Aufsatz
Verletzung von Art 3 EMRK durch Abschiebung schwer kranker Schutzsuchender in Herkunftsstaaten mit mangelnden medizinischen Behandlungsmöglichkeiten
Angesichts der mangelhaften medizinischen Versorgungssituation in vielen Nicht-Konventionsstaaten kann die Entscheidung eines Konventionsstaates, einen schwer kranken Schutzsuchenden in seinen Herkunftsstaat abzuschieben mit Art 3 EMRK unvereinbar sein. Der EGMR hat 1997 mit dem Fall D. diese Facette des Schutzes vor unmenschlicher Behandlung eröffnet, gleichzeitig allerdings dem Anwendungsbereich von Art 3 EMRK in solchen Fällen sehr enge Grenzen gesetzt. Nur wenn "sehr außergewöhnliche Umstände" gegeben sind, die mit der Situation D.‘s vergleichbar sind, wird eine unmenschliche Behandlung angenommen. D. war im fortgeschrittenen Stadium von AIDS und konnte keine Hoffnung auf ausreichende Behandlung oder soziale bzw moralische Unterstützung haben. In diesem Beitrag wird versucht, der EGMR-Judikatur seit D. Regelmäßigkeiten hinsichtlich des gebotenen Umgangs mit schwer erkrankten Schutzsuchenden und mangelnder medizinischer Versorgung im Herkunftsstaat zu entnehmen bzw zu erörtern, ob die vom EGMR festgesetzte hohe Schwelle beibehalten wurde. Darüber hinaus wird die im Jahr 2008 im Urteil N. nachgelieferte Begründung dieser hohen Schwelle, insbesondere im Hinblick auf den absoluten Charakter von Art 3 EMRK und Fragen der Verantwortung der Konventions- und Herkunftsstaaten, unter Berücksichtigung einschlägiger Passagen des jüngst ergangenen EGMR-Urteils Harkins und Edwards, einer kritischen Würdigung unterzogen.
Autor/in: Arnaud Berthou