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Gesetzlich vorgesehene Alternative zur Wehrdienstverweigerung als Ausschluss einer Verfolgungsgefahr
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Die Beurteilung betreffend die Glaubhaftigkeit einer behaupteten Verfolgungsgefahr hat auf der Grundlage positiver Feststellungen zu erfolgen. Derartige positive Feststellungen können nicht getroffen werden, wenn die Angaben der fremden Person aber als unglaubwürdig erachtet werden. II. Wäre die Ableistung des Wehrdienstes mit zwangsweisen völkerrechtswidrigen Militäraktionen verbunden, so kann im Hinblick auf eine Desertation bzw Wehrdienstverweigerung bereits eine Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen. Besteht jedoch die Möglichkeit, sich rechtsgültig durch die Leistung einer nicht unangemessen hohen Wehrersatzgebühr vom Wehrdienst zu befreien, so ist nicht vom Bestehen einer Verfolgungsgefahr auszugehen. III. Stellt die Wehrdienstverweigerung, welche die Grundlage einer behaupteten Verfolgung bildet, nicht das einzige Mittel dar, um der Beteiligung an Kriegsverbrechen zu entgehen, so kann die behauptete Verfolgung nicht als Asylgrund herangezogen werden. IV. Obwohl mehreren Anträgen auf internationalen Schutz ähnliche Sachverhalte zugrunde liegen (hier: zwei Brüder in einer ähnlichen Situation), ist dennoch jeder Fall für sich zu beurteilen und entfaltet die zuerst getroffene Entscheidung keine Bindungswirkung für das darauffolgende Verfahren. V. Die Teilnahme an einer Kundgebung gegen die Regierung im Heimatstaat (hier: Syrien) führt nicht zu einer Verfolgungsgefahr aufgrund der Annahme einer oppositionellen Gesinnung, wenn die Behörden des Heimatstaats keine Kenntnis von der Teilnahme erlangen.
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Offenkundige Versehen berechtigen nicht zur Beschwerdezurückweisung
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Der VwGH hat in seiner Rsp zu § 63 Abs 3 AVG festgehalten, dass die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides (nur) in der Weise zu erfolgen hat, die es ermöglicht, unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 und 7 ABGB den angefochtenen Bescheid zu erkennen und jede Verwechslung darüber auszuschließen; keinesfalls sollte damit ein übertriebener Formalismus in das Verwaltungsverfahren eingeführt werden. Gleiches gilt sinngemäß für § 9 Abs 1 Z 1 VwGVG. II. Bei der Angabe der im Hinblick auf eine fehlende Ziffer falschen Geschäftszahl handelt es sich um ein offenkundiges Versehen, welches eine eindeutige Zuordnung der Beschwerde zum bekämpften Bescheid nicht hindert. III. Wenn aus dem Inhalt einer Beschwerde erschließbar ist, welcher konkrete Bescheid bekämpft werden soll, ist auch eine Bezugnahme auf einen anderen als den beantragten Aufenthaltstitel als offenkundiges Versehen zu werten. IV. Selbst wenn das LVwG Zweifel an der Zuordenbarkeit der Beschwerde haben hätte können, wäre eine Zurückweisung ohne vorhergehende Verbesserungsmöglichkeit gemäß § 13 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG nicht rechtmäßig gewesen, weil das LVwG lediglich bei eindeutigen Prozesserklärungen an diese gebunden ist.
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Muss eine behauptete politische Überzeugung "grundlegend" sein?
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Eine "politische Überzeugung" iSd Art 10 Abs 1 lit e RL 2011/95/EU kann sich nicht nur in einer artikulierten "Meinung", sondern auch einer "Überzeugung" oder "Grundhaltung" manifestieren. II. Ausschlaggebend ist vor allem die Wahrnehmung der Verfolger, weniger die persönlichen Beweggründe des Antragstellers (Art 10 Abs 2 RL 2011/95/EU). Folglich kommt es nicht auf einen zu erreichenden Grad an Überzeugung an, etwa ob die Überzeugung "grundlegend" ist. Stattdessen genügt es, wenn der Antragsteller behauptet, er bringe diese Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung zum Ausdruck oder habe sie zum Ausdruck gebracht. Die Frage, ob die Furcht vor resultierenden Verfolgungshandlungen auch begründet ist, ist gesondert zu beurteilen. III. Aus Art 4 Abs 3 bis 5 RL 2011/95/EU ergibt sich, dass die Asylbehörden der Mitgliedstaaten eine umfassende und eingehende Prüfung aller relevanten Umstände betreffend die besonderen persönlichen Umstände dieses Antragstellers und der allgemeineren Gegebenheiten seines Herkunftslands, insbesondere der politischen, rechtlichen, justiziellen, historischen und soziokulturellen Aspekte, vorzunehmen haben, um zu ermitteln, ob der Antragsteller begründete Furcht vor einer persönlichen Verfolgung wegen seiner politischen Überzeugung hat, insb wegen der Überzeugung, die ihm die potenziellen Verfolger in seinem Herkunftsland zuschreiben könnten. Dabei haben die Behörden zwar auch das Ausmaß der Überzeugung sowie allfällige resultierende Aktivitäten zu berücksichtigen, dürfen aber nicht verlangen, dass die Überzeugung so tief verwurzelt ist, dass sie der Antragsteller im Falle seiner Rückkehr nicht mehr ablegen kann.
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Diplomatenausweise als Dokumentation eines "Aufenthaltstitels" im Sinne von Art 2 lit l und Art 12 Dublin III-VO
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Ein "Aufenthaltstitel" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO erfordert eine aktive Rolle des Mitgliedstaats, der einen mutmaßlichen solchen ausgestellt hat (konstitutives Element). II. Bereits, wenn ein Mitgliedstaat Diplomatenausweise in Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966, ausstellt, ist darin die Gewährung eines "Aufenthaltstitels" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO zu sehen. Schließlich bringt der Mitgliedstaat dadurch zum Ausdruck, dass er den Aufenthalt der Ausweisinhaber auf seinem Hoheitsgebiet akzeptiert und auf die Ausübung entgegenstehender Vorrechte als Empfangsstaat (vgl Art 4, Art 5 Abs 1, Art 9 und Art 10 des Wiener Übereinkommens) verzichtet.
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Einreiseverweigerungen an EU-Binnengrenzen auch bei Fehlen eines Asylgesuchs de facto unmöglich
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Auf irregulär eingereiste Drittstaatsangehörige an Binnengrenzen – selbst wenn diese nach Maßgabe der Art 25 ff VO (EU) 2016/399 ausnahmsweise wieder kontrolliert werden – ist neben der genannten VO (Schengener Grenzkodex) auch die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) anwendbar, sofern der Aufenthalt nach der Einreise nicht legalisiert wird (insb durch ein Asylgesuch). II. Die Parallelität der beiden Sekundärrechtsakte hat zur Konsequenz, dass die Mitgliedstaaten zwar eine Entscheidung auf Einreiseverweigerung (Art 14 VO [EU] 2016/399) treffen dürfen, aber zusätzlich die Garantien der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) einhalten müssen, sofern der Drittstaatsangehörige schon auf ihrem Gebiet (etwa im Umfeld einer Grenzübergangsstelle) ist. III. Konkret müssen die Mitgliedstaaten diesen Drittstaatsangehörigen gegenüber grs eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihnen diesfalls eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewähren und dürfen sie nur als ultima ratio abschieben (Art 6 ff RL 2008/115/EG). Ein dem Aufgriff unmittelbar folgendes Verbringen in den Mitgliedstaat, aus dem der Drittstaatsangehörige gekommen ist, steht damit nicht in Einklang.
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