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Behebung einer Entscheidung, die eine Trennung der Mutter von ihrem einjährigen Kind zur Folge hatte
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Zwar ist beim Kindeswohl keine absolute Priorisierung gefordert, jedoch ist es bei allen – Kinder betreffende – Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen vorrangig zu beachten. So greift eine Entscheidung in das Kindeswohl – selbst dann, wenn sich diese nicht direkt gegen das Kind richtet – ein, wenn die Entscheidung eine Trennung des (hier: einjährigen) Kindes von dessen Mutter zur Folge hat. II. Hat eine Entscheidung die Trennung einer Mutter von ihrem kleinen Kind (und ihrem in Österreich lebenden, asylberechtigten Ehemann) zur Folge, so haben die öffentlichen Interessen an einem geordneten Asylsystem im Rahmen der Interessenabwägung zurückzutreten.
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Asylbehördliches Beweisverfahren, Aufgreifen von Verfahrensvorschriftenverletzungen des Rechtsmittelgerichts und Entscheidungspflicht (nach altem EU-Richtlinienrecht)
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Art 4 Abs 1 RL 2004/83/EG und Art 8 Abs 2 RL 2005/85/EG belassen einen weiten Spielraum hinsichtlich der Frage, welche Beweismittel die Asylbehörde heranziehen darf. Ein Gutachten, etwa zur psychiatrischen Verfasstheit des Antragstellers, kann eingeholt werden, wenn die Art und Weise der Einholung im Einklang mit der GRC steht (vgl etwa EuGH 25.1.2018, C-473/16 [F], ECLI:EU:C:2018:36). Das Rechtsmittelgericht, das die Entscheidung der Asylbehörde ex nunc überprüfen soll, kann erforderlichenfalls zur Gutachtenseinholung verpflichtet sein. II. Das Unionsrecht und insb das gemeinsame europäische Asylsystem verlangen nicht die Einräumung eines zweistufigen gerichtlichen Rechtsmittelzugs. Wenn die Mitgliedstaaten einen solchen dennoch zur Verfügung stellen, so ist es ihnen nicht verwehrt, vorzusehen, dass die Verletzung von Verfahrensvorschriften durch das erstinstanzliche Rechtsmittelgericht nur bei Wesentlichkeit für die Entscheidung aufgegriffen wird (vgl in Österreich § 42 Abs 2 Z 3 VwGG). Voraussetzung dafür ist die Einhaltung des Effektivitäts- und des Äquivalenzgrundsatzes. III. Art 23 Abs 2 und Art 39 Abs 4 RL 2005/85/EG legen den Asylbehörden und Rechtsmittelgerichten der Mitgliedstaaten zwar keine konkreten Entscheidungsfristen auf, wohl aber hat die Asylbehörde gemäß Art 23 Abs 2 RL 2005/85/EG so rasch als möglich und das Rechtsmittelgericht gemäß den Erfordernissen des Art 47 GRC (angemessene Verfahrensdauer) zu entscheiden. IV. Für die Beurteilung der Angemessenheit der Verfahrensdauer kommt es auf die Umstände der konkreten Rechtssache an. Dazu zählen legislative Änderungen nicht, sodass sie eine gerichtliche Säumnis nicht zu rechtfertigen vermögen. V. Die Nichteinhaltung der angemessenen Verfahrensdauer iSd Art 47 GRC führt nicht per se zur Aufhebung der Entscheidung durch eine allfällige zweite gerichtliche Instanz, es sei denn, sie hätte zu einer Verletzung der Verteidigungsrechte geführt. VI. Eine (noch im behördlichen Verfahren eingestandene und erläuterte) Falschaussage eines Antragstellers vermag für sich alleine nicht die (beweisentlastende) Feststellung seiner generellen Glaubwürdigkeit (Art 4 Abs 5 RL 2004/83/EG) zur Folge haben.
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Aufenthalt in einem anderen EU-Mitgliedstaat als jenem des Daueraufenthaltsrechts
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Das Aufenthaltsrecht von in einem (ersten) Mitgliedstaat die Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten genießenden Drittstaatsangehörigen in einem (zweiten) Mitgliedstaat ist lediglich derivativen Charakters und folglich vom Fortbestand der Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat abhängig. Dementsprechend darf bzw sogar muss der zweite Mitgliedstaat bei der Verlängerung von Aufenthaltstiteln iSd Art 14 ff RL 2003/109/EG das Fortbestehen des zugrunde liegenden Daueraufenthaltsrechts im ersten Mitgliedstaat prüfen. II. Beurteilungszeitpunkt für das Fortbestehen der Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten im ersten Mitgliedstaat ist der Zeitpunkt der Antragstellung im zweiten Mitgliedstaat. III. Zum Verlust der Rechtsstellung des langfristig Aufenthaltsberechtigten kann es insb nach einer sechsjährigen Abwesenheit im ersten Mitgliedstaat kommen (Art 9 Abs 4 UAbs 2 RL 2003/109/EG). Bereits kurzfristige, "wenige Tage nicht überschreitende", Aufenthalte im ersten Mitgliedstaat unterbrechen die genannte Frist. IV. Die Beweislast für das Fortbestehen der Rechtsstellung trägt der Antragsteller. Der zweite Mitgliedstaat hat ihn zur Vorlage von Beweismitteln insb im Hinblick auf dessen Aufenthalte im ersten Mitgliedstaat aufzufordern. Ferner muss der zweite Mitgliedstaat prüfen, ob der erste Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht von der Sechs-Jahres-Frist gemäß Art 9 Abs 4 UAbs 3 RL 2003/109/EG suspendiert hat. Der zweite Mitgliedstaat muss mit dem ersten die Zusammenarbeit suchen (vgl Art 4 Abs 3 EUV). V. Der zweite Mitgliedstaat darf die Verlängerung des abgeleiteten Aufenthaltstitels iSd Art 14 ff RL 2003/109/EG nicht mit der Begründung des Nachweises fehlenden Wohnraums verweigern, sofern er in seinem nationalen Recht nicht hinreichend klar die diesbezügliche Ermächtigung des Art 15 Abs 4 UAbs 2 RL 2003/109/EG genutzt hat.
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Homosexuelle Orientierung trotz leiblicher Kinder aus heterosexueller Ehe
LEITSATZ DES GERICHTS: Das Führen einer Beziehung mit gegengeschlechtlichen Personen oder das Vorhandensein leiblicher Kinder schließen eine behauptete Homosexualität nicht aus.
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Verweigerung der Ausstellung eines Fremdenpasses stellt Eingriff in das Recht auf Freizügigkeit dar
LEITSATZ DES GERICHTS: Das Grundrecht auf Ausreisefreiheit erfordert die Durchführung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Verfahren zur Ausstellung von Fremdenpässen und die Beachtung der Voraussetzung "sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik liegt".
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