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306
Keine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft wegen Erreichens der Volljährigkeit nach Antragstellung
LEITSATZ DES GERICHTS: Im Sinne einer verfassungskonformen Auslegung des staatsbürgerschaftsrechtlichen Erfordernisses der Minderjährigkeit ist zur Vermeidung von Zufälligkeiten oder manipulativen Umständen der Verfahren davon auszugehen, dass nach § 12 Abs 1 Z 3 iVm § 17 Abs 1 StbG für die spezifische Voraussetzung der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei der Staatsbürgerschaftsbehörde abzustellen ist.
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307
Illegaler Aufenthalt berechtigt für sich alleine nicht zur Inhaftnahme
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Für die Behandlung eines Vorabentscheidungsersuchens iSd Art 267 AEUV durch den EuGH im Eilverfahren (Art 107 EuGH-Verfahrensordnung) spricht neben der grundsätzlichen Eignung des Ersuchens (die gerade dann gegeben ist, sofern das gemeinsame europäische Asylsystem betroffen ist) insb ein Eingriff in die persönliche Freiheit eines Betroffenen. II. Die Stellung eines Asylantrags iSd erstmals postulierten Asylbegehrens muss formlos möglich sein (Art 7 Abs 1 RL 2013/32/EU). Es ist den Mitgliedstaaten (auch im Lichte des Art 18 GRC) nicht gestattet, dies illegal eingereisten/aufhältigen Drittstaatsangehörigen durch Unzulässigerklärung ihrer Anträge vorzuenthalten (etwa den genannten Drittstaatsangehörigen die Antragstellung nur ausnahmsweise nach behördlichem Ermessen zu erlauben). III. Zwar ist die Zuständigkeit für die öffentliche Ordnung und Sicherheit bei den Mitgliedstaaten verblieben (Art 72 AEUV). Unter Berufung auf diese Schutzgüter können die Mitgliedstaaten aber nicht Vorschriften im Anwendungsbereich des Unionsrechts der Prüfung in dessen Lichte entziehen. IV. Art 8 Abs 2 RL 2013/33/EU ermächtigt die mitgliedstaatliche Vollziehung nur nach Anstellung einer Einzelfallprüfung samt strikter Prüfung der Verhältnismäßigkeit zur Inhaftnahme von Asylwerbern; Abs 3 leg cit zählt die möglichen Haftgründe abschließend auf. V. Damit Art 8 Abs 3 lit e RL 2013/33/EU (arg "wenn dies aus Gründen der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung erforderlich ist") erfüllt ist, reicht der bloße Umstand der illegalen Einreise/des illegalen Aufenthalts des Betroffenen nicht aus. Eine undifferenzierte ex lege-Inhaftierung illegal eingereister/illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger ist sohin vom Unionsrecht nicht gedeckt.
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308
Gebot zur Ausstellung eines Reisedokuments für Kinder mit Unionsbürgerschaft aus gleichgeschlechtlichen Verbindungen
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Auch wenn Mitgliedstaaten gleichgeschlechtliche Elternschaften in ihrem nationalen Recht nicht anerkennen, müssen sie dies kraft vorrangigen Unionsrechts wenigstens insoweit tun, als es zur Achtung der Personenfreizügigkeit (Art 21 AEUV) vonnöten ist. II. Insb müssen die Mitgliedstaaten ihren minderjährigen Staatsangehörigen, auch wenn diese gleichgeschlechtliche Eltern haben, ein Reisedokument zur Verfügung stellen, das sie als Staatsangehörige ausweist (Art 4 Abs 3 RL 2004/38/EG). Ferner müssen beide Elternteile als zur Reise mit dem Kind berechtigt ausgewiesen werden. III. Eine nationale Regelung, die geeignet ist, die Ausübung der Personenfreizügigkeit (Art 20 Abs 2 lit a, Art 21 AEUV) zu beschränken, kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie mit der GRC im Einklang steht.
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309
Ausweisung einer mit einem Norweger verheirateten Mutter von vier Kindern aufgrund jahrelanger falscher Angaben über ihre Herkunft
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die nationalen Behörden müssen vor einer Ausweisung deren Auswirkungen auf das Familienleben und insb auf die betroffenen Kinder sorgfältig prüfen und ihre Entscheidung unter Bezugnahme auf die Standards der EMRK eingehend begründen. Wenn diesen Anforderungen entsprochen wurde, ersetzt der EGMR ihre Einschätzung nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe durch seine eigene. II. Es besteht ein schwerwiegendes öffentliches Interesse daran, die während einer langen Zeitspanne wiederholt erfolgte Angabe falscher Informationen über die Staatsangehörigkeit gegenüber den Einwanderungsbehörden zu sanktionieren. III. Trotz der Verpflichtung, das Kindeswohl vorrangig zu berücksichtigen, kann eine mit einem zweijährigen Rückkehrverbot verbundene Ausweisung einer Fremden, die jahrelang in Aufenthaltsverfahren und im Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft falsche Angaben gemacht hat, gerechtfertigt sein, selbst wenn sie mit einem Staatsangehörigen des Aufenthaltsstaats verheiratet ist und die vier gemeinsamen Kinder ebenfalls diese Staatsbürgerschaft besitzen.
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310
Kein Vorliegen von erheblicher Fluchtgefahr bzw Sicherungsbedarf bei grundsätzlicher Bereitschaft zur Ausreise
LEITSATZ DES GERICHTS: Die fehlende Ausreisewilligkeit eines Fremden, iSd bloßen Unterbleibens der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Verhängung von Schubhaft. Vielmehr muss der aktuelle Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein. Zudem ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfs auch das bisherige Verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen.
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