdruck oder habe sie zum Ausdruck gebracht. Die Frage, ob die Furcht vor resultierenden Verfolgungshandlungen auch begründet ist, ist gesondert zu beurteilen. III. Aus Art 4 Abs 3 bis 5 RL 2011/95/EU ergibt sich, dass die Asylbehörden der Mitgliedstaaten eine umfassende und eingehende Prüfung aller relevanten Umstände betreffend die besonderen persönlichen Umstände dieses Antragstellers und der allgemeineren Gegebenheiten seines Herkunftslands, insbesondere der politischen, rechtlichen, justiziellen, historischen und soziokulturellen Aspekte, vorzunehmen haben, um zu ermitteln, ob der Antragsteller begründete Furcht vor einer persönlichen Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung hat, insb wegen der Überzeugung, die ihm die potenziellen Verfolger in seinem Herkunftsland zuschreiben könnten. Dabei haben die Behörden zwar auch das Ausmaß der Überzeugung sowie allfällige resultierende Aktivitäten zu berücksichtigen, dürfen aber nicht verlangen, dass die Überzeugung so tief verwurzelt ist, dass sie der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nicht mehr ablegen kann.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 09.02.2024
2919
Restriktiver Maßstab bei der Ausstellung von Fremdenpässen
Leitsätze
I. Die Ausstellung eines Fremdenpasses bedeutet einen massiven Eingriff in die Hoheitsrechte des Herkunftsstaates, weshalb diese nur unter der Prämisse erteilt werden können, dass sich Fremde zuerst an ihre Heimatvertretung hinsichtlich der Ausstellung von Reisedokumenten wenden müssen. II. Zudem erfordert die mit der Ausstellung eines Fremdenpasses verbundenen Verpflichtungen, welche an sich nur gegenüber Staatsbürgern eingegangen werden, einen restriktiven Maßstab.
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Entscheidungsdatum: 19.07.2023
Aufbereitet am: 08.02.2024
2918
Attestierung einer (positiven) Zukunftsprognose während laufender Verbüßung der Haftstrafe nicht möglich
Leitsätze
I. Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist daran zu messen, ob und wie lange er sich in Freiheit – sohin nach dem Vollzug einer Haftstrafe – wohlverhalten hat. II. Bei schweren Verbrechen nach dem SMG stehen weder ein langjähriger Aufenthalt in Österreich noch eine sonst vollkommene soziale Integration im Inland einem Aufenthaltsverbot entgegen.
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Entscheidungsdatum: 24.07.2023
Aufbereitet am: 07.02.2024
2917
Verhängung einer Rückkehrentscheidung bzw eines Einreiseverbotes bei begünstigten Drittstaatsangehörigen
Leitsätze
Gegen einen Aufenthaltsberechtigten hat im Bedarfsfall eine Ausweisung (anstatt einer Rückkehrentscheidung) bzw ein Aufenthaltsverbot (anstatt eines Einreiseverbotes) zu ergehen, solange keine rechtskräftige Feststellung nach § 54 Abs 7 NAG vorliegt.
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Entscheidungsdatum: 24.07.2023
Aufbereitet am: 06.02.2024
2916
Diplomatenausweise als Dokumentation eines "Aufenthaltstitels" im Sinne von Art 2 lit l und Art 12 Dublin III-VO
Leitsätze
I. Ein "Aufenthaltstitel" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO erfordert eine aktive Rolle des Mitgliedstaats, der einen mutmaßlichen solchen ausgestellt hat (konstitutives Element). II. Bereits, wenn ein Mitgliedstaat Diplomatenausweise in Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966, ausstellt, ist darin die Gewährung eines "Aufenthaltstitels" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO zu sehen. Schließlich bringt der Mitgliedstaat dadurch zum Ausdruck, dass er den Aufenthalt der Ausweisinhaber auf seinem Hoheitsgebiet akzeptiert und auf die Ausübung entgegenstehender Vorrechte als Empfangsstaat (vgl Art 4, Art 5 Abs 1, Art 9 und Art 10 des Wiener Übereinkommens) verzichtet.
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Entscheidungsdatum: 21.09.2023
Aufbereitet am: 05.02.2024
2915
Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung trotz Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz
Leitsätze
I. Kommt die fremde Person ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nach und erweist sich ein langjähriger Aufenthalt mangels Legalisierung als unrechtmäßig, so ist jedoch bei einer langen Aufenthaltsdauer (hier: 18 Jahre) davon auszugehen, dass der Bezug zum Herkunftsstaat weitgehend erloschen ist. Diese Annahme wird insb verstärkt, wenn die fremde Person auch keinen Kontakt zu im Herkunftsstaat lebenden Familienmitgliedern hat. II. Unter Umständen kann eine in Österreich über mehrere Jahre vorgenommene medizinische Behandlung die persönlichen Interessen der fremden Person am Verbleib in Österreich und damit am Unterbleiben einer Rückkehrentscheidung verstärken. Diesem Aspekt ist umso mehr Gewicht beizumessen, wenn die Gesundheitsversorgung im Herkunftsstaat als unzureichend einzustufen ist. III. Ist ein Antrag auf internationalen Schutz aufgrund von res iudicata zurückzuweisen, kann der begehrte Aufenthaltstitel nicht erteilt werden. Liegen jedoch besondere Gründe vor, wie beispielsweise ein dringendes Angewiesensein auf das österreichische Gesundheitssystem, so kommt eine Erteilung eines Aufenthaltstitels (hier etwa der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" gemäß § 55 Abs 2 AsylG) in Betracht.
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Entscheidungsdatum: 06.04.2023
Aufbereitet am: 02.02.2024
2914
Einberufung zum Wehrdienst in Syrien
Leitsätze
Aufgrund der mangelhaften Auseinandersetzung mit der Situation des Beschwerdeführers als Wehrdienstpflichtiger im Herkunftsstaat, wird der syrische Staatsangehörige im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt.
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Entscheidungsdatum: 04.10.2023
Aufbereitet am: 01.02.2024
2913
Konversion zum Christentum
Leitsätze
I. Der VwGH hat im Zusammenhang mit der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels bereits wiederholt erkannt, dass es den Anforderungen an eine schlüssige Beweiswürdigung nicht entspricht, wenn Erfahrungssätze angewendet werden, ohne deren unterstellte generelle Geltung näher zu begründen. II. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels muss eine (schlüssige) Beweiswürdigung auch den sehr persönlichen und daher unterschiedlichen Zugang verschiedener Menschen zu ihrem religiösen Glauben in Betracht ziehen. III. An das Wissen eines Asylwebers über den von ihm angenommenen Glauben bzw einzelne theologische Fragestellungen dürfen keine überzogenen Erwartungen geknüpft werden.
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Entscheidungsdatum: 05.09.2023
Aufbereitet am: 31.01.2024
2912
Homosexuelle Orientierung als Teil der Identität
Leitsätze
Von einem Asylwerber kann nicht erwartet werden, seine Homosexualität im Herkunftsstaat geheim zu halten, um eine Verfolgung zu vermeiden.
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Entscheidungsdatum: 12.09.2023
Aufbereitet am: 30.01.2024