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Diplomatenausweise als Dokumentation eines "Aufenthaltstitels" im Sinne von Art 2 lit l und Art 12 Dublin III-VO
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Ein "Aufenthaltstitel" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO erfordert eine aktive Rolle des Mitgliedstaats, der einen mutmaßlichen solchen ausgestellt hat (konstitutives Element). II. Bereits, wenn ein Mitgliedstaat Diplomatenausweise in Anwendung des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, BGBl 66/1966, ausstellt, ist darin die Gewährung eines "Aufenthaltstitels" iSd Art 2 lit l und Art 12 Abs 1 Dublin III-VO zu sehen. Schließlich bringt der Mitgliedstaat dadurch zum Ausdruck, dass er den Aufenthalt der Ausweisinhaber auf seinem Hoheitsgebiet akzeptiert und auf die Ausübung entgegenstehender Vorrechte als Empfangsstaat (vgl Art 4, Art 5 Abs 1, Art 9 und Art 10 des Wiener Übereinkommens) verzichtet.
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Einreiseverweigerungen an EU-Binnengrenzen auch bei Fehlen eines Asylgesuchs de facto unmöglich
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Auf irregulär eingereiste Drittstaatsangehörige an Binnengrenzen – selbst wenn diese nach Maßgabe der Art 25 ff VO (EU) 2016/399 ausnahmsweise wieder kontrolliert werden – ist neben der genannten VO (Schengener Grenzkodex) auch die RL 2008/115/EG (RückführungsRL) anwendbar, sofern der Aufenthalt nach der Einreise nicht legalisiert wird (insb durch ein Asylgesuch). II. Die Parallelität der beiden Sekundärrechtsakte hat zur Konsequenz, dass die Mitgliedstaaten zwar eine Entscheidung auf Einreiseverweigerung (Art 14 VO [EU] 2016/399) treffen dürfen, aber zusätzlich die Garantien der RL 2008/115/EG (RückführungsRL) einhalten müssen, sofern der Drittstaatsangehörige schon auf ihrem Gebiet (etwa im Umfeld einer Grenzübergangsstelle) ist. III. Konkret müssen die Mitgliedstaaten diesen Drittstaatsangehörigen gegenüber grs eine Rückkehrentscheidung erlassen, ihnen diesfalls eine Frist zur freiwilligen Ausreise gewähren und dürfen sie nur als ultima ratio abschieben (Art 6 ff RL 2008/115/EG). Ein dem Aufgriff unmittelbar folgendes Verbringen in den Mitgliedstaat, aus dem der Drittstaatsangehörige gekommen ist, steht damit nicht in Einklang.
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Scheinarbeitsverhältnis begründet kein Freizügigkeitsrecht
LEITSATZ DES GERICHTS: Nicht jede auch noch so geringfügige Ausübung des Freizügigkeitsrechts entfaltet Relevanz. Vielmehr ist es erforderlich, dass mit einer gewissen Nachhaltigkeit von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht wird. Was die Festlegung der Nachhaltigkeitsgrenze anlangt, liegt es nahe, auf die Rsp des EuGH zum Arbeitnehmerbegriff abzustellen. Der EuGH verlangt für die Qualifikation als Arbeitnehmer iSv Art 45 AEUV jenseits des Erfordernisses einer abhängigen Beschäftigung gegen Entgelt in einem anderen Mitgliedstaat einschränkend eine "tatsächliche und echte Tätigkeit", die keinen so geringen Umfang hat, dass es sich um eine "völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit" handelt. Dieser Maßstab lässt sich allgemein dergestalt auf alle Freizügigkeitsrechte übertragen, dass eine "tatsächliche und effektive" Ausübung derselben vorliegen muss. In seiner Rsp zum Arbeitnehmerbegriff hat der EuGH zum Ausdruck gebracht, dass die Höhe der Vergütung, die der Arbeitnehmer erhält, ebenso wenig von alleiniger Bedeutung ist wie das Ausmaß der Arbeitszeit und die Dauer des Dienstverhältnisses.
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Neuerlich zur Wiederaufnahme von Aufenthaltstitelverfahren und zur verwaltungsgerichtlichen Entscheidungsbefugnis
LEITSATZ DES GERICHTS: I. Bei amtswegigen Wiederaufnahmen mehrerer Verfahren und den anschließenden Entscheidungen über die betreffenden Anträge handelt es sich um voneinander trennbare Spruchpunkte. Liegen trennbare Absprüche vor, so ist auch die Zulässigkeit der Revision getrennt zu prüfen. II. Nach stRsp des VwGH ist "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des bescheidmäßigen Spruchs der belangten Behörde gebildet hat. Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des VwG ist daher die "Sache" des bekämpften Bescheids; entscheidet das VwG in einer Angelegenheit, die noch nicht oder nicht in der vom VwG in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, erstmals in Form eines Erkenntnisses, so fällt eine solche Entscheidung nicht in die funktionelle Zuständigkeit des VwG und ist mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit belastet. III. Der Wiederaufnahmegrund des § 69 Abs 1 Z 1 AVG ist, soweit der Bescheid durch gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt wurde, unabhängig davon erfüllt, ob die eine Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigende gerichtlich strafbare Handlung von der dadurch begünstigten Partei gesetzt oder veranlasst wurde, oder ob sie zumindest davon Kenntnis hatte. Es kommt nicht darauf an, ob und gegebenenfalls welche Rolle die begünstigte Partei bei der strafbaren Handlung gespielt hat. IV. IZm Wiederaufnahmeverfahren betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln geht es nicht darum, den Kindern das Eingehen einer Aufenthaltsehe durch einen Elternteil anzulasten, sondern darum, ob ihnen ein Erschleichen des Bescheids durch den Elternteil (im Wege des Berufens auf eine Aufenthaltsehe) zugerechnet werden kann. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die erteilten Aufenthaltstitel vom gesetzlichen Vertreter erwirkt wurden, sodass sein Verschweigen der Aufenthaltsehe als "Erschleichen" iSd § 69 Abs 1 Z 1 AVG in den Verfahren der Kinder gewertet und diesen zugerechnet werden kann.
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Berücksichtigung des Kindeswohls
LEITSATZ DES GERICHTS: Infolge der fehlenden Auseinandersetzung mit den aktuellen Umständen, dem Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt-EU" der Ehefrau, der Beziehung zu seinem Sohn und den Auswirkungen einer Übersiedlung der gesamten Familie auf das Kindeswohl, wird der Beschwerdeführer im Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens verletzt.
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